Berühren, verstören, unterhalten. All das passiert. Und das an der Burg. In "Ein Sommernachtstraum" von William Shakespeare in der deutschen Fassung von Frank Günther unter der Regie von Theu Boermans. Mit Freude. Unterm Festzelt und darüber.
Ich gestehe, ich habe gefrevelt. Entmutigt von all den "Regietheater-Größen", die ihre hauptsächliche Lust daran haben, Stücke samt Autor/innen kaputt zu machen, zu "dekonstruieren", Schauspieler/innen zu knebeln und zu malträtieren, nur damit jene selbsternannten Klappstuhlgötter selig in den aktuellen "Diskurshimmel" des Feuilletons auffahren können, habe ich vor dem Besuch dieses "Sommernachtstraums" zurückgeschreckt. Das war ein großer Fehler von mir. Dieser Abend ist eine lustvolle Bereicherung des Theaters insgesamt. Ein Daseinsgrund für großes Staatstheater in Zeiten von knappen Budgets. Es funkelt und blitzt an diesem Abend, Endorphine werden im Überschuss ausgeschüttet und ein gesteckt volles Haus am Ring entlässt seine Besucher/innen mit einem Leuchten im Gesicht.
Im Augenblick tief berühren
Es bedurfte offenbar des Holländers Theu Boermans, um diesen Mut aufzubringen, Shakespeare einfach so zu erzählen und zu zeigen, wie er ist. Alle die Gründe zu inszenieren, warum sich seine Stücke seit Jahrhunderten hartnäckig auf allen Spielplänen halten. Zu zeigen, warum sich dieser William in Zeiten politischer Repression und penetranter Zensur, ausgeliefert einem Publikum, das noch keinesfalls den Begriff "Stillsitzen" beim Theater kannte, durchgesetzt hat. Mit Geschichten und Figuren, die zum Lachen, zum Weinen, zum Nachdenken, aber immer zum Zusehen animieren. Boermans schafft dieses rar gewordene Kunststück. Eindeutig auch an der Bildersprache des Films geübt, lässt er diesen in fast allen Szenen doch noch hinter sich und gibt der Bühne das, was sie am besten kann: im Augenblick tief berühren. Und er kann sogar dieses inhaltlich höchst wirre Stück so zeigen, dass wir gerne einsteigen, in die Geschichte, in die Freuden und Nöte der Figuren. Sein Mut, auch tief in die Handwerker-Schmierenkomödie hineinzugehen, wird berechtigt mit herzlichem Lachen und spontanem Szeneapplaus belohnt. Selbst die hart an der Vertrocknungsgrenze angesiedelten Hardcore-Abonnent/innen neben mir konnten nicht umhin, mit Fortlauf des Abends immer mehr ihre entrüstungsgeschmiedeten Gesichtszüge in Richtung Lächeln loszulassen.
Hagelgewitter über dem Festzelt
Einen markanten, schwer beeindruckenden Anteil daran, was diese Fassung des "Sommernachtstraums" so großartig macht, hat die Bühne von Bernhard Hammer. Sein Hagelgewitter über dem Festzelt, sein Zeltkollaps mit synchroner Verwandlung in den Traumwald und die schier für unmöglich gehaltene Rückverwandlung ist schlicht phantastisch, beeindruckt weit mehr als jegliche Hollywood Spezialeffekte auf der Leinwand und zählt zum Besten, was ich bei Großbühnen gesehen habe. Um keine falschen Assoziationen aufkommen zu lassen: teuer sind heutzutage viele Bühnenbilder, sie überschlagen sich immer häufiger mit sinnentleerten Multimedia-Lawinen, oder Gatsch-Bassins, die einen eigentümlich kalt lassen. Bernhard Hammer schafft es hier, aus dem großen Aufwand Sinn zu holen, staunen zu lassen und schlicht kindliche Freude zu erleben.
Lachgenuss im Monty Python Format
Die Schauspieler/innen arbeiten heftig, unter maximalen körperlichen Einsatz auch und gerade in den Mühen des tiefen Waldbodens und sind mit großer, sichtlicher Spielfreude am Werk. Maria Happel glänzt als Puck, wo sie nicht nur ihre gewohnten skurrilen Töne anschlägt, sondern immer wieder weich und tief berührend spielt, mit melancholischen Chansons oder im dunklen Abgesang, in dem sie die Tafel rabiat abdeckt. Die beiden jungen Männer Lysander und Demetrius (Philipp Hauß, Patrick O. Beck) geben sich mit erlebbarer Freude den Kämpfen und Lüsten ihres Alters hin. Der Moment, wo Titania (Andrea Clausen), entehrt und der Lächerlichkeit preisgegeben, in der Sekunde von Witz zu tief berührenden, persönlichen Versen - perfekt gesprochen und weich, traurig und sensibel gebracht - getrieben wird, zählt du den schönsten des ganzen Abends. Tief bewegend. Und die Handwerkertruppe (Udo Samel, Markus Mayer, Dirk Nocker, Hans Dieter Knebel, Juergen Maurer, Karim Chérif, Dirk Nocker) ist ein Lachgenuss im Monty Python Format. Doch auch sie schaffen es, dazwischen immer wieder, nicht nur Spaß, sondern auch tief Berührendes zu vermitteln.
Volles Haus und strahlende Gesichter
Leider wird diese Produktion nur noch wenige Male gespielt und gerüchteweise von der neuen Intendanz nicht übernommen [die Premiere fand am 7. 1. 2007 statt; Anm.]. Das verstehe ich nicht. Muss ich wahrscheinlich auch nicht, das wird im Diskurshimmel verhandelt. Ist aber sehr, sehr schade. Jedenfalls, so irgendwie möglich, noch hingehen und Freude erleben. Ein großer Abend, ein volles Haus, strahlende Gesichter auf dem Heimweg. Das ist Theater. (Text: Tristan Jorde; Fotos: Burgtheater Wien)
Infos zum Stück:
Ein Sommernachtstraum von William Shakespeare
Wiener Burgtheater
Bewertung: @@@@@
Regie: Theu Boermans
Mit: Peter Simonischek, Andrea Clausen, Maria Happel, Patrick O. Beck, Philipp Hauß, Udo Samel, Hans Dieter Knebel u.a.