Zwölf kostbare Stücke werdet ihr sein, rückblickend auf 650 Jahre und ausgestellt im Prunksaal der Österreichischen Nationalbibliothek. Die ÖNB feiert 2018 also ihr 650-Jahres-Jubiläum. Dass es 1368 dazu kam, ist Albrecht III. zu verdanken, der von 1365 bis 1395 nicht nur u.a. über das Herzogtum Österreich herrschte, sondern gemeinhin als Förderer, Mäzen und selbst auch als Gelehrter (Mathematik, Astrologie) galt. Ihm war Bildung sehr wichtig und neben seinem Engagement für die Erweiterung und Erhaltung der 1365 gegründeten Universität Wien (1384 stiftete er das Collegium ducale, das erste eigentliche Universitätsgebäude), geht auch der Ausbau des Stephansdoms auf ihn zurück, sowie die Initiierung der Österreichischen Chronik von den 95 Herrschaften, die wesentlich das Geschichtsbild der Habsburger in späteren Jahrhunderten beeinflusste. Darüber hinaus war Albrecht III. auch ein Büchersammler, und so stammt auch das älteste für die Nationalbibliothek nachweisbare Buch (Evangeliar des Johann von Troppau) aus seinem Besitz. Ganz in Gold geschrieben, mit aufwändigem Bildschmuck versehen und von einem Prachteinband umgeben, zählt es zu den wertvollsten Beständen der Österreichischen Nationalbibliothek. Am Ende der Handschrift, die alle vier Evangelien des Neuen Testaments versammelt, führt der Schreiber und Buchmaler nicht nur seinen Namen und seine kirchlichen Ämter an, sondern auch das Jahr, in dem er das Werk vollendet hat: 1368. Die herausragende Bedeutung dieser Handschrift, die repräsentativ für die Anfänge der habsburgischen Büchersammlungen ist, begründet ihre Bezeichnung als "Gründungscodex" der kaiserlichen Hofbibliothek und damit auch der Österreichischen Nationalbibliothek.
Objekte des Monats im Prunksaal
Ein Jubiläum ohne Jubiläumsausstellung geht gar nicht, daher präsentiert die ÖNB im Prunksaal 12 Objekte des Monats in der Jubiläumsausstellung Schatzkammer des Wissens, ergänzt von einem monatlichen Expertenvortrag bei freiem Eintritt (allerdings nur mit jeweils vorheriger Anmeldung), beginnend mit dem bereits ausführlich erwähnten Evangeliar des Johannes von Troppau (Prag, 1368). Zu sehen ist das prachtvoll geschmückte und in Gold geschriebene Buch zwischen 26. und 31. Jänner 2018, am 30.1. (18 Uhr) gibt es den Expertenvortrag zu diesem Buchschatz mit Andreas Fingernagel, dem Leiter der Handschriften-, Autographen- und Nachlass-Sammlung der Österreichischen Nationalbibliothek. Im Februar ist daraufhin die Papyrusurkunde zum Indienhandel (Ägypten, 2. Jh. n. Chr.) vom 1. bis 28. Februar 2018 zu sehen. Diese Papyrusurkunde ist der einzige dokumentarische Text, der bislang zu den Handelsreisen während der römischen Kaiserzeit nach Indien bekannt ist. Das einzigartige Fragment des Vertrages gibt Auskunft über die Modalitäten des damaligen Seehandels. Der Expertenvortrag mit Bernhard Palme - er ist der erste Universitätsprofessor für Papyrologie an der Universität Wien - findet am 15.2.2018 (18 Uhr) statt. Im März wiederum werden die Alraunen Marion und Thrudacias (um 1600) vom 1. bis 29. März 2018 gezeigt. Das Alraunenpaar Marion und Thrudacias stellt ein besonderes Kuriosum inmitten all der schriftlichen Zeugnisse der Österreichischen Nationalbibliothek dar. Einst in der Wunderkammer Rudolfs II. verwahrt und über bisher kaum rekonstruierte Pfade in die Hofbibliothek gelangt, werden ihnen spezielle Zauberkräfte zugesprochen. Um Wunder wirken zu können, mussten die mit schwarzen Samtmänteln bekleideten Wurzeln, zeitgenössischen Berichten zufolge, in Wein gebadet werden. Wurde dies unterlassen, so wurde ihnen ein jämmerliches Klagen wie bei kleinen Kindern nachgesagt. Dieses traditionelle Bad in Wein wurde noch bis Anfang des 20. Jahrhunderts durchgeführt. Der diesbezügliche Expertenvortrag mit Katrin Jilek von der ÖNB geht am 1.3. (18 Uhr) über die Bühne im Prunksaal.
