Am 14.6.2013 wurden im Filmcasino vier Kurzfilme präsentiert, die aus verschiedenen Ländern und unterschiedlichen Lebensrealitäten stammen. Eines jedoch hatten alle vier Filme gemeinsam: Sie alle handeln von Entscheidungen und von Momenten, in denen Menschen für sich selbst einstehen.
Der dänische Film "Allez" zeigt die Gefühlswelt der jungen Fechterin Sofia, die sich in die ältere Fechterin Trine verliebt hat. Trine ist erfolgreich und soll nun in einen guten süddeutschen Fechtclub wechseln. Sofia, die sie bis dahin nur schweigend aus der Ferne angehimmelt hat, steht nun vor der Endgültigkeit der Abschiedsparty. Und ausgerechnet zu dieser darf sie nicht gehen. Wie eine Reliquie hütet sie eine Kette, die Trine in der Umkleide verloren hat. Still schweigend in einem Kästchen verborgen, wie ihre Gefühle. Doch Sofia wächst an diesem Abend über sich hinaus. Sie lässt ihre verwirrten Eltern im Auto sitzen und holt sich den Triumph eines einzigen Kusses, den Trine erwidert. Aus der schüchternen Sofia ist an einem einzigen Abend eine Frau mit mutigen, starken Augen geworden.
Selbstermächtigungsakt
Auch in "The Polaroid Girl" findet eine junge nicht sehr selbstbewusste Frau zu innerer Kraft und Stärke. Sofie macht Fotos, glaubt jedoch nicht daran, dass diese gut sein könnten. Sie macht ein Praktikum in einer Fotoagentur, wo die Männer ernst genommen werden und sie nur den Kaffee holen darf. Eines Tages trifft sie in einem Fotogeschäft June und es funkt sofort. Doch die schüchterne Sofie ist nicht gerade geübt im Flirten und so kommt es zu einigen lustigen Situationen, in denen sie unauffällig versucht Junes Nähe zu suchen. Ein gemeinsamer Tag mit vielen Polaroids reicht aus und sie werden unzertrennlich. Die Liebe zu June verändert Sofie, sie wird stärker. Als sie in einer Bar verbal angegriffen werden, schlägt sie kurzerhand zu. Ermutigt durch diesen Akt der Selbstermächtigung steht sie nun auch in der Fotoagentur für sich und das was sie kann, ein.
Trennungsdiner
In "Coffee & Pie" wiederum versucht June sich elegant von ihrer Freundin October zu trennen. Sie macht das immer so, in einem Diner, damit es keine unschöne Szene gibt. Dass sie auf October herabblickt, wird ziemlich schnell klar und diese lässt es sich auch zuerst gefallen. Billy-Jean, die Kellnerin, beobachtet die beiden und beschließt einzugreifen. Mit einem Stück Apfelkuchen serviert sie October einige Lebensratschläge. Nicht immer so nett sein und sich nicht alles gefallen lassen. Als June von der Toilette wiederkommt dreht October den Spieß um und scheint es zu genießen. Der Film leidet etwas unter der Statik des Dinersettings, wobei leider auch die scharfzüngigen Dialoge kaum etwas ändern. Es wird einfach zu viel geredet.
Lebensentscheidung
"Tsuyako" schließlich ist der längste der an diesem Abend gezeigten Filme. In den 50er Jahren lebt die junge Tsuyako in einem japanischen Dorf. Sie leidet unter ihrer Schwiegermutter, die ihr immer wieder deutlich zu verstehen gibt, wie nutzlos sie sie findet, da sie immer nur Töchter zur Welt bringt. Tsuyako lebt wie ein Dienstmädchen, sie arbeitet in einer Fabrik und muss ihre Schwiegermutter bedienen. Ihr Mann ist kein schlechter Mensch, ist jedoch auch nicht bereit sich gegen seine Mutter zu stellen und für seine Frau einzustehen. Doch dann taucht Yoshie auf, Tsuyakos große Liebe. Yoshie ist gebildet und selbstbewusst und strahlt dies auch aus. Sie will nach Tokio gehen und dort nach dem Krieg eine neue Stadt und ein neues Leben aufbauen. Yoshie will, dass Tsuyako mit ihr nach Tokio geht. Doch eine Entscheidung für ihre Liebe zu Yoshie und für ihre eigene Freiheit würde bedeuten ihre Kinder zu verlassen und sich für ein Leben außerhalb der gesellschaftlichen Normen zu entscheiden. Besonders rührend ist die Szene am Ende des Films, in der Tsuyakos Enkelin Yoshie Liebesbriefe und Fotos von Tsuyako übergibt, zwischen denen sich sogar noch das niemals eingelöste Zugticket befindet. Tsuyako hat sich zwar wieder in die Enge ihrer Existenz begeben, ihre Träume von der Liebe hat sie sich jedoch bewahrt. (Katharina Fischer)
Allez
Dänemark 2011, 17 Minuten
Bewertung: @@@@
Regie, Buch: Oliver Tonning
Idee: Marisól Ortiz
Kamera: Nicholas Bluff
Schnitt: Oliver Tonning, Soren Bak Sorensen
Produktion: Marisól Ortiz
Darsteller_innen: Luise Skov, Anna Stokholm, Dan Zahle, Thomas Kirk, Ann Hjort
The Polaroid Girl
USA 2012, 17 Minuten
Bewertung: @@@@@
Regie, Buch, Schnitt: April Maxey
Kamera: April Maxey, David Adeogun
Produktion: Summer Czajak
Darsteller_innen: Crystal Arnette, Robert Freedman, Mina Job, Rob Lauta, Vitus Wieser
Coffee & Pie
USA 2011, 15 Minuten
Bewertung: @@@
Regie: Douglas Horn
Buch: Andrew Stoneham
Kamera: Hilarion Banks
Schnitt: Travis Bleen
Produktion: Andrew Stoneham, Molly Mayeux
Darsteller_innen: Sophia Takal, Amy Seimetz, Karen Chamberlain
Tsuyako
Japan 2011, 25 Minuten
Bewertung: @@@@@
Regie: Mitsuyo Miyazaki
Buch: Mitsuyo Miyazaki, Christina Hammonds-Reed
Kamera: Salvador Lleo
Schnitt: Thomas A. Kruegger
Produktion: Mitsuyo Miazaki, Jacob Halaijan, Tomoya Suzuki, Michele Peerali
Darsteller_innen: Sachiko Katsumata, Miho Fujima, Shiniji Ozeki, Sonoe Mizoguchi
Die Kurzfilme wurden im Rahmen vom Filmfestival identities 2013 gezeigt.