Der Dokumentarfilm "Unter Männern - Schwul in der DDR" von Ringo Rösener und Markus Stein arbeitet einen besonderen Teil dieser queerhistory der DDR auf und stellt die Frage: "Wie war das damals?"
Schwul und DDR sind zwei Begriffe, die nicht recht zusammenpassen wollen und genau das ist auch der Grund dafür, dass es Homosexuellen in der DDR meist schlecht ging, es sei denn sie versteckten und verleugneten die eigene Persönlichkeit.
All I got is a memory
Der Song "Memory" der britischen Band ZootWoman könnte auf mehreren Ebenen als konzeptgebendes Beispiel für den Dokumentarfilm "Unter Männern - Schwul in der DDR" bezeichnet werden. Das Musikstück wird nicht nur als Soundtrack verwendet, es fungiert inklusive Text und Videoclip auch als Rahmen für diese Erkundung männlichen homosexuellen Lebens in der DDR. Schon visuell orientiert sich der Film am Musikvideo, denn die einzelnen Stationen der Erinnerung werden jeweils angefahren und beleuchtet. Textlich machen Liedzeilen wie "All I got is a memory" deutlich, dass die neu heranwachsende Generation nur noch auf Erinnerungen zurückgreifen kann, wenn es um soziale Lebensumstände in der DDR geht. Und so machen sich Ringo Rösener und Markus Stein auf die Reise, um sie zu finden, die Stimmen, die etwas über dieses viel zu wenig beleuchtete Thema berichten können.
Verleugnung der eigenen Persönlichkeit
Vor die Kamera geholt werden so sechs bewegende Einzelschicksale schwuler Männer, die in einer Gesellschaft leben mussten, in der Homosexualität keinen Platz hatte. Das ging mal mehr, mal weniger gut. Besonders stark und schockierend ist der Gegensatz zwischen dem ehemaligen Lehrer, der zu Zwecken der "Heilung" noch zu einem Psychotherapeuten ging und einem schrillen Berliner Friseur, der beim Theater für Heiner Müller schminkte und somit in einem Umfeld arbeitete, in dem man offener mit Sexualität umging. Die Verleugnung der eigenen Persönlichkeit hat Spuren hinterlassen, auch über 20 Jahre nach dem Mauerfall fällt es schwer darüber zu reden, was so lange verschwiegen und versteckt werden musste.
Wichtiges Stück vergessener deutscher Geschichte
Es konnten aber auch positivere Zeugnisse gefunden werden. Der, wenn man so will, Initiator der "Schwulenbewegung" der DDR heißt Eddi Stapel und darf im Film ebenfalls nicht fehlen. Sein beeindruckendes Engagement ließ ihn vor 30 Jahren quer durchs Land reisen, um die Arbeit vieler Kleingruppen zu organisieren und zu unterstützen. Mit "Unter Männern" ist ein sehr guter, ansprechender Dokumentarfilm entstanden, der sich um ein wichtiges Stück vergessener deutscher Geschichte kümmert. Die Orientierung an den vielfältigen Einzelschicksalen verhilft dem Film zu einer tiefgründigen und persönlichen Perspektive, die sehr viel mehr kann als ein Text in einem Buch. (Katja Kramp)
Film-Tipp:
Unter Männern - Schwul in der DDR
Bewertung: @@@@
Filmfestival identities 2013
Kritik zur Aufführung am 8. Juni
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Buch: Ringo Rösener
Regie: Ringo Rösener & Markus Stein
Schnitt: Markus Stein