Am 4. Juli wurden mit der Premiere des Stücks "Faust" die Sommerfestspiele Perchtoldsdorf 2007 eröffnet. Schauspieler und Publikum trotzten Wind und Wetter, sodass die Premiere vor der prachtvollen Kulisse der Burg zu Perchtoldsdorf stattfinden konnte. Der Regisseur Ioan C. Toma lässt die beiden Teile von "Faust" in einem fast dreistündigen Theaterstück zu einem harmonischen Ganzen verschmelzen.
Augenblicke der Sorglosigkeit
Die beiden viel bekannt und viel zitierten Teile von Goethes "Faust", die einen wichtigen Bestandteil der Weltliteratur darstellen, zeigen den Kampf Mephistos um die Seele des Wissenschaftlers Faust. Der tragische Held Heinrich Faust, dessen Leben gezeichnet ist vom Streben nach Wissen und Macht, geht einen Pakt mit Mephisto ein. Dieser soll ihm Augenblicke der Sorglosigkeit bescheren - Augenblicke, die Faust durch seinen Drang nach Wissen bisher versäumte. In verschiedenen magischen Sphären zeigt Mephisto Faust das bisher verpasste Leben und Faust holt in seinen Begegnungen mit Gretchen und Helena seine Jugend nach. Die vielen Opfer die Faust auf seinem Weg zur Erfüllung seiner Ziele hinterlässt und auch die Selbstzerstörung Fausts sind die logische Konsequenz.
Gekürzt auf drei Stunden
Ioan C. Toma, der das umfangreiche Werk der beiden Teile von "Faust" auf eine fast dreistündige Fassung gekürzt hat, beschränkt sich auf drei inhaltliche Schwerpunkte: das Element Wasser, die zahlreichen Opfer, wie Gretchen und ihr Sohn, und die Wette zwischen Gott und Mephistopheles um die Seele Fausts. Dabei gehen natürlich zahlreiche Motive und Figuren des Faust-Stoffes verloren und auch behandelte Themen und Personen werden oft nur oberflächlich gezeigt. So kann man den ersten Teil als überaus gelungenes, dramaturgisch harmonisches Gefüge bezeichnen, indem die Wette zwischen Gott und Mephisto, der Pakt Fausts und Mephistos und die zerstörerische Liebe zwischen Faust und Gretchen dargestellt werden. Der zweite Teil wirkt weniger harmonisch, da in kurzer Zeit viele Themen, wie die Motive des Kaisers, Geld und Krieg, sowie die Liebesbeziehung zwischen Faust und Helena und der Tod des Euphorion, auf die Bühne gebracht werden. Es entsteht eine gewisse Hektik, die dem Zuschauer nicht verborgen bleibt. Darunter leidet zuweilen auch das Spiel der wenigen Darsteller, die innerhalb weniger Minuten in neuem Kostüm, in neuer Rolle präsent sein müssen.
Ausgewogenheit zwischen Obszönität und künstlerischer Erotik
Als Überraschung kann die Inszenierung des Werks gewertet werden. Rechnet man bei Sommerspielen doch meist mit bekömmlichen Darstellungen, kann man bei dieser Inszenierung doch Merkmale der Provokation erkennen. Doch Toma sorgt für die Ausgewogenheit zwischen Obszönität und künstlerischer Erotik, wodurch der Eindruck der Provokation gemildert wird. Auch an technischen Effekten wird auf der Sommerbühne nicht gespart. So werden die Schauspieler mit einem Gabelstapler auf die verschiedenen Ebenen der Kulisse, die auch die unterschiedlichen Sphären in denen sich Faust bewegt darstellt, gehoben. Die Kriegsszene wird mit Feuerexplosionen und die Siegesfeier mit einem kleinen Feuerwerk hinterlegt.
Wassertank und gängige Klischees
Das Bühnenbild von Erich Uiberlacker, das sich über die Front der Burgmauer erstreckt, bietet dem Regisseur eine Vielzahl an Möglichkeiten. Im Mittelpunkt der Kulisse kommen zum Beispiel ein Wassertank zum Einsatz, indem die Schauspieler immer wieder Requisiten versenken sowie auch ein gelegentliches Bad darin nehmen. Szenenhaft öffnen und schließen sich Türen, die den Blick in die Innenräume, sozusagen hinter die Kulissen, zum Beispiel in Gretchens Schlafzimmer, gewähren. Die Kostüme von Bonnie Tillemann tragen zur Handlung insofern bei, dass sie die gängigen Klischees von Mephisto, Kaiser, Erzbischof und Engel bedienen und den Zuschauer kaum im Unklaren über die verschiedenen Identitäten lassen.
Lebendige Texte anstelle monotones Rezitieren
Besonders hervorzuheben ist die großartige Darstellung der beiden Protagonisten. Peter Scholz, der als Faust durch sein rastloses Umherirren und seine unruhige Anspannung prägt, interagiert hervorragend mit Erich Schleyer, der dem Mephistopheles durch Witz, Charme und vor allem seinem imposanten Auftreten Leben einhaucht. Vor allem mit der schwungvollen, augenzwinkernden Darstellung des Teufels sorgt Erich Schleyer dafür, dass das Publikum einen amüsanten und kurzweiligen Abend erlebt. Beide Darsteller, die ausschließlich Texte aus den Originaltexten Faust I und Faust II zitieren, sind ausgezeichnete Sprecher. Die Dialoge wirken auf den Zuschauer nicht wie ein monotones Rezitieren, sondern sind lebendige Texte, die das Publikum in Bann ziehen. Auch die weibliche Hauptdarstellerin Silvia Meisterle, die die Rollen von Gretchen und Helena auf die Bühne bringt, erscheint als passende Besetzung. Naiv und vertrauensvoll zeigt sie sich als verliebtes Gretchen, mächtig und schön als Helena. Dass nur sechs Schauspieler/innen die gesamte Besetzung des Stücks sein sollen, scheint in Anbetracht der zahlreichen Rollen unmöglich. Doch gelingt der Sprung von einer in die nächste Rolle vor allem Stefano Bernardin, der in gleich neun verschiedenen Charakteren zu erkennen ist, erstaunlich gut. Für die musikalische Untermalung sorgte der Akkordeonspieler Andrej Serkow, der mit seiner stimmungsvollen Musik die Eindrücke verschiedener Szenen verstärkte. Der Theaterabend endete in Standing Ovations für die Schauspieler und den Regisseur. (Text: Carina Kerschbaumsteiner; Fotos: Lukas Beck)