Im Schauspielhaus Wien hat Daniela Kranz ein Kondensat von Ilija Trojanows Grenzüberspringendem Schelmenroman "Die Welt ist groß und Rettung lauert überall" auf die Bühne gebracht. Nach einem zähen Drittel werden die Charaktere langsam greifbar und es kommt doch noch Schwung in die Geschichte.
Nachdem uns die Theaterautoren den pointierten Wortwechsel in Dialogform abgewöhnt haben, sind Dramatisierungen preisgekrönter Literatur in den letzten Jahren in Mode gekommen. Dabei haben Jette Steckel und Susanne Meister den Trojanow -Text einfach in einer Kurzfassung an vier Schauspieler ausgeteilt. Diese sitzen und warten. Der in der Ecke, mit dem elegant-verwegenen schwarzen Hut und den Würfeln in der Hand erhebt sich als erster. "Bai Dan, Dan von Jordan, und Bai zur Auszeichnung eines Mannes, dem eine gewisse Beziehung zu den Würfeln nachgesagt wird." Ein Spieler, also wird gespielt. Backgammon. Dabei verfallen sie in die Erzählung der Familiengeschichte von Slatka, Jana, Vasko und Alex, wissen allerdings nicht recht, welche Miene aufsetzen.
"Die Flucht kennt Epochen, Jahre der Bewegung und Jahre der Trägheit."
Wie Slatka sich in den Vater von Jana verliebte, wie Vasko heimlich die Flucht in den Westen plante und schließlich mit Jana und dem kleinen Alex abgehauen ist um ein bequemeres Leben zu führen. Die Mauerüberquerung gelang nur, weil der einzige Wachposten hartnäckig weggeschaut hat. Als Jana, Vasko und Alex im Flüchtlingslager in Italien ankommen, haben sie jedes Erinnerungsstück an ihr altes Leben verloren. Es ist eng an diesem Umschlagplatz für sichere Plätze im Westen. Wohin soll die Reise weitergehen? Deutschland war nicht die erste Wahl. Dort leidet Alex jetzt erwachsen und verwaist an schwerer Oblomowitis. Bis sein Onkel Bai Dan ihn vom Krankenbett in die Welt treten lässt. Der Ritt auf zwei gesattelten Barhockern als Tandem bringt die Geschichte endlich mit Stil in Schwung. Einmal wird ein Polizist ganz sachte beim Hütchenspiel ausgetrickst. In Monte Carlo wird schnell und hoch gewonnen für einen halbstündigen Ausflug mit einem Iso Griffo. So würfelt Bai Dan seinen Neffen quer durch Europa in und durch das Leben, bis er selbst damit umgehen kann.
"Was siehst du, und was machst du daraus?"
Daniela Kranz inszeniert die Flüchtlingsgeschichte als Abenteuerurlaub mit leichter Lagerbeklemmung im oberflächennahen Trashtheaterstil der 0er Jahre. Für einen Trojanow-Roman braucht es allerdings mehr als eine Drehbühne und eine Windmaschine. Auch wenn sich Stefan Höld als Bai Dan ins Zeug legt und Max Mayer als Alex überzeugt, bietet der Abend nicht einmal das halbe Vergnügen. (Christine Koblitz; Fotos: Schauspielhaus)
Kurz-Infos:
Die Welt ist groß und Rettung lauert überall
Bewertung: @@@
Von Ilija Trojanow
Bühnenfassung von Jette Steckel und Susanne Meister
Schauspielhaus Wien
REGIE Daniela Kranz
BÜHNE Aurel Lenfert
KOSTÜME Bettina Kraus
DRAMTURGIE Constanze Kargl
Mit: Bettina Kerl, Christian Dolezal, Steffen Höld und Max Mayer