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hornby_kleinDer britische Erfolgsautor Nick Hornby verwöhnt in "A Long Way Down" seine Leserschaft mit vier verwirrten Protagonisten in einem vom Niveau her jedoch sehr unterschiedlichen dreigeteilten Roman und stolpert damit ansatzweise recht schwammig durch sein flapsiges Sprachgebilde.




 

Nick Horny, der uns gleichermaßen Leseratten wie Musikfreaks mit "High Fidelity" (1996; Kiepenheuer & Witsch) reich beschenkte, indem er damit einen Roman vorlegte, der in geradezu wundersamer Weise perfekt war und dementsprechend viele (bisweilen lahme) Nachahmer auf den Plan rief, genau dieser Nick Hornby hatte es seither natürlich selbst verdammt schwer etwas abzuliefern, das nicht an diesem einen Roman gemessen wird (was klarerweise nie passierte, obwohl z.B. "About a Boy", 1998 bei Kiepenheuer & Witsch erschienen, ebenso ein formidables Stück Literatur ist, das dazu noch für sich alleine steht). Dieses Schicksal ereilt daher - in aller logischer Konsequenz - auch sein Roman "A Long Way Down". Der Grund dafür liegt auf der Hand: Hornby schafft keinen anderen Stil als so zu schreiben wie er "High Fidelity" schrieb, was mit der Zeit die Gefahr auslöst tendenziöse Langatmigkeit, bisweilen Langeweile bzw. generell ein Retroempfinden aufkommen zu lassen.
Sein Schmäh, seine im Buch dargestellten vier Roman"helden" aus der jeweiligen Sicht zu Wort kommen zu lassen, um so für mehr Abwechslung zu sorgen, da diese vier Personen unterschiedlicher nicht sein können, ist ja an und für sich eine hervorragende Idee, dass sich diese vier Personen jedoch im Schreibstil und Gedankenfluss von Nick Hornby in geradezu bizarrer Weise annähern und beinahe schon eins werden ist denn auch der große Schwachpunkt von "A Long Way Down".
Erstaunliche Schwächen zeigt Hornby des weiteren mit "Teil 1" des Buchs, bei dem ihm nur wenig gelang, als ob ihm das tragische Element der Geschichte überforderte, die Tragik quasi mit Schmäh packen wollte. Nur, dass diese Verquickung von Selbstmordgedanken und eingeschleusten Humoresken so wenig zusammenpassen wie die vier Hauptdarsteller Maureen, Jess, Martin und JJ unterschiedlich zu sein haben, sprich: der anfangs zur Schau gestellte Humor ist schlicht und einfach unpassend, mehr noch, der Humor hölzelt vor sich hin, die Tragik wird nur an der Oberfläche gekitzelt, und das satte 116 Seiten lang. Eine Enttäuschung.

Was zum Teufel ist unsere Botschaft?

Mit "Teil 2" war plötzlich alles anders. Aber komplett. Mit Wucht und Würze verdrängt Hornby die Anfangsschwierigkeiten, von sozusagen Null auf Hundert katapultiert sich der Bestsellerautor im mittleren Teil des Buchs wieder in die oberste Liga der Schreibkünstler, absolviert einen Reigen höchster Spannung, Emotionalität, Glaubwürdigkeit und Humor, dass sich nur so die Balken biegen, die Kiefer verrenken und die Leute dich komisch anschauen [also mir ist es zumindest so ergangen, da ich fast das gesamte Buch in öffentlichen Verkehrsbetrieben gelesen habe, so auch "Teil 2", was einige Passagiere interessanterweise befremdend fanden; Anm.]. Bei "Teil 2" befindet sich Nick Hornby in der Heimat, in der er fantasiereich und überhöht spinnisierend einen guten Gag nach dem anderen ausbreitet. Was war geschehen? Nun, "Teil 1" besteht im wesentlichen aus dem Szenario der Auflösung. Vier Typen treffen sich zufällig am Silvesterabend am Dach eines Hochhauses, um Selbstmord zu begehen und gerade aufgrund dieser Begegnung klettern sie nach langem Hin und Her wieder runter, um sich auf die Suche nach jemanden namens Chas zu begeben. Hier verwackelte Hornby, wie bereits erwähnt, einiges und schaffte es nie so richtig, dabei so etwas Ähnliches wie gute oder traurige (oder welche auch immer) Stimmung aufkommen zu lassen. In "Teil 2" hingegen ging es u.a. darum, diese Geschichte von den nicht vollzogenen Selbstmorden in die Presse zu bringen. Jess, die jüngste der Selbstmordkandidaten (und jene, die sehr viel ins Rollen bringt und die anderen Drei meistens zur Verzweiflung), brachte dabei einen von den Vieren angeblich gesehenen Engel ins Spiel, woraus sich mit der Journalistin Linda ein langer Dialog ergab. Hier ein kurzer Auszug daraus: "Der Engel sah aus wie Matt Damon?" "Ja, irgendwie schon. So ein bisschen." [...] "Was hatte er an?" "Eben so ne Art ... so was Ähnliches wie einen weiten Anzug..." [...] "Ein Designer-Anzug?" "Ja." "Krawatte?" "Keine Krawatte." "Ein salopper Engel." "Na ja. Lässig-elegant jedenfalls."
Dieser Schmäh wurde zum Selbstläufer und zur Titelgeschichte, auch weil mit Martin Sharp ein in Ungnade gefallener (vormals populärer, später inhaftierter) Moderator in der Vierersuizidbande mit dabei ist, sowie eben jene Jess Crichton, deren Vater Erziehungsminister ist, dessen andere Tochter Jennifer vor einigen Jahren (mit Verdacht sich selbst gemordet zu haben) verschwand. Die anderen beiden, um das Quartett komplett vorzustellen, sind JJ, ein erfolgloser Musiker aus Amerika, sowie Maureen, eine knapp über 50-jährige alleinstehende Frau mit einem körperlich und geistig schwer behinderten Sohn.
Na, jedenfalls, aus diesem und weiteren Artikeln ergaben sich natürlich weitreichende Konsequenzen unterschiedlichster Art, Geldeinnahmen und Urlaub inklusive. Packend und geistreich mit effektivem wie unbändigem Humor erzählt. Nick Hornby at its best.

Was lernt man schon jemals, abgesehen vom Einmaleins und dem Namen des spanischen Premierministers?

Klingt ganz nach Happy-End, nicht wahr? Mit Happy-End meine ich, dass Hornby mit "A Long Way Down" letzten Endes doch noch ein hervorragender Roman gelang. Dem ist aber leider doch nicht so, wiewohl die Geschichte selbst (natürlich, muss man eigentlich schreiben, obwohl "leider" besser passte) happy endet, wenn auch nicht auf dem hohen Niveau von "Teil 2". Vielmehr gestaltet sich "Teil 3" als veritabler Rückfall, die Schwächen von "Teil 1" tauchen wieder auf und Hornby passieren einige Konstruktionsfehler. Der größte ist jener, dass er zu offensichtlich auf ein Happy-End hingeschrieben hat. Man glaubt sich mitunter sogar in einem Theaterstadl-Schwank zu befinden und das ist natürlich fatal. So bleibt eigentlich nur "Teil 2" als Empfehlung übrig, aber, nochmals, dieser hat's wirklich in sich. (Manfred Horak)

Buch-Tipp:

Nick Hornby - A Long Way Down
@@ (Teil 1 und Teil 3)
@@@@@@ (Teil 2)
Kiepenheuer & Witsch, 2005
352 S., gebunden
ISBN 3 462 03455 3
Euro 19,90 (D)