Maß halten, das wussten schon die alten Griechen, ist das, worauf es ankommt. Nun würde man Robert Fisher nicht unbedingt gleich als Präsident verpflichten, wenn man einen Club des Maßhaltens gründen würde - sollte man aber, meint Stefan Maelck. Live nachzuhören am 21. Mai 2008 in der Szene Wien (siehe auch Gewinnspiel).
Robert Fisher gelingt mit seinen Willard Grant Conspiracy nämlich ein Wunderwerk der Wachsamkeit: wachsam was die Überlastung und Überladung angeht mit der so mancher Musik-Frachter heute schnell zum Untergang verurteilt ist. Sieht man sich die Mannschaftsstärke an, immerhin 22 Leute, dann meint man, sich auf die falsche Kreuzfahrt verirrt zu haben. Eine Kreuzfahrt auf der die bräsige Berieselung zum Sonnenuntergang von zu viel aufgeregtem Personal zerstört wird und der letzte noch Genussfähige sich schnell zurückzieht. Hier aber strömt alles an Deck, um die Farbtupfer, die vom Horizont her mehr als Abendrot und einen schönen neuen Tag versprechen, aufzusaugen. Das hier ist, als segle man in das sagenumwobene und lang gesuchte Königreich, das die einen Gospel nennen und die anderen Paradies. Pilgrim Road ist ein Werk. Eins, dem man sich mit Worten nur schwer nähern kann. Wer dicht ran will, muss auch die Worte reduzieren, ein Text aber kann sich das nicht leisten. So mancher Musiker ist gescheitert am Versuch, ein Song-Album mit Orchester aufzunehmen. Entweder hörte man eine Orchester-Platte mit schwachem Sänger oder Streicher und Bläser waren lediglich Bombast und Bombenalarm. Hier ist der Minimalismus, die Reduktion, die diese Lieder so voll, komplett und ganz machen und die sie trotzdem unfertige Lieder, also perfekte Pop-Songs, bleiben lassen. Man ist von Anfang an dabei. Fisher singt Trucks are loaded und dann beschreibt er seine eigene Poetologie: Comes a time less is more. Selten beginnen Alben mit Liedern, die man sich zu jedem Anlass vorstellen kann, Trauer und Freude und alles was dazwischen liegt. Romantik kann etwas Funktionales haben, ohne dabei aufklärerisch zu sein. Comes a time less is more... Und wenn die Richtung klar ist, dann erklingt schon The Gospel according to Robert Fisher - Great Deceiver ist mit all seiner zwitschernden Gitarrenkonsole Gottesdienst und Gnadenbeweis zugleich. Wer das mochte, was Howe Gelb auf Sno Angel like you mit einem Gospelchor anstellte, der hört, wie die Fackel weiter gegeben wurde und möchte Howe sofort eine Postkarte schreiben: Lieber Howe, du bist erhört worden. Überhaupt ist Pilgrim Road, der Titel assoziiert es, ein Glaubensbekenntnis. Kein plumpes modisches Jakobsweggestolpere, eher eines, dass das Beste aus allen Religionen dort zu einen vermag, wo diese aufeinander treffen: in der Musik. Malcolm Lindsay, der Mann, der das alles orchestriert hat, sprach Robert Fisher 2003 nach einem WGC Konzert in Glasgow an, ein Konzert, das soundtechnisch ein Desaster war. Ausgerechnet. Bis 2008 hat es gedauert, die Idee dieses Abends umzusetzen, 5 Jahre Pilgrim Road, zunächst war das Internet die Straße, zuletzt das Studio. Die Songs stammen überwiegend aus der Feder von Robert Fisher und Malcolm Lindsay, die beiden Coverversionen sind keine der üblichen Eckpfeiler, dienen nicht als Kompass oder wegweisende Gestirne. Es sind eher Verneigungen. