Popfest Wien; Foto: Simon Brugner

Pop makes the world go round oder macht einem weltberühmt beim Popfest Wien. Textliche Hymnen auf musikalische Welten. Noch mehr Lärm um ein Deka Pop in zwei Lesebüchern.

Schon vor 25 Jahren erschien in der edition kürbis die Anthologie "Lauter Lärm". Viel hat sich seither (kein Streamingdienst, kein Algorithmus, kein gar nichts) geändert. Aber gute Musik ist immer noch gute Musik? Oder? Gab es gute Musik nur in der guten alten Zeit (1960er, 1970er)? Ist nicht nur Punk tot, sondern auch Pop? Zum Glück gibt es dazu differenzierte Meinungen, die von bekannten Autorinnen und Autoren wie Mieze Medusa oder Andreas Rauschal in Worte gefasst werden.

Ob Anekdoten aus der Jugend, satirische Texte, wie "Das Groupie im alpenländischen Raum" von Austrofred oder auch der poetisch-philosophische Essay "Pop! Goes The..." von Lukas Matzinger zeigen, dass Pop-Musik in jedem Leben zumindest latent vorhanden ist. Vielleicht will sie manchmal deine Seele, aber du bekommst auch was zurück. Und sei es ein peinlicher Refrain mit noch peinlicherem Text, den du lauthals mitgrölst. Ein bisschen wie das Leben. Pop war und ist auch immer politisch, oder könnte das zumindest sein. Wie schreibt Güther 'Bus' Schweiger in seinem Text "It's about Leidenschaft, Baby!"

Neben den Texten besticht die Anthologie auch durch eine Auswahl von Songtexten und fotografischen sowie grafische Arbeiten. Besonders witzig ist hier der "Geschmacklich unflexibler Bowie-Fan - Gesehen in der Stadthalle, 4.Februar 1996" von Jörg Vogeltanz. Die Pop-Musik ist definitiv nicht tot. Mensch sollte nicht allen Prophezeiungen Glauben schenken. Schon in den 1960er Jahren meinte ein Mitarbeiter einer Plattenfirma zu Brian Epstein: "Gitarrengruppen sind bald out." Er solle mit dieser Band, die er da manage, nicht seine Zeit verschwenden. Diese Band war The Beatles.

Darf es ein paar Deka Pop mehr sein?

In eine ähnliche Kerbe, aber doch ganz anders, schlägt Robert Rotifer mit seinen Ausführungen zum 10-Jahres-Jubiläum vom Popfest Wien ein. Anders als im Popbuch der Edition Kürbis stehen in "Ein Deka Pop" Monografien im Vordergrund. Alle Bands, Künstlerinnen und Künstler, die beim Popfest zwischen 2010 und 2019 mitwirkten werden hier in Erinnerung gehalten, und das sind bislang immerhin an die 400 Acts.

Austro-Rock-Lexikon Buchcover zum Popfest Wien ArtikelIm Gegensatz zum selbstreferenziellen "Lauter Lärm!" Popbuch bezieht sich Hauptautor Robert Rotifer vom Ansatz her u.a. auf das 1990 im Eigenverlag veröffentlichte "Austro-Rock-Lexikon" von Wolfgang Zink. Die alphabetische Anordnung macht "Ein Deka Pop" tatsächlich zu einem weiteren wichtigen Nachschlagewerk zur österreichischen Popkultur. Die Texte stammen von Rotifers Arbeit an der Programmschreibung zum jeweiligen Popfest Wien, die allesamt auf der Festival-Webseite veröffentlicht wurden. Für das vorliegende Buch wurden die Texte sanft editiert. Von Abby Lee Tee bis Zanshin können so alle Acts wiederentdeckt werden. Man liest die Begeisterung von Rotifer in den Bandbeschreibungen und erinnert sich selbst wieder an Alben, die man oft gerne gehört hat und an jene, die weiterhin am Plattenteller oder in der CD-Lade immer wieder mal rotieren. Während dieser lexikalische Teil das Gewicht des Buchs ausmacht, sind es die Ausführungen und schriftlichen Gedanken der Kuratorinnen und Kuratoren vom Popfest Wien, sowie die Plakatdesigns und die zahlreichen Fotos vom Festival, die dem Pop-Buch die notwendige Ergänzung liefern.

Was ist das Popfest Wien, bzw. was soll das überhaupt sein, und wie soll es sein, wer soll dort spielen? Warum diese Band und nicht diese? Wohin soll dieses Jahr die Reise führen? Es geht nicht um uns, es geht um die Kunst. Am Ende des Pop-Buchs kommen dann auch noch die Programmaussucher*innen zu Wort, ihre Ideen und Überlegungen darzulegen, was ebenfalls einen guten zeithistorischen Überblick verschafft (auch wenn es freilich noch die jüngere Vergangenheit betrifft), zu lesen, wie jemand an eine Programmierung herangeht, was bewegt und wie sich Pop im Laufe der Jahre definiert, was gewünscht und was gefordert wird. "Auch Mehrsprachigkeit in der Musik ist uns ein Anliegen", schreiben im Schlussakkord Yasmin Hafedh und Mira Lu Kovacs - die Kuratorinnen von 2019 - in ihrem Manifest ähnlichen "Wien, du Vielvölkerstadt! Zeig her deine Schätze!", das mit der Forderung schließt, "Es ist Zeit, die alten Strukturen zu verlassen, denn Pop wird nie alt sein." //

Text: Nadia Baha (Lauter Lärm!) und Manfred Horak (Ein Deka Pop)
Foto: Simon Brugner

Buch-Tipps:

Noch mehr Lärm!
Ein Pop-Lesebuch
Reihe: Pop! Goes The Pumpkin No.4
Hrsg: Heimo Mürzl und Wolfgang Pollanz
144 Seiten 
Verlag: Edition Kürbis (2019)
ISBN 978-3-900965-55-6

Ein Deka Pop
Alle Artists | Popfest Wien 2010-2019
Robert Rotifer * Popfest Wien (Hg.)
280 Seiten
Verlag: Falter Verlag (2019)
ISBN 9783854396611

Noch mehr Lärm Buchcover zum Popfest Wien ArtikelEin Deka Pop Buchcover zum Popfest Wien