Mit der "This is it"-Konzertserie in der Londoner O2 Arena wollte Michael Jackson sich selbst übertrumpfen. Am 25. Juni 2009 - acht Tage vor der Premiere - macht sein Körper nicht mehr mit. Nach der elenden Begräbnisfeierfarce setzt dieser Film Jacko ein würdiges Denkmal. Für die Fans und Kritiker, die den King of Pop bereits zu den Zombies im Thriller-Friedhof geschrieben hatten.

Michael Jackson ist wieder salonfähig. Dabei war es nie wirklich cool Michael-Jackson-Fan zu sein. Als ich mir "Dangerous" (1991) noch auf Tonbandkassette gekauft habe war ich so alt wie die rund zwei Dutzend Jugendlichen, die jetzt mit mir im einzigen Kino von Bregenz sitzen.

The final curtain call

Der Film ist ein "Making of" der Proben für das Comeback und den Final Curtain des King of Pop. 50 Konzerte in der Londoner O2 Arena waren geplant. Nach mehr als 10 Jahren Abwesenheit von der Bühne, einem Schauprozess wegen Kindesmissbrauchs mit einem Freispruch im Zweifel, Ehe, Familiengründung, Scheidung, Spekulationen über den finanziellen Ruin und anderen Skandalen. Kein Gerücht schien zu absurd um in Verbindung mit seinem Namen Glaubwürdigkeit zu erlangen. Worauf sich immer alle einigen konnten, waren Michael Jacksons Talent als Tänzer. Und so beginnt der Film mit dem Casting der Tänzer. Aufgeregt erzählen die späteren Principal Dancers, was dieses Casting für sie bedeutet. Die Freude in ihren Augen und das Zittern in ihrer Stimme sind echt. Das ist der Auftakt zu dem, was wir in den nächsten 112 Minuten zu sehen bekommen - eine Huldigung an Michael Jackson, den Popstar.

Bekannte Posen in neuem Licht

michael-jackson-thisisit01michael-jackson-thisisit02Zwischen gut gemachten Musikvideos werden Blicke hinter die Kulissen gewährt. Das Showkonzept wirkt vertraut, wie eine Potenzierung von "Dangerous" und "HIStory". Kein Wunder, war Kenny Ortega schon damals für die Inszenierung verantwortlich. Auf Musik aus den letzten Alben wird bis auf einige Takte aus "Ghosts" sicherheitshalber nicht zurückgegriffen. Es gibt genug Greatest Hits, die sowieso hinein müssen. Ortega und Jackson lassen sich einiges einfallen um diese in neuem Glanz erstrahlen zu lassen. Keine leichte Aufgabe, wo immer schon in Superlativen gedacht wurde. Eröffnet wird selbstverständlich mit einem Feuerwerk. Statt der Rakete entsteigt Michael Jackson, von seinen Mitarbeitern nur MJ genannt, diesmal einem multimedia Lightman. Die Tänzer springen zur Verlängerung der Bühnenfigur "Michael Jackson" aus der Unterbühne ins Scheinwerferlicht. Zum Marschbeat von "Jam" werden vor dem Greenscreen aus 11 Tänzern 1100 Soldaten. Bekannte Posen, bekannte Choreografien. Der Meister ist jetzt 50, sieht fast aus wie damals, etwas gespenstischer vielleicht. Der jahrelange Raubbau am eigenen Körper ist nicht zu übersehen. Mit seinen Ressourcen sollte er sparsam umgehen. Doch er steht nie still.

MJ: "This is a rehearsal. This is why we do it".

Große Bühne, Licht, Ton, Windmaschinen und sonstiger technischer Schnickschnack - darüber vergisst man schnell, dass es sich hier "nur" um einen Probenmitschnitt handelt. Gelegentlich unterbricht MJ und klärt technische Details und Einsätze. Dann merkt man die Anspannung, die Nervosität und den Erfolgsdruck. Trotzdem pflegen alle einen äußerst höflichen Umgangston. Sie sind eine große Familie, eingenommen von der Ausstrahlung des hageren Mannes und bereit, für ihn die Grenzen des Möglichen zu versetzen. Was ihn wiederum beflügelt. Eine berührende Sequenz ist das Aufwärm-Duett "I Just Can't Stop Loving You". Tänzer und Team hören sichtlich ergriffen zu, eigentlich wollte der Künstler seine Stimme schonen ("Why did you make me do this?"). Man sieht die Anstrengung, aber auch die Freude.

Ein Perfektionist bis ins kleinste Detail

michael-jackson-thisisit03Michael Jackson ist Herrscher und Gefangener des Systems zugleich. Die Fans sollen hören, was sie von seinen Alben kennen. Er weiß genau, welche Arrangements den größtmöglichen Effekt beim Publikum erzielen. Die Dauerbühne in London hat den Vorteil, dass erstmals aufwendige Bühnenelemente konstruiert werden können. So fährt zu "The Way You Make Me Feel" ein riesiges Gerüst aus der Unterbühne vor die Morgenskyline von Manhattan. "Thriller" wartet mit einem neuen 3D-Video und über das Publikum fliegenden toten Bräuten und Bräutigamen auf. Die Filmtechnik macht auch einen Michael Jackson als "Smooth Criminal" zwischen Rita Hayworth und Humphrey Bogart möglich. Das Jackson-Five-Medley gehört genauso dazu wie die Öko-Schnulze "Earth Song" aus dem Jahr 1995. Eine gesunde Umwelt ist ihm ein Anliegen. "It starts with us", spricht Michael Jackson. Sieht nicht so aus, als wäre diese Botschaft angekommen. Also müssen wir 2009 nachsitzen und ein kleines Mädchen im von der Zerstörung bedrohten Regenwaldidyll ansehen.

This is it, here I stand

Was fehlt noch? Richtig, der Moonwalk zur Hutnummer "Billie Jean". Und da ist er auch schon. Es muss eine der letzten Aufnahmen sein, hier wird nur markiert. Den Abschluss bildet in bewährter Weise "Man In The Mirror". Der posthum veröffentlichte halbe Ohrwurm "This is it", bei dem die Jacksons mitgepfuscht haben, eröffnet den langen Abspann. Man hört das zum Scheitern verurteilte Bemühen der Brüder, es dem kleinen Michael nach zu machen. Er war ihnen immer drei Schritte voraus. Bis ins Grab. Die Laufzeit im Kino ist mit zwei Wochen begrenzt. Doch wer das Booklet zum dazugehörigen Doppelalbum This is it aufschlägt, dem fällt sofort die Werbung für DVD und Blu-Ray in die Hände. Die Vermarktung des Erbes ist noch lange nicht vorbei. Wo Jermaine Jackson der Plattenfirma nicht dreinredet, kann sich das Ergebnis auch sehen lassen. Der König ist tot! Lang lebe der König! //

Text: © Christine Koblitz
Fotos: © 2009 Sony Pictures Releasing GmbH

Film-Infos:
Michael Jackson - This is it

Bewertung: @@@@@@
Regie: Kenny Ortega
112 min, USA
Verleih: Sony Pictures (2009) 

CD-Tipp:
Michael Jackson - This is it
Bewertung: @@@@@

Label: Sony BMG (2009)