Mozart-Requiem, Schmutzer-Aquarelle und Gutenberg-Bibel
Der April steht ganz im Zeichen von Mozarts Requiem (1791). Zu sehen ist vom 30. März bis 29. April die Originalhandschrift dieses Werkes, die zu den kostbarsten und berühmtesten Objekten der Österreichischen Nationalbibliothek zählt. Und auch hier gibt es freilich einen Expertenvortrag, und zwar im Oratorium (Eingang Josefsplatz), am 5.4. (18 Uhr) mit Thomas Leibnitz, dem Direktor der Musiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek. Der Mai gehört - passend zum Monat - den farbenfrohen Aquarellen von 1794 bis 1824 des Hofbotanikmalers Matthias Schmutzer. Die detailreichen und künstlerisch hochwertigen Aquarelle stellen einen wissenschafts-historisch ebenso wie ästhetisch einzigartigen Schatz der Österreichischen Nationalbibliothek aus dem Beginn des 19. Jahrhunderts dar. Zu sehen vom 1. bis 31. Mai 2018 im Prunksaal. Gleich danach, vom 1. Juni bis 1. Juli, kann das wohl eindrucksvollste Zeugnis der Erfindung und der handwerklich perfekten Umsetzung des Druckens mit beweglichen Lettern im ausgehenden Mittelalter bewundert werden, nämlich die Gutenberg-Bibel (Mainz, um 1454). Man nimmt heute an, dass etwa 180 Exemplare hergestellt wurden. Davon sind weltweit 48 erhalten, nur 22 davon vollständig. Das Exemplar der Österreichischen Nationalbibliothek in zwei Bänden ist um 1460 von zwei unterschiedlichen Buchmalern in Wien reich verziert worden. 1783 gelangte die Bibel aus dem Dominikanerinnenkloster Maria Steinach an die kaiserliche Hofbibliothek.
Geographie, Fotografie und Dichtkunst im Sommer
Objekte des Monats können auch während der Sommerferien bestaunt werden. Vom 2. bis 31. Juli 2018 im Prunksaal ausgestellt wird der in der Antike bekannte Teil der Erdoberfläche auf der Karte Geographia von Claudius Ptolemäus (ca. 100 - 180 n. Chr.), bearbeitet von Martin Waldseemüller (Straßburg, 1513). Dieses Werk gehört zu den bedeutendsten Ausgaben der ptolemäischen Geografie. Es enthält eine Projektionslehre, Koordinatentafeln und neben den klassischen, auf antikem Wissensstand basierenden Karten auch 20 moderne Darstellungen der damaligen Zeit und repräsentiert damit den Übergang der antiken zur neuzeitlichen Geografie. Von dieser Übergangszeit geht es dann im August hinein ins Fotozeitalter. Zu sehen ist die Fotografie bzw. der großformatige Salzpapierabzug der Österreichischen Staatsdruckerei Das Wien der Basteien. Darauf zu sehen ist noch das alte Wien der Stadttore. Das Foto entstand kurz vor dem Abriss der Wiener Stadtbefestigung im März 1858. Etwas mehr als 100 Jahre später, exakt im Jahr 1964, entstand das Gedichttyposkript Böhmen liegt am Meer von Ingeborg Bachmann, das vom 1. bis 30. September 2018 im Prunksaal zu sehen ist. Ingeborg Bachmanns spätes Gedicht zählt zu ihren berühmtesten und wurde oft als ihr schönstes eingestuft. Es entstand auf einer Reise nach Prag im Jänner 1964, bei der sie nach der Trennung von Max Frisch und einem Zusammenbruch wieder ins Leben und zum Schreiben zurückfand.
Objekte der letzten Monate
Der Oktober legt Zeugnis ab vom Buch der Gegengifte (vermutlich Mossul, 1220 –1240). Das kostbare Objekt gehört zu den wichtigsten Zeugnissen islamischer Buchmalerei und bietet unterschiedliche Anleitungen zur Herstellung des sogenannten Theriaks, eines in der Antike verwendeten Allheilmittels gegen tierische Gifte, insbesondere Schlangengifte. Zu sehen ist das kostbare Objekt vom 2. bis 31. Oktober 2018 im Prunksaal. Der November wiederum zeigt die antike Straßenkarte Tabula Peutingeriana (um 1200). Die ursprünglich als ca. sieben Meter lange Rolle konzipierte "Weltkarte" stellt die einzelnen Landmassen vor, in die markante Flüsse, Seen und Gebirge eingetragen sind. Ortsbezeichnungen und aufwendige Stadtvignetten, z.B. für Rom, werden durch das Wegenetz verbunden, in das auch die Entfernungen eingetragen sind. Über verschiedene Zwischenbesitzer gelangte die Karte in den Besitz von Prinz Eugen von Savoyen, dessen Sammlung 1738 in die Hofbibliothek integriert wurde. Die Karte zählt heute zum UNESCO-Weltdokumentenerbe und kann vom 1. bis 30. November 2018 im Prunksaal bewundert werden. Zu guter Letzt gibt uns der Dezember Die Guckkastenserie von Jakob Alt und Rudolf von Alt (ca. 1833 –1845). Um 1833 beauftragte Kronprinz Ferdinand den Maler Jakob Alt mit der Anfertigung von Landschaftsaquarellen für einen Guckkasten. Der Großteil der Aquarelle gelangte 1921 in die grafische Sammlung der Albertina. 24 Blätter werden in der Fideikommissbibliothek der Österreichischen Nationalbibliothek aufbewahrt. Ausgestellt werden diese 24 Blätter zwischen 1. und 30. Dezember 2018 im Prunksaal. Nutzt diese aus konservatorischen Gründen seltene Gelegenheit, die interessantesten Objekte der Österreichischen Nationalbibliothek im Detail kennen zu lernen! //
© Text: Manfred Horak, ÖNB
© Abbildungen und Fotos: Herzog Albrecht III. (1349/50-1395), Profilbildnis mit dem Zopforden nach einem verlorenen Original aus dem 16. Jahrhundert (Kunsthistorisches Museum Wien, Gemäldegalerie), Österreichische Nationalbibliothek/Hloch