samurai-2011Nein, bei diesem Theaterstück steht nicht ein Mitglied des Kriegerstandes im vorindustriellen Japan im Mittelpunkt, sondern der Ursprung des eigentlichen Wortes 'saburai' (dt. Diener). Der Diener im Stück nach einem Projekt von Dea Loher und Andrea Kriegenburg ist der Pförtner, es spielen und singen um dessen Existenz die fabelhaften Katrin Schurich und Florian Tröbinger.

"Ich habe gefehlt!" Das Wehklagen eines zuverlässigen Mitarbeiters, der, weil sein Wecker nicht geläutet hat (obwohl die Garantie noch nicht abgelaufen ist), nicht rechtzeitig zur Arbeit erscheinen konnte, ist die Ausgangslage von "Samurai/Futuresong", einem kurzweiligen Stück aus dem siebenteiligen "Magazin des Glücks" von Dea Loher. Bisher verlief ja alles wie gewohnt, der Tag gestern und der Tag heute unterscheiden sich grad mal, in dem man zu dem einen Tag z.B. Montag sagt und zu dem nächsten dann halt Dienstag. Und dieser sich kaum ändernde Tagesablauf (der auf der Bühne wie ein Kanon aufgezählt wird) bringt letztlich auch die tiefe Befriedigung mit sich immer pünktlich zu sein. Immer pünktlich zu sein wiederum bringt den Pförtner zur Ansicht unersetzlich zu sein. "Ich bin nicht ersetzbar!" Schließlich strampelt man sich in der Arbeit ja auch ab, da braucht man gar keine Fitnesskammer mehr. Verschlafen? Grausame Vorstellung. Und als es dann wirklich einmal so weit ist zerbricht man am eigenen Angstszenario, denn: Job futsch, Existenz futsch. Ist man nämlich als Pförtner (oder als sonst irgendein Angestellter) wirklich unersetzlich? Die Frage drängt sich umso mehr auf, da ja der Chef nicht einmal den Namen des Pförtners kennt. "Die Wahrheit kann nicht wirklich sein." Dea Loher erzählt in ihrem "Magazin des Glücks" unheimliche Geschichten von trostlosen Glückssuchern, die allesamt scheitern. Sie haben kleine und große Träume, leben aus dem Alltag heraus und treffen von hier aus ihre Entscheidungen. Der Titel ist von Ödon von Horváth übernommen, das er kurz vor der Machtergreifung Hitlers entwarf, aber nicht mehr realisierte. Dea Loher in einem Interview mit Die Welt: "In vielen der Stücke [in Magazin des Glücks; Anm.] geht es um den Widerspruch zwischen dem, was jeder für sich als Glück oder als gelingendes Leben bezeichnen würde, und dem, was ihm vom gesellschaftlichen System abverlangt wird, um überhaupt innerhalb dessen existieren zu können. Mit anderen Worten, um die Diskrepanz zwischen dem Wohlergehen des Individuums und dem Wohlergehen des Gemeinwesens." Der Pförtner, der zum ersten Mal verschläft und sein Leben riskiert, um den Fehler zu vertuschen wird von Katrin Schurich und Florian Tröbinger schablonenhaft charakterisiert, daraus entsteht unter der Regie von Sandra Schüddekopf, der Bühnenausstattung und den Kostümen von Anna Van Leen und dem Sound von Miriam Akkermann [sie schrieb auch die Melodie zum Futuresong; Anm.] ein lebendiges, aberwitziges Theaterstück mit sprachlichen Stilmitteln, die mehrere Deutungsmöglichkeiten und Assoziationen, sowie eine starke Identifikation in ihrer Unmittelbarkeit zulassen. "Handeln ist Rettung, Stillstand ist Tod!" Oder, wie es am Ende im Popsong "Futuresong" heißt: "Big bang becomes big black hole / architect will be on the dole / no-one wants to be a morphy / the rhyme says, I’m gonna break up / The hopeless turns to Rome / My left shoe will be left single / And I, I just wanna reach home." Ein Theaterabend, der fast schon die Rückkehr zum ursprünglichen Theater heraufbeschwört. (Text: Manfred Horak; Fotos ©: Eckhart Derschmidt, Sandra Schüddekopf)

Kurz-Infos:
Samurai/Futuresong (Magazin des Glücks VI + VII)
Bewertung: @@@@
Nach einem Text von Dea Loher
Regie: Sandra Schüddekopf
Bühne, Kostüm: Anna Van Leen
Sound: Miriam Akkermann
Es spielen: Katrin Schurich, Florian Tröbinger
Wo: Bar&Co, Theater Drachengasse (Fleischmarkt 22, 1010 Wien)
Wann: 11. bis 21. Jänner 2012
Täglich außer So und Mo (Beginn jeweils 20 Uhr)

samurai-premiere2011Link-Tipp:
Interview mit Katrin Schurich

Buch-Tipp:
Dea Loher: Magazin des Glücks
Verlag: Verlag der Autoren (2002)