proll_nina_kleinIm Gespräch mit Kulturwoche.at im Theatercafé erzählt Nina Proll über ihr Kammermusical "Babytalk" von Thomas Zaufke (Musik) und Peter Lund (Text) im stadtTheater Walfischgasse.

 Kulturwoche.at: Wie bist Du an das Stück gekommen? Wie hast Du diese Rolle bekommen?

Nina Proll: Eigentlich hat mich Anita Ammersfeld, die Intendantin, angerufen und hat mir diese Rolle angeboten. Sie wiederum hat von Isabel Weicken, einer Schauspielerin, eine DVD davon bekommen. Ihr ist das Stück empfohlen worden. Anita Ammersfeld hat etwas für ihr Haus gesucht, was eben nicht aufwendig zu produzieren ist, was simpel ist, wo wirklich im Mittelpunkt das Schauspiel steht und die Personen, die agieren. Sie hat mich gefragt, ob ich das machen möchte. Dann habe ich das Buch gelesen, und mich hat das sehr berührt. Das Buch und das Thema Partnerschaft haben mich, sowie alle Menschen heutzutage, sehr interessiert. Ich fand es sehr gut formuliert, und auf den Punkt gebracht in dem Stück, was zwei Menschen miteinander für Stationen durchmachen, wenn sie sich wirklich auf einander einlassen, und entscheiden ein Kind zu bekommen.

War es schwer zu spielen, und dann zu singen, und dann wieder zu spielen? Denn es ist ja kein richtiges Musical.

proll_nina3Na, es war eigentlich nicht schwer, nein. Vor allem nachdem mein letztes Projekt ein Liederabend war, wo ich eineinhalb Stunden oder zwei Stunden alleine auf der Bühne singe und spreche. Eigentlich war von daher das Gesangliche überhaupt keine Schwierigkeit mehr. Die Handlung wird einfach durch den Gesang noch mehr erzählt, aber es ist eher nebenbei. Die Musik ist nicht penetrant im Vordergrund. Es geht eher um die Geschichte – was die Personen in ihren Liedern erzählen.

Wenn Du auf Deine Figur Charlotte schaust, kannst Du etwas von Dir in dieser Figur erkennen?

Ich kann Teile von mir erkennen. Erstens unterscheide ich mich von der Figur, weil ich momentan kein Kind möchte. Also, ich stehe nicht vor dem Thema, und ich hoffe, dass ich nicht so verkrampft ein Kind erzeugen möchte, wenn es dann wirklich dazu kommt, weil die Charlotte schon eine sehr fordernde Frau ist, die den Mann sehr unter Druck setzt, und sagt: „So, jetzt machen wir ein Kind“. Dann muss er wirklich herhalten …

Aber eigentlich hat er mit dem Kindthema angefangen.

Genau, so ist es oft. Die Männer fangen damit an. Man nimmt sie beim Wort, und dann: „Ah, na ja, eigentlich … war es doch nicht so ernst gemeint“. Ich hoffe – sollte ich mich jemals dazu entschließen – dass ich das irgendwie mehr dem Zufall überlasse und nicht sage: „So, heute machen wir ein Kind und es muss jetzt sein“. Im Stück entstehen sehr viele Probleme dadurch, dass Charlotte Robert unter Druck setzt. Es ist dann genau das Problem, dass diese beiden Personen sich plötzlich so versteifen – auf diese Idee –, dass sie einander vergessen, und dass sie sich nicht um einander kümmern, dass sie nicht mehr ehrlich zu einander sind.

Wie war die Zusammenarbeit mit dem Hauptdarsteller Sascha Oskar Weis, der Robert, den Mann von Charlotte, spielt?

Anstrengend. Also, viele Diskussionen. Wir haben, glaube ich, jeden Satz besprochen.

Wo die Sätze auch manchmal nur aus Wörtern bestehen …

proll_nina6proll_nina6… genau. Aber wirklich, wir haben jede einzelne Haltung für jeden Satz besprochen. Es kam zu vielen Auseinandersetzungen, und ich habe ganz viele Aggressionen entwickelt. Mein Kollege hat es abbekommen, aber er hat es gut ausgehalten. Das war notwendig für dieses Stück, glaube ich. Also, es hat dem Stück gut getan. Man muss sich noch mit dem Stück auseinandersetzen, man muss noch diskutieren miteinander.

