Aus den Erlebnissen der Regisseurin Isabella Feimer, die auf der Suche nach einem Job durch die Türen eines Sexshops ging, entstand das dramaturgisch ausgeklügelte Theaterstück "Pornoladen", das am 8.5.2013 im KosmosTheater zur Uraufführung gelangte.
Bereits im Foyer beginnt die Inszenierung. Gleich an der Treppe gibt es Vibratoren, Kondome und einiges mehr, gerahmte Bilder an den Wänden verbinden Stücktext, Comicstrips und Aktbilder zu Collagen, ein Fernseher zeigt Porno-Trash Filmchen und an einer Wand hängt ein kleines Buch, in dem jedes zweite Wort Schwanz lautet. Vor dem Einlass dann ein Stand der feministischen Buchhandlung ChickLit, mit einer erfreulichen Auswahl Queer-feministischer Literatur. Vor allem zum Thema Sex, denn darum geht es heute Abend, um das Geschäft mit der Sexualität. Am ChickLit-Stand wird spürbar, dass Sex etwas Positives, etwas nicht nur für Männer Konsumierbares, sondern dass die Welt voller Diversitäten ist.
Beklemmender Raum
Das Publikum betritt den Raum, in dem die Bühne in der Mitte liegt und zu beiden Seiten Podeste mit Stühlen aufgebaut sind. Wer zwischendurch den Raum verlassen will muss, von allen gesehen, über die Bühne. Es ist also nicht so leicht zu gehen und sei es nur auf die Toilette. Eine bedrängende und einsperrende Situation. Die vier Schauspieler_innen sind bereits auf der Bühne, kalt blaues Licht lässt ihre Gesichter Maskenhaft erscheinen, aus den Lautsprechern ertönt ein unangenehm drängendes Pochen, das sofort für beklemmende Gefühle sorgt. Der Raum ist weiß, steril, kalt und gleichförmig. Die Kostüme sind einteilige Anzüge, wie sie auch in einem Schlachthof getragen werden könnten. Auch sie weiß, sich gleichend, unförmig.
Sex ist ein lukratives Geschäft
Entstanden ist das Stück aus den Erlebnissen der Regisseurin Isabella Feimer, die auf der Suche nach einem Job durch die Türen eines Sexshops ging. Aus ihrer viermonatigen Arbeitserfahrung entstand ein Text, der zunächst in szenischen Lesungen präsentiert und am 8.5.2013 im KosmosTheater uraufgeführt wurde. Aus allem kann ein Geschäft gemacht werden. Und Sex ist ein besonders lukratives Geschäft. Es geht in diesem Stück jedoch nicht darum Sexualität zu verurteilen. Kein erhobener Zeigefinger sagt "darüber spricht man nicht", "das macht man nicht". Was kritisiert wird, ist die Fixiertheit der Sexindustrie auf männliche Phantasien und den männlichen Blick, dem sich bitte auch die Vorstellungen von weiblicher Lust zu unterwerfen haben.
Ständig unter Beobachtung
Vor allem jedoch ist es die Hierarchie im Sexshop, die die Arbeit dort unerträglich macht. Nicht der Sexshop als solcher, sondern die Machtverhältnisse in diesem, sind erschreckend. Die Arbeit in diesem Laden beeinflusst das ganze Leben. Ständig sind sie unter Beobachtung, Kameras überall. Die Figur des Chefs ist ständig an den Rändern der Bühne, sieht alles, ist omnipräsent. Beobachtend umschleicht er alles. Das Geschäft greift ein bis auf die Körper, bestimmt jede Sekunde und jede Tätigkeit. Maschinengleich sollen sie werden. Nicht Individuen zählen, sondern "verkaufen, verkaufen, verkaufen" und Ordnung im Regal. Der Chef erwartet Verfügbarkeit. Als Verkäufer_innen werden sie selbst zur Ware. Ihre Kunden unterscheiden sie nicht mehr von Konsumgegenständen. Selbst zu Grenzüberschreitungen und sexuellen Belästigungen müssen sie lächeln, "damit sind sie gut beraten."
Produktoriginalität, Perversionsalternativen, Pornotrash und Poesie
In Gesprächen ersinnt die Protagonistin einen alternativen Pornoladen. Sie erdenkt schräge Pornofilme, die männliche Machtphantasien bloßstellen und dekonstruieren. Unterwandern will sie den Sexshop, aber es scheinen nur Gedanken in Gesprächen. Eigentlich unterwandert der Sexshop sie, bis es nicht mehr auszuhalten ist. "Gänseblümchen sind die wahren Anarchisten... Ich habe mich als Gänseblümchen getarnt." Sie verschmilzt mit der Masse der Verkäufer_innen, verliert sich in diesem Geschäft. Einen eigenen Willen hat sie, doch der Sexshop schränkt ein, verfolgt bis in die Straßenbahn, bis nach Hause. Manches ist überspitzt. Einige Male lacht das Publikum, es ist jedoch kaum zu unterscheiden, ob die Situationen lustig oder bitter sind. Ein bedrohliches Gefühl der Gewalttätigkeit liegt ständig über dem Raum.
Berührende Schauspielleistungen
Vor allem die Szenen der Affäre zwischen der Protagonistin und dem Kollegen ziehen sich etwas in die Länge. Sie hätten ein wenig reduziert werden können, denn auch ohne sie ist das Stück zwischenmenschlich engend und bedrängend genug. Spätestens, als sie vom Chef sexuell belästigt wird, wird es unerträglich und eklig im Raum. Im Publikum senken sich einige Blicke betreten zu Boden. Wenn die Figuren dann unterwürfig kniend Sperma wischen, entsteht ein Kloß im Hals und Übelkeit. Den sehr langen Applaus haben sich alle vier, jedoch vor allem Rita Dummer und Nora-Anna Hofmann, mehr als verdient. "Pornoladen" verlangt ihnen einiges ab, körperliche Verrenkungen und erniedrigende Gesten. Einfach hinausgehen und plaudernd, ohne ein drückendes Gefühl über dem Zwerchfell, den Premierensekt genießen, war nach diesem Stück kaum möglich. (Text: Katharina Fischer; Fotos: Monika Saulich)
Kurz-Infos:
Pornoladen
KosmosTheater (Siebensterng.42, 1070 Wien)
Bewertung: @@@@@
Regie/Text: Isabella Feimer
Dramaturgie: Eva Waibel
Es spielen: Rita Dummer, Nora-Anna Hofmann, Alexander Linhardt, Andreas Peer
Bühne/Lichtkonzept: Martin Kreienbühl
Kostüm: Katja Kauschke
Visuals: Manfred Poor
Sound/Technik: Helen Farnik und Susanne Tauber
Regieassistenz: Katja Horvath
Produktionsleitung: Eva-Maria Wall
Maske: Sarah Smrzek
Körperarbeit: Tobias M. Dräger
Kritik zur Uraufführung am 8.5.2013 im Kosmos Theater
Weitere Termine Mai 2013:
9. bis 11.5. & 14. bis 18.5.