Der große Gewinner der 83. Oscar-Verleihung in Hollywood ist "The King's Speech" mit vier Oscars in den Hauptkategorien "Bester Film", "Bester Hauptdarsteller" (Colin Firth), "Beste Regie" (Tom Hooper), "Bestes Original Drehbuch" (David Seidler).
Sprachlosigkeit ist etwas Grausames. Besonders für ein Staatsoberhaupt, dessen Volk eine starke Stimme braucht. Was also tun? Es muss ein Logopäde her. "The King's Speech" erzählt vom Ringen nach Worten und einer außergewöhnlichen Männerfreundschaft, die es so tatsächlich gab. Stottern, Stammeln, Staatsmann sein? Zur Geschichte: Der britische König George V. herrscht in der Zwischenkriegszeit über ein Viertel der Weltbevölkerung, doch fordert das Alter Tribut und er muss Repräsentationspflichten an seine Söhne übertragen. Edward, der ältere, ist charmant, redegewandt aber ein Hedonist, sein Bruder Albert "Bertie" (Colin Firth, gerühmt für die Hauptrolle in A single man) ist konservativ, überlegt, verlässlich, aber: Er kann nicht sprechen ohne zu stottern. Sogar im familiären Umfeld fällt das flüssige Reden schwer, vor großem Publikum oder einem Mikrofon versagt ihm die Stimme völlig. Für seine Frau (die später als "Queen Mum" bekannte Elizabeth, gespielt vom Tim Burton-Liebling Helena Bonham Carter) ein Umstand, der sich ändern lassen muss. So engagiert sie den unorthodoxen und alles andere als stiefelleckenden Sprachtrainer Lionel Logue (Geoffrey Rush, populär geworden durch Shakespeare in love und Fluch der Karibik). Es beginnt so etwas wie eine On-Off-Beziehung zwischen Patient und Therapeut: Die Ursache für die Sprachstörung des Prinzen liegt natürlich nicht in dessen Mund, sondern dessen Kopf und so lässt die Konfrontation mit unbequemen Wahrheiten den Logopäden, der eben auch als Psychologe auftritt, mehr als einmal in Ungnade fallen. Als der Vater stirbt, der Bruder aufgrund seiner Liebe zu einer bürgerlichen und geschiedenen Frau abdankt, wird Bertie in die Pflicht genommen. Hinzu kommt, dass die Zeiten dunkel sind: Hitler erobert Europa, England erklärt Deutschland den Krieg. Der neue König George VI. steht vor seiner größten Prüfung: Er muss seinem Volk mittels Radio Mut buchstäblich zusprechen. Herrliche Sprache, herrliche Akteure Sowohl Colin Firth in der Rolle des stotternden Staatsoberhauptes, als auch Geoffrey Rush als des Königs Sprachspezialist sind für einen Oscar nominiert. Der erste als bester Haupt-, der zweite als bester Nebendarsteller. Warum es diese Unterscheidung gibt, leuchtet unter quantitativen Gesichtspunkten nicht ganz ein, besteht der Film doch zu großen Teilen aus Dialogszenen der beiden und auch der Rest vermag am Verhältnis der einzelnen Spielanteile nichts zu ändern. Sicher ist die schauspielerische Herausforderung, einen Sprachgestörten zu spielen eine besondere, zumal erfahrene Bühnenakteure hier tun müssen, was man ihnen jahrelang ausgetrieben hatte, nämlich miserabel artikulieren. Dieses Handicap der einen Figur sollte die "Partnerrolle" deswegen aber nicht abwerten. Wahrscheinlich konnte die Jury beide nicht gegeneinander antreten lassen, sicher wollten das die Produzenten auch nicht: So besteht zu Recht die Chance auf einen Doppelsieg. Synchronisation ist hier Verrat Es bleibt zu empfehlen, diesen Film nur mit Originalton zu konsumieren. Der stotternde Monarch spricht nicht viel, die restlichen Figuren tun es umso deutlicher, Verstehen ist beinahe garantiert. Ansonsten sind Untertitel das einzig legitime Hilfsmittel sich diesem Leinwandopus, in dem es um Sprache in nicht nur einer Dimension geht, adäquat zu nähern. Eine Synchronisation ist gleichzusetzen mit qualitativer Verzichtserklärung. Synchronisation wäre Verrat. Nicht zuletzt besticht der Film durch seine Faktizität: Man weiß, es gab Edward den VIII., der einer Frau zuliebe abdankte, es gab seinen Bruder, der stotterte und es gab dessen Sprachlehrer, der des Königs Freund war, solange er lebte. (Peter Baumgarten)
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