Im off-off-Pygmalion-Theater wurde der gesamte Kleist inklusive Briefe in Kurzfassung vor beunruhigend wenig Publikum gebracht. Dabei kann sich der Beitrag von Miriam Sachs und Eva Jankovsky zum Kleist-Jahr (200. Todestag) durchaus sehen lassen.
Sie leidet an chronischem Geldmangel, besonders seit sie aufgrund ominöser Teilchen im Blut als Probandin bei einer Medikamentenstudie ausgeschieden wurde. Kein All-Inclusive-Ruheaufenthalt mit 24-Stunden-Zimmerservice zum Schreiben der bald fälligen Seminararbeit über Kleist. Also ab in die Küche zur Analyse des Gesamtwerks: beginnend mit Penthesilea, der Amazonengeschichte mit den übereinanderfallenden Frauen (alle laufen, eine stolpert, die anderen können nicht mehr bremsen...). Ein alter Gag, der heute noch in jedem Zeichentrickfilm verwendet wird. Sex als staatstragende Maßnahme. Von der Mutter verordnet, Achill zu bezwingen, schwanger zu werden und zurückkommen. Ginge es nicht auch einfacher? Orlando Bloom statt Brad Pitt? Die antiken Helden tragen heute die Gesichter Hollywoods. In knackiger Kurzfassung präsentiert sie die Aktualität der Kleist'schen Frauenfiguren. So passt es ganz gut, dass der Dichter plötzlich in Fleisch und Blut bei ihr einzieht. Klarer Vorteil: nun kann sie das Original studieren. Klarer Nachteil: nun muss sie für zwei aufkommen, denn er hat auch kein Geld. Dreht aber ständig Zigaretten und macht allerlei Geschäfte auf der Straße. Dass sie seine Briefe kennt, findet er ganz ungeheuerlich. Ihr ist es ein wenig peinlich, aber gelesen hat sie sie doch. Es bahnt sich eine Beziehung zwischen den beiden an, während sie noch an ihrer letzten kiefelt. Sie wird ihm jedenfalls nicht hinterherlaufen wie das Käthchen ihrem Ritter. Unterbrochen wird das Spiel von Kurzfilmen in frecher Monty-Python-Manier.
Halbleere im schwarzen Loch verbreitet immer leichte Endzeitstimmung, die sich oft auch auf die auftretenden Schauspieler auswirkt. Nicht so bei Miriam Sachs, die in der Personalunion von Darstellerin, Filmemacherin und Autorin dreifache Verantwortung trägt und in allen Bereichen eine sehenswerte, starke Leistung bringt. Ihr Bühnenpartner Leo Solter braucht einige Zeit bis er sich warm gespielt hat. Eva Jankovsky hat brav inszeniert, was dank des starken Textes nicht weiter auffällt. Jedenfalls hätte sich das Stück deutlich mehr Zuschauer verdient. (Text: Christine Koblitz; Fotos: Rudi F. Salomon)
Kurz-Infos:
Kleist in meiner Küche: Ein Monolog für zwei Personen und einen Fernseher von Miriam Sachs
Bewertung: @@@@
Kritik zur Aufführung am 25.2.2011 im Pygmalion Theater (Wien)
Regie: Eva Jankovsky
Darsteller: Miriam Sachs und Leo Solter
Trickfilme/Bühnenprojektion: Miriam Sachs
KOPRODUKTION: theater-JA.KOMM + Puppet Holding + Theaterkapelle Berlin