Revolution der türkischen Dichtung: Nâzım Hikmets "Menschenlandschaften" im Literaturhaus Graz.

Im Rahmen einer Kollaboration von Literaturhaus Graz und dem Festival steirischer herbst wurde der Abend des 4. Oktober 2018 einem der größten Poeten des 20. Jahrhunderts gewidmet: dem türkischen Dichter Nâzım Hikmet und seinem Versepos "Menschenlandschaften". Am Eröffnungswochenende des steirischen herbst als Performance mit dem Titel "Human Landscapes - Book I" unter Choreograf Michiel Vandevelde gezeigt, wurden im Zuge der Lesung am Literaturhaus Textauszüge aus Hikmets Epos vorgetragen.

Eine Welt jenseits der Stäbe

Hikmets Hauptwerk "Menschenlandschaften" bedeutete Revolution - für ihn selbst wie auch für die türkische Dichtung. Doch die antifaschistische Auflehnung und das feurige politische Engagement des Autors blieben nicht ohne Konsequenz: Die Folge waren mehrere langjährige Gefängnisaufenthalte in Ankara. Dennoch wurde Hikmet nicht müde, seinem Schaffen weiter nachzugehen, und so entstand hinter den Stäben einer türkischen Gefängniszelle jenes Werk, das den poetischen Höhepunkt des Dichters markierte. Das aus insgesamt fünf Büchern bestehende Versepos entführt auf eine Reise mit dem Anatolienexpress von Istanbul bis hin nach Ankara. Die Fahrt ist geprägt von Begegnungen mit unterschiedlichen Personen, denen Hikmet mit seiner lebendigen Erzählweise Leben einhaucht. Es sind einfache Menschen, deren Geschichten und Gedanken erzählt werden und die gleichzeitig das Bild der gesellschaftlichen Situation in der Türkei zu Hikmets Lebzeiten verkörpern.

Zwiespältiger Populismus

Die von Literaturwissenschaftler Erhan Altan ausgewählten Textauszüge wurden von der Künstlerin Betül Seyma Küpeli vorgelesen und im Anschluss daran in einem Gespräch mit Publizist Erich Klein sowie Professor Kerem Öktem diskutiert. Im Zuge der Auseinandersetzung der anwesenden Kulturschaffenden mit Hikmets Leben und Werk erfolgte eine Fokussierung der Betrachtung auf aktuelle vor sich gehende gesellschaftliche Entwicklungen, darunter auch jene der Populismus-Debatte, die sowohl für den Poeten Nâzım Hikmet als auch für Österreich und somit für die Thematik des steirischen herbst von entscheidender Bedeutung ist. //

Text: Katharina Hoi
Fotos: Clara Wildberger