Schräge Ideen von Christoph Schlingensief. Ein großer Spaß. Ein wildes Panoptikum aus Bildern, Licht und Klang, aufgeteilt in ein Labyrinth aus kleinen Räumen.
They're selling postcards of the hanging/They're painting the passports brown/The beauty parlor is filled with sailors/The circus is in town. (Desolation Row - Bob Dylan)
Seit seiner letzten Burgtheater-Inszenierung Ende 2003 („Bambiland“) hat Tausendsassa Christoph Schlingensief unermüdlich neue Projekte umgesetzt:
Er inszenierte in Bayreuth den „Parsifal“, entwickelte daneben in Island eine neue Drehbühnen-Konstruktion namens „Animatograph“ und drehte in Namibia ca. 300 Stunden Material für einen Spielfilm, der wohl nie in die Kinos kommen wird. Obwohl Schlingensiefs neues „Area7“-Projekt am Burgtheater von diesen anderen Aktionen sehr beeinflusst ist, kann die neue Theaterinszenierung aber auch ohne diesbezügliches Vorwissen ziemlich faszinierend sein.
„Area 7“ verwandelte den Innenraum der altehrwürdigen Theaterinstitution „Burg“ in eine großflächige Installationslandschaft, ein wildes Panoptikum der Farben, Klänge und Bilder. Aufgeteilt in ein Labyrinth aus kleinen Räumen, welches das Publikum wie ein Museum durchwandern kann, ist die normale Trennung zwischen Bühne und Zuschauerraum aufgehoben. So entpuppt sich „Area 7“ als Einladung das Theater an sich bzw. die „Burg“ einmal ganz anders zu erleben.
Und da gibt es eine ganze Menge: Schon von den Logen aus macht es großen Spaß das bunte Treiben im Parkett zu beobachten: Eine Lesung von Elfriede Jelinek, deren lebensgroßes Konterfei per Video auf ein Windrad projiziert ist, die prominenten „Gäste“ wie Adolf Hitler (in der Ehrenloge), Michael Jackson, Schrödingers Katze oder Leni Riefenstahl, die sich in den Spiegelkabinett-ähnlichen Räumen herumtreiben, oder einfach der hypnotisierende Mix aus TV-Bildern, Videos und Musik, der über dem ganzen Auditorium schwebt. Zwischendurch auf der Feststiege die einmalige Gelegenheit eine richtige „Punk“-Legende hautnah live zu erleben: Patti Smith spielt gemeinsam mit Cellistin Clementine Gasser „unplugged“ einige Songs und liest Gedichte. People have the Power.
Noch intensiver wurde die Stimmung aber bei der persönlichen Führung von Christoph Schlingensief durch die Installation: Während in einem Raum namens „Steinberger“ so illustre Gestalten wie Andy Warhol oder Hermann Nitsch zugegen sind, und auch Patti Smith noch einmal vorbeischaut, um „My Blakean Year“ zu singen, entsteht eine eigenartig euphorische Stimmung – das Gefühl von hungrig und satt zugleich, ein schwebender, schwindlig machender Zustand. Das alles, und noch viel mehr kann der Besucher in „Area 7“ erleben, einem Burgtheater-Abend der 3. Art, der einmal mehr beweist, dass Christoph Schlingensief die schrägen Ideen noch nicht ausgegangen sind und dass der 46-jährige Deutsche derzeit einfach zu den spannendsten Akteuren der internationalen Kunst-Szene gehört. (Robert Fischer; Fotos: Burgtheater)
Link-Tipp:
www.burgtheater.at