João Pedro de Paula über seine Choreographie "Sabotage"
Kulturwoche.at: Alle Mitwirkenden und Verantwortlichen dieses Tanzabends wurden erst Jahre bis Jahrzehnte nach Fritz Wunderlichs Tod geboren. Sie stammen zudem aus Brasilien. Haben Sie Fritz Wunderlich vorher überhaupt gekannt?
João Pedro de Paula (Foto: © Wolf Silveri) Als der Ballettdirektor Jörg Weinöhl mich dazu einlud eine Choreographie zu erarbeiten, hatte ich noch nie von Fritz Wunderlich gehört. Meine musikalischen Wurzeln lagen nicht in der klassischen Musik, eher in der traditionellen Musik meines Landes bzw. in der amerikanischen Kultur, was heutzutage irgendwie die Kultur aller geworden ist. Als ich dann klassischen Tanz studierte, begann ich klassische Musik zu hören. Vor allem seit ich mit Jörg Weinöhl arbeite, habe ich begonnen, mich mehr dafür zu interessieren. Durch ihn bekam ich die Gelegenheit, klassische Musik aus unterschiedlichen Zeiten und verschiedener Stilrichtungen, sowie diverse klassische Sänger, zu entdecken. Die Auseinandersetzung mit Fritz Wunderlich war für mich sehr interessant, denn ich dachte zunächst nicht, dass ich so viel mit einem klassischen Sänger gemein haben könnte. Es war eine interessante Reise für mich, mich langsam in sein Leben und Werk einzuarbeiten und auf Gemeinsamkeiten stoßen, Punkte zu finden, wo wir derselben Vision folgen. Es galt herauszufinden, was wichtig für einen Tänzer ist und was für einen Sänger. Es scheint so, dass er viel Zeit in seine Arbeit investiert hat, um seinen eigenen Ausdruck, jenen der Worte und der Musik zu finden und eine Balance darin herzustellen. Es war schön, mit dieser intensiven Vorbereitungszeit eines Sängers in Verbindung zu treten und zu sehen wo da Gemeinsamkeiten zu einer Ballettklasse sind.
Wie haben Sie das nun in Ihrer Choreographie umgesetzt?
Nach dem Hören seiner Musikstücke bin ich sehr bald auf eine Aufnahme der Matthäuspassion gestoßen und ich wählte die Arie "Geduld" und "Von der Jugend" aus dem "Lied von der Erde" von Gustav Mahler. Ich fühlte sofort eine Verbindung zu dem sehr schönen Bild der jungen Frauen und des kleinen Pavillons beim See - und ich suchte einen Bezug zur heutigen Jugend. Die Kleidung, die Mahler beschrieb, ist heute sehr anders und es war wichtig für mich, diesen Kontrast zu dieser delikaten Musik herzustellen. Das Stück gab mir auch Gelegenheit eine Rolle für eine Frau zu konzipieren [Bárbara Flora; Anm.], die stark sein kann und eine gewisse Kraft und Dringlichkeit hat, zu sprechen und die anderen aufzufordern, "zu tanzen". Es geht für mich um die Beharrlichkeit, Ausdauer und natürlich auch Geduld, die nötig ist, für jemanden, der seinen Weg wirklich gehen möchte. Es geht darum, die äußeren Stimmen nicht zu beachten und ein starkes Vertrauen in den eigenen Weg zu haben. Das Lied kommt zweimal vor, weil es für mich um eine natürliche Fortsetzung geht. Ich dachte an diese vier sehr unterschiedlichen Charaktere, die einfach von der Lebenskraft in diese Linie gezwungen werden und Konflikte miteinander haben. Astrid Julen ist die Verwirrung der modernen Welt und der Jugend. Ihre Körperhaltung ist schlaff. Sie hat das Handy in der Hand und repräsentiert Unwissenheit. Und dann - das Solo, das ist die Dringlichkeit dieser heutigen Frau, die stark auftreten und sprechen muss. Daniel Myers, der nackte Tänzer, ist so etwas wie ihr Schüler. Er repräsentiert die Einzigartigkeit, das Individuum. Er ist eine Person, die erfährt und erlebt, was sie gerade hört. Für mich war das eine sehr interessante Reise, von dem Moment, Fritz Wunderlich gar nicht zu kennen - bis zu dieser intensiven Auseinandersetzung mit ihm und seiner Arbeitsweise.