tina-leisch-romanesDer sprechende Titel ist mehr als berechtigt. Denn die (Leidens)geschichte der Roma steht im Mittelpunkt. Doch selbst eine solche Thematik lässt sich trefflich in ein "Spektakel mit viel Musik" packen. Gespielt und gesungen wird "Schneid deinen Ärmel ab und lauf davon!" in Romanes und in Deutsch.

Ich möchte deine Ängste nehmen, um sie ins Feuer zu werfen...

...sagt der Schmied zur jungen Roma Frau. Wenn es doch so einfach wäre, denke ich. Allein um diesen Satz herum wäre es wert, ein eigenes Stück zu stricken. Ängste, Hass, Vorurteile – und schon sind wir mitten drin in dieser grotesken Revue.

tina-leisch-romanes01tina-leisch-romanes03Regisseurin Tina Leisch hat eine Theaterform gewählt, in der Figurentheater mit Liedern und tänzerischen Sequenzen vermischt wird. Ihr Anspruch, 600 Jahre Geschichte der Roma und des Antiziganismus in Österreich auf die Bühne zu bringen, gelingt teilweise. Sie beweist Mut zum Experiment, setzt auf die Leuchtkraft der Sprache Romanes und scheut sich auch nicht davor, Kinder und jugendliche Darsteller/innen auf die Bühne zu bringen.

Was man da über die Behandlung der Roma während des Zweiten Weltkriegs und danach erfährt, lässt einem die Haare zu Berge stehen. Die Szenen, in denen Figurentheater gespielt werden, sind sehr eigenartig und gehen unter die Haut. Und immer ist Feuer in den Worten und im musikalischen Potenzial zu spüren. Man lauscht der Musikalität der Sprache und wird mitgerissen. Die Musik stammt von der Balkan-Jazz-Sängerin Matilda Leko. Harri Stojka, Goran Elvis und Marko Živadinović begleiten das Geschehen live.

Noch mehr Romanes!

Ach lasst sie doch noch viel mehr Romanes sprechen! Dort, wo die deutsche Sprache nicht ganz flüssig über die Lippen kommt, wird das Schauspiel etwas linkisch. Mehr Originalsequenzen mit oder ohne Übersetzung hätte das Stück sicherlich vertragen. Ein wenig schade ist es auch, dass die jüngeren zeitgeschichtlichen Ereignisse der letzten 20 bis 30 Jahre nur am Schluss gestreift werden.

tina-leisch-romanes04tina-leisch-romanes02Dennoch bleibt viel im Ohr und auch der ungewöhnliche örtliche Rahmen lässt mich staunen. Der Theatersaal im Hermann Fischer Hof befindet sich in der Leopoldstadt, in einem Gemeindebau der Ybbsstraße. Diese Gegend wird dank der Bemühungen des Bezirks und der Gebietsbetreuung zu einem immer interessanteren und bunt durchmischten Grätzel. Die Aufführung ist in diesem historisch belasteten Gebiet gut aufgehoben. Auch die Schlichtheit der Bühne und das gesamte Ambiente des Saals passen zu der Einfachheit der Inszenierung, die auf die natürliche Strahlkraft der Akteur/innen der Roma-Theatergruppe setzt. Das Stück nimmt das Publikum mit auf eine Zeitreise, die Gemeindebauatmosphäre verstärkt dieses Gefühl. "Schneid deinen Ärmel ab und lauf davon!" ist noch bis 31. Mai 2009 zu sehen. (Text: Evelyn Blumenau, Fotos: Lisbeth Kovacic)

Kurz-Infos:
Schneid deinen Ärmel ab und lauf davon!
Bewertung: @@@1/2
Regie: Tina Leisch
Co-Regie: Sandra Selimović & Philipp Eisenmann
Text & Konzept: Tina Leisch, Simonida Jovanović & Ensemble
Mit: Sandra Selimović, Radiša Barbul, Matilda Leko, Ambrol Stoika, Max Clark, Milesa Marković, Philipp Eisenmann, Alex Peer u. a.
Kompositionen und Gesang: Matilda Leko
Gitarre: Harri Stojka
Violine: Goran Elvis
Ziehharmonika: Marko Živadinović
Puppenspiel: Susita Fink
Kostüme: Sandra Sekanina
Bühnentechnik & Licht: Chris Thaler
Eine Produktion von Verein Kinoki