Der Independentfilm "Pariah" von Regisseurin Dee Rees erzählt vom Wachsen der Unabhängigkeit einer 17-jährigen.
Dee Rees' Spielfilm begleitet die junge Afroamerikanerin Alike (Adepero Oduye) auf ihrem Weg heraus aus der Enge ihrer konservativen Familie. Während Alikes Mutter (Kim Wayans) ausschließlich darauf achtet, was andere über ihre Töchter denken und beide deshalb ständig wegen ihrer Kleidung maßregelt, übersieht sie die wirkliche Persönlichkeit ihrer Kinder. Alike schreibt Gedichte, die sie zu Hause niemandem zeigt. In den Pausen vertraut sie die Gedichte ihrer Lehrerin an, die ihr mehr positive Aufmerksamkeit entgegenbringt, als sie zu Hause erfährt. Den Erwartungen ihrer Eltern zu entsprechen hat Alike internalisiert. Während in der Schule die meisten zumindest ahnen, dass sie lesbisch ist, versteckt sie alles was wirklich in ihr vorgeht vor ihren Eltern. Draußen ist sie eine Butch, doch sobald der Bus sich ihrem zu Hause nähert wird der weite Pullover gegen ein enges T-Shirt mit Glitzeraufdruck und die Kappe gegen dicke goldene Ohrringe getauscht. Laura (Pernell Walker) ist ihre beste Freundin. Sie gibt sich äußerlich sehr hart und abgebrüht, innerlich jedoch ist sie zutiefst verletzlich. Sie teilt sich eine Wohnung mit ihrer Schwester, weil ihre Mutter sich von ihnen abgewendet hat. Als sie ihr stolz erzählen will, dass sie eine Prüfung bestanden und ihr wackeligen Zukunftsaussichten damit ein wenig verbessert hat, macht ihre Mutter ihr die Tür wortlos vor der Nase zu. Laura empfindet mehr als Freundschaft für Alike, kann es jedoch nicht zugeben.
Schwierige Verhältnisse zwischen Eltern und Kindern prägen "Pariah"
Alikes Familie gehört zum Mittelstand, beide haben solide Berufe, sie im Krankenhaus, er bei der Polizei. Ihr Ansehen ist ihnen wichtig. Doch auch die Ehe der Eltern ist nur noch eine Fassade, die vor allem die Mutter krampfhaft aufrecht zu erhalten versucht. Die Mutter geht zur Kirche und die Töchter müssen mit. Laura, findet die Mutter, sei schlechter Einfluss für ihre Tochter. Sie versucht ganz deutlich in das Leben ihrer Kinder einzugreifen, verbietet ihnen Türen zu verschließen, wenn sie Besuch haben, sucht Kleidung für sie aus und entscheidet schließlich auch, welcher Umgang am passendsten für sie wäre. So kommt es, dass sie ihr Bina (Aasha Davis), die Tochter ihrer Arbeitskollegin als Gesellschaft aufzwingt. Doch ausgerechnet mit der von der Mutter abgesegneten Bina macht die etwas naive Alike ihr ersten sexuellen Erfahrungen. Bina ist es auch, die sie als erste tief verletzt. Nach der ersten gemeinsamen Nacht erlebt diese Figur einen Bruch und ihr Verhalten verkehrt sich ins grausame, ablehnende Gegenteil. Alikes Vater (Charles Parnell) versucht Probleme zu ignorieren. Er bekommt die homophoben Verhaltensweisen seiner Kumpels mit und er ahnt, dass auch seine eigene Tochter von diesem Hass betroffen sein könnte, lehnt es jedoch zunächst ab darüber nachzudenken. Jedoch ist er es, der sich nicht von seiner Tochter abwendet, als sie schließlich offen zu sich selber steht. Die Mutter jedoch verprügelt Alike so heftig, dass Narben bleiben. Alike wächst im Laufe des Films. Sie ist eine starke und sehr intelligente Frau und entdeckt, dass sie aus sich heraus in der Welt bestehen kann. "I'm not running, I'm choosing. (...) I'm not broken, I'm free", schreibt sie in einem ihrer Gedichte. Der Bruch mit ihrer alten Umgebung bedeutet für sie Befreiung. Alike besteigt einen Reisebus in ihre Zukunft. Sie hat gelernt sich selbst und ihrem Können zu vertrauen. Im Filmcasino bekam "Pariah" heftigen Applaus und den hat dieser besondere Film auch verdient. (Katharina Fischer)
Film-Tipp:
Pariah
USA 2011, 86 Minuten
Filmfestival identities 2013
Bewertung: @@@@@
Kritik zur Vorführung am 15.6. im Filmcasino
Regie, Buch: Dee Rees
Kamera: Bradford Young
Schnitt: Mako Kamitsuna
Musik: Sparlha Swa, Tamar-Kali
Produktion: Nekisa Cooper
Darsteller_innen: Adepero Oduye, Pernell Walker, Kim Wayans, Charles Parnell, Aasha Davis, Sahra Mellesse