mit den Schlagworten:

eva-becker_mh7Multicolourwidescreenmadnesstechnology ist ein Begriff, den man sich merken sollte. Noch hat es sich ja nicht durgesetzt, aber im mehrfach prämierten Kurzfilm "n gschichtn (Episode 1)" von Eva Becker bekommt man eine erste Ahnung davon. Eva Becker im Gespräch mit Manfred Horak übers Filme machen, analoge Sehnsucht und digitale Gegenwart.

"Tatsächlich habe ich derzeit das Problem, was ich auf meine Visitenkarte drauf schreiben soll, was ich bin, was ich mache, weil eigentlich sind es sehr viele Dinge, und ich würde mich auch nicht nur als Filmemacherin definieren. Das ist mir etwas zu eng", erklärte die in Wien lebende und in Deutschland geborene Eva Becker, deren Kurzfilm "n gschichtn (Episode 1)" u.a. mit dem Content Award 2013 ausgezeichnet wurde. An anderer Stelle hieß es darüber auf Kulturwoche.at: "Der Film dauert 18 Minuten, in dem wir mit großem Erstaunen und noch mehr Entzücken die vielen Botschaften sehen und vor allem endlich einmal eine Bushaltestelle im Universum. [...] Die Frage nach dem großen Warum zieht sich dabei durch den ganzen Film. Widerborstig. Charmant. Verschachtelt. Umständlich. Clever. Smart." Genug Gründe also, Eva Becker zu einem Gespräch zu bitten.

Kulturwoche.at: Bei der Verleihung des Content Award 2013 fragte dich Michael Ostrowski, wie es zum Film kam. Deine Antwort lautete: Aus Langeweile.

Eva Becker: (lächelt) Ja, aber eigentlich - na ja, so war das nicht ganz...

Was stand dann tatsächlich am Anfang deiner Überlegungen "n gschichtn" zu konzipieren, den Film zu machen?

Der Rahmen war, dass es die Abschlussarbeit an der Uni war, und ich überlegte mir die totale Freiheit zu nehmen, die ich wahrscheinlich nachher nie wieeva-becker_mh2der habe, und zu versuchen, das zu machen, was aus mir heraus kommt, ohne Schranken, ohne zu sagen, das ist zu blöd, das geht einfach nicht. Mich völlig frei zu machen von allen Erwartungen und auch mich selbst dabei immer wieder zu überraschen. Das war der Ansatz und mehr gab es nicht. Es gab kein Drehbuch, nur meine Skizzenbücher, die sich über die Jahre vollgesammelt haben mit verschiedenen Figuren und Szenen und damit bin ich richtig intuitiv rangegangen. Ich wusste zu Beginn nicht genau was dabei rauskommt, was überhaupt passiert und wie lange der Film dauern wird. Es war wie eine Reise.

Einiges im Film - z.B. wie die Handlung vorangetrieben wird und welche Abzweigungen es gibt - erinnert an den Comic-Zeichner Moebius. Ist er generell eine Inspiration für dich?

Ich kenne Moebius und einige Leute haben mich ebenfalls bereits darauf angesprochen. Ich habe aber seine Comics nie wirklich gelesen und ich habe mich noch nicht richtig mit ihm beschäftigt. Tatsächlich wählte ich einen eher dokumentarischen Ansatz, der bei Animationsfilmen ja doch ungewöhnlich ist.

Läuft man bei diesem Ansatz, den du wähltest nicht Gefahr den Überblick zu verlieren?

Ja. Ich habe auch mit Improvisation gearbeitet, habe z.B. einen Text geschrieben und den Sprechern gesagt, dass sie frei reden dürfen, es laufen zu lassen, nicht starr zu sein und zu sagen, genau so muss es sein. So war der ganze Prozess. Natürlich war immer die Möglichkeit vorhanden, damit komplett zu scheitern. Ich wusste bis kurz vor dem Ende nicht, ob es funktioniert. Die vorletzte Schnittversion war noch katastrophal und dann irgendwann hat sich doch alles zusammengefügt und war dann doch mehr oder weniger rund.

Was war katastrophal?

Dass der Film keinen Rhythmus hat.

