Mit TANZ vollendet Florentina Holzinger nach Recovery und Apollon eine Trilogie, die sich dem Körper als Spektakel und dessen Disziplinierung widmet.
Ihr Ruf eilt ihr voraus. Die Tanz- und Performanceszene feiert die Österreicherin Florentina Holzinger aufgrund ihrer Radikalität schon seit Jahren und hat man ihr neuestes Stück gesehen weiß man: diese Frau hat es faustdick hinter den Ohren.
Eine Connaiseuse des Entertainments
Ist einem Florentina Holzinger kein Name und setzt man sich unbefleckt und unwissend in eine ihrer Performances, dann ist eine Vorwarnung legitim. Selbstverletzung, Fäkalien, explicit nudity - nicht unbegründet verlassen regelmäßig Zuschauer/innen frühzeitig die Show. Was für viele als grenzwertig oder als Schockmoment erlebt wird, stellt allerdings nicht das Augenmerk der Inszenierung dar, sondern fungiert lediglich als Werkzeug. Und das ist es wohl, was Holzinger so ausgesprochen erfrischend und spannend macht. Dieser konservative Kunstanspruch, der sich unter einer pseudo-liberalen Maskerade verdeckt, die sehr wohl Tabus Brechen und Nacktheit propagiert, aber dann eigentlich doch keine blutüberströmte, 80-jährige Vulva ansehen will, diesem Anspruch verweigert sich Holzinger so oder so. "Meine Motivation liegt darin, dass ich gerne Sachen mache, die ich so noch nicht gesehen habe. Das ist es, was ich den Leuten geben kann.", erklärt sie in einem Interview mit der Zeit. Ihre Radikalität liegt in der Authentizität, mir der sie ihre Arbeit angeht. Letzten Endes geht es um Entertainment. Und diese Disziplin beherrscht sie par excellence.
Keine reine Provokation
Florentina Holzinger, studierte Choreografin, wird seit ihrem Stück Kein Applaus für Scheiße (2011) als langersehnte, wilde Grenzgängerin angepriesen. Sie selbst kann sich damit aber kaum identifizieren, findet sie das meiste an ihren Aufführungen eh nicht so arg. Ihr Fokus liegt auf Aktion, zu viel ist sie in ihrer Karriere als Performerin schon auf der Bühne rumgelegen. Stunts und Akrobatik, fliegende Motorräder und Hexenzirkel, Ballett und Martial-Arts-Kampfszenen, Klassik und Trash, Derbheit und Ästhetik, Distanz und Nähe - alles. Ein grandiose Umsetzung des Wortes Spektakel. Wie oft verlässt man Performances und ist zwar zufrieden, weil es viel Referenzielles zu loben gab, aber das Stück dann doch zu viel auf einmal wollte und es sich verläuft. Nicht so bei Florentina Holzingers TANZ. Es ist ein Overload, bei dem alles präzise zusammenpasst. Eine Künstlerin, die verstanden hat, das Aktivierungssystem des menschlichen Gehirns konstant so zu stimulieren, dass sich die Aufmerksamkeitsspanne plötzlich auf über 120 Minuten ausweitet. Und das in einer reizüberfluteten Zeit, in der Bilder von Sex und Gewalt schon so viele unberührt lassen. Ihrem Anspruch, etwas zu zeigen, was man noch nicht gesehen hat, wird sie allemal gerecht. Das Politische, das Kritische, das Aufzeigende kommt ganz natürlich aus der Aktion hervor und verfolgt nicht zwanghaft das Ziel der Provokation. Ein äußerst gehaltvolles Stück Kunst, das gespannt darauf warten lässt, womit Florentina Holzinger in Zukunft die Szene bereichern wird. //
Text: Greta Kogler
Fotos: Apollonia Theresa Bitzan (Porträt), Eva Würdinger (TANZ)
Kurz-Infos:
Florentina Holzinger TANZ
TQW Halle G
3.-12. Oktober 2019 (Beginn jeweils 19.30 Uhr)