Es gibt zum Beispiel eine Szene, in der die zwei Charaktere innerhalb von wenigen Sekunden anfangen mit einem Streit und mit einem Kuss zu einander finden. Die Szene ist sehr intensiv und emotional geladen, und sehr gut gespielt…

Ja, ich muss sagen, das haben wir wirklich unserem Regisseur Thomas Schendel zu verdanken. Es gab viele Momente in dem Stück, die schwierig darzustellen sind, oder wo es peinlich sein könnte, die man sicher anders hätte spielen können. Aber ich habe das Gefühl, er hat uns immer auf den richtigen Weg geführt. Er hat auch gesagt, es muss aus einem Streit und aus einer Verzweiflung heraus entstehen, und darunter muss die Liebe zu spüren sein. Sie verletzten sich so, weil sie sich eben sehr lieben.
Diese Szene war relativ schnell klar. Wir haben gewusst, sie muss sehr aggressiv und sehr hysterisch sein. Die Frau muss sehr hysterisch werden, damit der Mann auch seine Fassung verliert und sagt: „Wenn du nicht sofort den Mund haltest, dann …“, und dass beide aus einer Verzweiflung heraus in diese Position kommen, und dass irgendwann Worte nicht mehr helfen. Irgendwann ist alles gesagt. Irgendwann kann man nur sich lieben, oder sich schlagen, oder sich trennen oder ... Das, finde ich, ist sehr gut deutlich geworden.

Wie aktuell ist das „Babytalk“ Thema heutzutage?

proll_nina2proll_nina4Das Thema des Stückes ist total brisant und aktuell. Ich glaube, dass das Thema unserer Zeit es ist Beziehungen zu führen, und dass jemand irgendwie verzweifelt versucht an dem Konzept Familie festzuhalten, aber nicht weiß wie, weil es in unserer Gesellschaft so viele Möglichkeiten gibt, so viel Freiraum, so viel andere Dinge, dass es jedem schwer fällt dieses Konzept umzusetzen, und wirklich zu leben, und jeder hat aber trotzdem die Sehnsucht danach, oder jeder wünscht sich das irgendwo.

Wird die Musik auch auf einer CD erscheinen?

Ist nichts geplant, nein. Wir haben wohl eine CD von einer Berliner Aufführung von dem Stück, aber die ist nicht zum Verkauf. Das war nur für uns, um das zu lernen. Wenn „Babytalk“ ganz super läuft, vielleicht. Aber vorläufig ist es nicht geplant, nein.

Im Stück ist es Charlotte, die sich um den Familienunterhalt kümmert, und sie versucht die Babypause zwischen ihren Terminen einzuplanen. Wobei Robert eher ein freier Typ ist, der dem Kind Savoir-vivre beibringen will. Die Rollen der beiden sind nach der traditionellen Familienvorstellung eigentlich vertauscht.

Die alten Beziehungsmuster von Familie funktionieren nicht mehr, weil das immer auf Kosten der Frau gegangen ist, weil Frauen nicht mehr bereit sind alles alleine zu tragen, und alle Verantwortung alleine zu übernehmen. Der Mann bringt vielleicht das Geld nach Hause, aber sonst kümmert er sich nicht. Ich glaube Frauen sind dazu nicht mehr bereit, und Männer sind noch nicht bereit sich wirklich darauf einzustellen, dass Frauen ihnen die Verantwortung geben, oder dass man die Verantwortung teilt. Viele scheuen diese Verantwortung, weil es so viele andere Dinge gibt. So viele Dinge, wo man sich verwirklichen kann, wo man einen Egoismus hat, und den wollen die wenigsten aufgeben. Bisher war es halt so, dass immer die Frauen ihren Egoismus für die Familie aufgegeben haben, und Männer haben trotzdem gemacht, was sie wollten. Dazu sind halt die Frauen nicht mehr bereit, und deswegen gibt es keine Familien mehr, oder weniger Familien. Glaube ich. Kann mich auch täuschen, aber es ist meine Meinung.

Am Ende findet doch kein richtiges Happy End statt.

proll_nina4Es ist eigentlich für mich ein sehr schönes oder sehr spirituelles Ende, wenn man so will, dass sie zuerst das Kind verliert. Eigentlich kann man das auch so deuten, dass man sagt, das Kind merkt, dass es zwischen den beiden nicht läuft, dass sie beide nicht bereit für ein Kind sind. Deswegen verschwindet das Kind wieder. Wenn man das religiös sehen will, oder spirituell, dann als beide sozusagen wirklich geläutert sind, und gemerkt haben, was für ein Schaden entstehen kann, wie wertvoll eigentlich eine Beziehung ist, und wie fragil, dass sie dann noch mal schwanger ist, ist eigentlich ein Segen, das kann man eben auch positiv sehen. Sie ist endlich bereit dazu, und er vielleicht auch. Aber unter anderen Voraussetzungen als das erste Mal.

Ist unsere Gesellschaft zu verkrampft bei der Planung?

Ja, verkrampft kann sein, aber sicher durch Ängste. Durch seine Angst, dass man nicht mehr sein Leben leben kann, dass man was aufgeben muss, dass man nicht mehr man selbst sein kann. Bei den Frauen die Angst, dass sie dann alleine sind, dass der Mann sie verlässt. Aber das ist auch nichts ..., es ist nichts, was man so locker nehmen kann. Also sicher, es könnte das natürlichste von der Welt sein, aber ist es nicht, glaube ich. //

Interview mit Nina Proll: Anna Gromova
Fotos: Anna Gromova