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Die Einsamkeit der Stärke sind die letzten Worte des Films - gesungen von der herzenswarmen Stimme Leonard Cohens. Dieses Ende erleben nur die, welche die ‚Stärke' besitzen bis zum letzten Moment im Kino zu bleiben, oder jene, welche die ‚Einsamkeit' kennen, nicht nach draußen zu wollen, da dort niemand auf sie wartet. So reichhaltig dieser Film an Themen ist - so armselig und kalt ist seine Aussagekraft.
 

Solitude of Strength

land_of_plenty_plakatLand of Plenty, der neue Film von Wim Wenders, macht betroffen, aber nicht, weil der arabische Obdachlose, dessen "Heimat kein Ort, sondern die Menschen sind", auf offener Straße mit grauenvoll präparierter Munition erschossen wird, sondern weil wieder einmal ein groß angelegtes Konzept nicht lebt. Wieder scheitert der ambitionierte Filmemacher Wim Wenders daran, in Beziehung zu treten - zu den Schauspielern, zum Publikum, zu seiner eigenen Geschichte. Der Film gibt vor, den scharfen Gegensatz zwischen Arm und Reich, die Angst und Paranoia vieler Bürger in der amerikanischen Gesellschaft zu behandeln, und ein hoffnungsvoller Film zu sein, "da 'Wahrheit' letztendlich noch kein völlig entleerter Begriff in der gegenwärtigen politischen und sozialen Realität ist, selbst in Amerika", wie ich der schriftlichen Synopsis des Films entnehmen kann. Was wir sehen, sind einsame Menschen, die Beobachten, Observieren, Helfen, Aufträge ausführen, Warten, Beten - zu Gott oder zu sich selbst.

Alles existiert nebeneinander

land_of_plentyyEine junge Frau (Michelle Williams), reist nach Los Angeles auf der Suche nach ihrem Onkel (John Diehl) - einem Vietnamkriegs-Veteranen, der sich ungebeten den Schutz der amerikanischen Gesellschaft zur Aufgabe gemacht hat. Die letzte Bitte ihrer verstorbenen Mutter war, dass sie ihm - dem Bruder, der vor langer Zeit den Kontakt abgebrochen hat - einen Versöhnungsbrief überbringen soll. Alles existiert nebeneinander: die Wahl und der Einsatz der Musik steht für sich, die hervorragenden Soundeffekte (Alex Steyermark) stehen - leider! - für sich, die Bilder (Franz Lustig) stehen für sich. Kurz darf die Sonne ihr unnachahmliches Farbschauspiel im Zeitraffer über der Stadt ausbreiten, und einmal schafft es ein Nektar trinkender Kolibri den strengen Rhythmus des Films zu durchbrechen - indem er unberechenbar lang die Kopftuch tragende Hauptdarstellerin umschwirrt. Auch diese Bilder von natürlichen Vorgängen ohne menschlichen Eingriff stehen - alleine da.

Der Film praktiziert das, was er versucht vorzuwerfen

Der Darsteller des Angestellten, Richard Edson, hat große Mühe den komödiantischen Ansatz seiner Spielweise glaubhaft zu machen, denn auch er bleibt in den gemeinsamen Szenen für sich. Man redet über die Welt, aber nicht mit seinem Partner. Man beobachtet die böse Gesellschaft, aber nicht sein eigenes Tun. Heraus kommt eine Geschichte über diejenigen, die durch den Besitz eines nagelneuen Apple-Laptops überallhin kommunizieren, wann immer sie es wollen, und denjenigen, die ihren Gästen Benzin statt Wodka anbieten müssen, und keine Kontakte land_of_plentypflegen - können! Man hat, oder man hat nicht. Wie es dazu kommt wird nicht thematisiert, es wird nur daran gelitten. Am Elend der Besitzlosen, der Gewalt des Traumas und an den Vätern, die einen nicht verstehen. Die junge Frau fragt den Onkel: "Warum hast Du ihr nie geantwortet? Sie hat Dir so viele Briefe geschrieben!" - Er: "Ich habe eine Linie hinter mir gezogen. Das muss man, um den Ballast loszuwerden." Nur: Was geht hinter dieser Linie noch alles verloren?!
Dieser Film praktiziert genau das, was er versucht vorzuwerfen: weiße verwöhnte Söhnen reicher Eltern auf Droge beschäftigen sich zum Zeitvertreib mit den Armen auf der Straße - die Bösen erschießen sie, die Guten analysieren sie. Beide Varianten verweigern realen zwischenmenschlichen Kontakt. Also: Welche 'Wahrheit' heißt hier Hoffnung?! (Stephanie Lang; 2005)

Filminfos:

Im Verleih von Reverse Angle Pictures

Länge: 123 Minuten
Regie: Wim Wenders
Skript: Wim Wenders und Scott Derrickson
Drehbuch: Wim Wenders und Michael Meredith
Kamera: Franz Lustig
Schnitt: Moritz Laube
Musik: Thom & Nackt
Fotos: Donata Wenders

Darsteller:
John Diehl
Michelle Williams
Richard Edson
Wendell Pierce