cook_teaserVerblüffende Erkenntnisse einer (im wörtlichen Sinne) Spurensuche gelang dem amerikanischen Autor Tony Horwitz mit der Biografie über Käpt'n Cook. Mit enormem Feingefühl lenkt der Autor die Aufmerksamkeit nicht nur auf die dunklen Seiten des Forschers, sondern auch auf die zum Teil entsetzlichen Konsequenzen, die dessen Entdeckungen für einfache Kulturen nach sich zogen.

Endeavour

"Die Entdeckung eines Entdeckers" lautet der Untertitel der grandiosen Biografie über Captain James Cook von Tony Horwitz. Der amerikanische Autor verließ dabei den gewöhnlichen Weg an eine Biografie heranzugehen und wollte es möglichst genau wissen, was letztendlich bedeutete, sämtliche Stationen von Cooks Reisen selbst zu besuchen. Horwitz heuerte sogar auf der "HMS Endeavour" [falls Ihnen der Name anderweitig bekannt vorkommt; das Kommandomodul von Apollo 15 und ein Spaceshuttle wurden danach benamt; Anm.], dem Nachbau des ersten Schiffes von Cook an, um eine Woche lang das Original-Gefühl zu bekommen, wie das Leben eines Matrosen im 18. Jahrhundert aussah, denn, so der Gedanke von Horwitz, "wenn ich mir ein Bild von Cooks Reisen machen wollte, musste ich mir zuerst ein Bild davon machen, wie er gereist war." Dies, obwohl die Fragen beim Bewerbungsformular alles andere als einladend waren. Mit Akribie machte sich der Autor also an das Leben von James Cook ran, und packt den Leser von Beginn an ob seiner plastischen Erzählkunst und dem Geschick Logbucheintragungen von Cook und seiner Crew mit objektiven Gegenwartsempfindungen zu verknüpfen.

Werden Sie seekrank? - Nur wenn ich zur See fahre

Die anschauliche Reisebeschreibung auf der HMS Endeavour, bei dem Horwitz im Zuge der Bewerbung auch die Frage ob er seekrank werde beantworten musste, mit all ihren Strapazen und uneitlen Tagesabläufen ist eine intelligent erzählte Anekdotensammlung, ohne Effekthascherei oder mit Kalkül berechnenden Provokationen aufgefettet, dafür immer mit Vergleichen zu den Reisegegebenheiten zu Cooks Zeiten. Cook, am 27. Oktober 1728 im britischen Marton bei Middlesbrough geboren, wurde während seiner dritten Seereise, am 14. Februar 1779 auf Hawaii, ermordet, fand nicht nur als Entdecker Platz in den Geschichtsbüchern, sondern auch ob seiner erfolgreichen Vorbeugung von Seefahrerkrankheiten wie Skorbut, zudem revolutionierte er die Navigationsmethoden seiner Zeit und sah durch seine Entdeckungen auch den Fall der Kulturen kommen. Hier wurde und wird Cooks Rolle bis zum heutigen Tag zum Großteil missverstanden, beliebt jedenfalls ist er bei den indigenen Völkern im pazifischen Raum, sei es in Neuseeland, in Australien, auf den Sandwich-Inseln, in Tonga, Nuie oder auf Hawaii, kaum bis gar nicht.

Sie haben das erste U-Boot gebaut


Tony Horwitz setzte bei seinen Erkundungen da an, befragte Privatpersonen zu Cook, diskutierte mit ihnen und besuchte zahlreiche Veranstaltungen zu Ehren Cooks, die von offizieller Seite abgehalten werden. Kuriose Gedenkveranstaltungen mitunter, die Horwitz minutiös und mit enormem Sprachvermögen, nicht zuletzt mit Humor, ausbreitet. Ein Höhepunkt des 704-seitigen Wälzers ist sicherlich des Autors Beschreibung seines Aufenthalts auf Tonga und hier im speziellen die Audienz beim König von Tonga: "Da mir nichts eingefallen war, was ich in Tonga hätte kaufen können, das der König nicht bereits besaß, hatte ich mir an andren Schriftstellern ein Beispiel genommen und ein Buch mitgebracht, das ich über den Amerikanischen Bürgerkrieg geschrieben hatte. [...] und stellte ihm die erste meiner vorbereiteten Fragen: Wie erinnerte man sich hierzulande an Cooks Besuch? Meine Frage hing in der Luft. Der König verharrte schweigend und in völliger Bewegungslosigkeit, den Blick auf den Tisch geheftet. Er trug goldene Uhren an beiden Handgelenken, und ich sah ihnen beim Ticken zu, tick, tack, volle drei Minuten lang. [...] Dann murmelte der König irgendetwas vor sich hin. Auch davor hatte man mich gewarnt: nicht direkt ein Sprachfehler, aber eine Tendenz zum Nuscheln. >Wie bitte?< >Sie haben das erste U-Boot gebaut<, wiederholte er..."

Alles Roger


Cooks zweite Reise führte ihn als ersten Menschen über den Südlichen Polarkreis, auf dieser Reise bewies er auch, dass "Terra Australis" nur ein Mythos ist und entdeckte zudem mitunter die von ihm benannten (Südlichen) Sandwich-Inseln [im übrigen wäre die Frage warum ein Sandwich Sandwich heißt eine vorzügliche hochdotierte Frage bei der Millionenshow. Im Buch gibt es die Antwort; Anm.]. Von Hawaii bis in die Beringstraße führte ihn schließlich Reise Nummer Drei. Mit dabei, zumindest auf einem Großteil der Reise von Horwitz, war Freund Roger, der ebenfalls für einige erhellende Momente im Buch sorgt. Unermüdlich ließen sie nicht locker, um an Informationen zu kommen, gingen den seltsamsten Hinweisen und Tipps nach, um größtmögliche Authentizität der drei Reisen aus dem 18. Jahrhundert einzufangen, in der Hoffnung, auch das eine oder andere Original-Stück zu sehen (wie z.B. eine Kanonenkugel). Es ist ein hervorstechendes Merkmal von Horwitz dramatische Ereignisse aus Cooks Reisen plausibel darzulegen und nie die gesellschaftlichen Umbrüche außer Acht zu lassen. So zitiert Horwitz aus den Logbüchern von Cook und seiner Mannschaft, um z.B. auf deren Verhalten beim Erstkontakt mit diversen Inselbewohnern, aber auch um auf die Gegebenheiten der Natur per se hinzuweisen, und lenkt rapide den kritischen Blick auf die gegenwärtige Situation. "Cook - Die Entdeckung eines Entdeckers" ist alleine daher eine mehr als wertvolle Biografie, die für beste Unterhaltung, viel Amüsement und durchaus für Wehmut sorgt, einem mit wertvollen bis interessanten Informationen und Details durchfüttert, aber auch mit - zum Teil subtiler - Gesellschaftskritik keineswegs sparsam umgeht. (Manfred Horak) 

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marebuchverlag, Hamburg 2004
704 S., 8 Karten, gebunden
ISBN 3-936384-89-4