In den 18 Minuten passiert ja oberflächlich betrachtet nicht sehr viel, da darf man sich halt nicht täuschen lassen und genau das ist ja auch das Schöne an dem Film, wie ich meine. Wir hatten im Vorfeld auch über Berufsorientierung gesprochen und im Film tauchen immer wieder Schilder auf mit Erklärungen, klaren Botschaften und deutlicher Kapitalismuskritik. Wie kam es zur Idee mit den Schildern?

Die Idee mit den Schildern kam aus der Improvisation heraus, weil die Szene mit der Haltestelle nicht besonders klar gezeichnet war und ich an einem Punkt war, wo ich nicht mehr eva-becker_mh3viel Zeit hatte. Ich merkte, die Szene funktioniert nicht so richtig. Es neu zu zeichnen hatte ich aber keine Lust und so kam die Idee mit den Schildern und die Überlegung es halt möglichst einfach, klar und unbeholfen zu machen. Und dann habe ich diese Unbeholfenheit noch weiter geführt. Dann waren plötzlich diese ganzen Schilder im Bild und da wusste ich dann auch nicht, wie komme ich da wieder raus? Da kam mir die Idee, dass die Schilder halt einfach wieder abkommandiert werden. Ein Prozess also, bei dem eines zum anderen führte. Generell geht es schon um eine digitale Welt, die immer wieder einbricht und dass es auch eine analoge Welt trotzdem noch ist. An so einem Bruch spielt es die ganze Zeit, glaube ich. Den Bruch spüre ich auch durch mich gehen, weil ich bin einerseits sehr analog aufgewachsen als Kind in den 1980er Jahren. Ich kenne z.B. auch noch die Musikkassetten und bin trotzdem noch jung genug um das Internet mitbekommen zu haben und die ganze digitale Entwicklung. Ich stehe also mit einem Bein hier und mit einem Bein da. Das spielt im Film auf jeden Fall auch eine Rolle. Dieser Bruch und diese Revolution, die gerade um uns herum passiert.

Gefällt dir die digitale Welt oder sehnst du dich zurück zu den Musikkassetten?

Es ist schon eine Sehnsucht in mir nach mehr Entschleunigung und Ruhe und mehr Zeit. Ich finde, vieles geht zu schnell und ich habe auch den Eindruck, dass sehr viele Leute darunter leiden, bzw. überfordert sind. Das ist mein Eindruck, wenn ich mir die Gesellschaft angucke. Aber natürlich sind das auch tolle Entwicklungen, ich liebe das Internet, es ist großartig, aber ich gucke es immer auch mit einem kritischen Hinterfragen. Ich finde halt, es geht vieles viel zu schnell, man kommt nicht mehr hinterher. Was ist dann wirklich gut für uns und was macht es mit uns und wie verändert es uns? Das sind so Fragen, die ich mir immer wieder stelle.

Was sind deine Wunschvorstellungen als Filmemacherin?

Es gibt ja so Leute wie Woody Allen, der es schafft, jedes Jahr einen neuen Film zu machen, eva-becker_mh4was ich großartig und bewundernswert finde. Aber er ist diesbezüglich sicherlich eine Ausnahme. Andere machen alle paar Jahre einen Film - irgendwo zwischendrin wäre recht schön. Es fragen ja jetzt bereits Leute, wann Episode 2 kommt, ich bin aber grad noch nicht soweit, dass es nach draußen kann, es braucht einfach seine Zeit. Ich bin grad in der Phase, wo ich viel sammle und ausprobiere. Es kann sein, dass der nächste Film schnell fertig wird, aber es ist nicht so, dass ich mir vornehme, dass der Film dann und dann fertig sein muss.

Es gibt auch einige surreale Momente in Episode 1 von "n gschichtn", z.B. die Szene mit den Küken. Kam das auch spontan zustande?

Genau. Das ist nochmals ein völliger Bruch und der kommt auch am Ende - da weiß ich gar nicht mehr, wie ich darauf kam. Ich glaube, ich wollte einfach diese schönen Küken im Film haben und irgendwie hat das dann ja auch funktioniert.

Dein Kurzfilm ist u.a. ein Film über die Schwierigkeit der Kommunikation im Alltag, und es werden philosophische Fragen aufgeworfen, wie die Frage nach dem "Warum" bis hin zur bereits erwähnten Kapitalismuskritik. War dir all das, obwohl du kein Drehbuch hattest, von Beginn an ein Anliegen im Film zu thematisieren?

Die Sinnfrage ist tatsächlich eine Frage, die sich durch all meine Filme zieht. Das ist, glaube ich, schon immer der Ausgangspunkt, oder das, was mich antreibt, also die Frage nach dem Sinn des Lebens. Und auch wenn die Frage nicht explizit auftaucht, steckt das halt mit drin. Letztlich wollte ich mit dem Film schon unterhalten, aber auch anregen...

...Das haben Monty Python ja auch getan...

...Ja, genau, genau. Monty Python waren auf jeden Fall ein sehr starker Einfluss. So, wie die eva-becker_mh6das gemacht haben - Humor als praktische Philosophie, aber mehr auf subtile Art überspitzen und weniger Schenkelklopfer. Es ist auch interessant ... - es gibt Vorstellungen, wo wirklich das Publikum gut drauf eingeht und lacht, es annimmt, und andere wieder, wo die Leute gar nicht wissen, ob sie da jetzt lachen sollen, wie das jetzt gemeint ist, sie finden es zwar komisch, aber darf man da jetzt auch lachen, oder ist das jetzt ernst? - Also, wo die Leute verwirrt sind. Ich finde den Film immer noch sehr lustig, z.B. die T-Shirt-Szene, wo der eine den anderen zutextet. 

Ich bin z.B. auch ein ganz großer Charlie Chaplin Fan. Seine frühen Filme und generell frühe Stummfilme sind ja Kurzfilme. Das war vor 100 Jahren. Gegenwärtig, zumindest beim Filmemachen fürs Internet, sind ebenfalls Kurzfilme der große Renner. Was hat das deiner Meinung nach zu bedeuten?

Generell verändert sich natürlich die Aufmerksamkeit durch das Internet und wir alle haben immer weniger Zeit, die Message muss immer schneller klar sein und von daher je kürzer desto besser, und man verliert eben auch schnell die Geduld. Andererseits ist es z.B. bei "n gschichtn" so, dass es sehr langsam los geht. Es passiert gar nichts, es ist eigentlich ja schon wieder eine Herausforderung an diese kurze Aufmerksamkeitsspanne, wo Leute dann schon nervös werden, weil nichts passiert, und damit wieder zu spielen und die Leute damit wirklich herauszufordern ist auch wieder spannend, aber genere eva-becker_mh5ll verändert sich da schon was. Ich finde es auch schwierig, so einen Film zu Hause am Rechner anzuschauen, ich bin dann auch ständig abgelenkt und wenn ich einen Film richtig sehen will, dann gehe ich ins Kino. Für "n gschichtn" habe ich mir aber diesbezüglich keine Gedanken gemacht. Der Film wurde so lang wie er wurde, der hätte auch fünf Minuten werden können. Es war einfach wichtig, dass er den Rhythmus hat, den er hat und so lang war wie er war. Und wenn Teil 2 kommt ... - vielleicht wird Teil 2 eine Minute lang, vielleicht wird er eine Stunde lang, ich habe keine Ahnung. Es muss so lang sein, wie es sein muss und nicht wie es irgendjemand von einem Festival sagt. Ich kann gar nicht sagen, dass ich mich für ein bestimmtes Format interessiere. Es kommt immer drauf an, was der Inhalt verlangt. Und wenn es eine kurze Idee ist, die eine Minute funktioniert, dann ist es eben eine Minute. Wenn es eine Idee ist, wo ich merke, okay, da brauche ich 90 Minuten, dann werden es 90 Minuten. Es ist nicht so, dass ich sagen will, das Ziel ist ein abendfüllender Spielfilm, eine animierte Komödie oder was auch immer. Ich orientiere mich nie an die Form, sondern was braucht der Inhalt.

Überlegst du dir auch einen Realfilm zu machen?

Ich weiß nicht, ob ich das könnte mit echten Menschen, mit echten Schauspielern, so dass es glaubwürdig wird. Da habe ich schon sehr viel Respekt. Ich weiß nicht, ob ich mir das zutraue als Regisseurin.

Das Interview führte Manfred Horak. Und auch die Fotos sind von ihm, ausgenommen natürlich das Szenenbild aus "n gschichtn". Das ist von Eva Becker. Wenn man da rein klickt, seht ihr den Film.

n-gschichtn_eva-becker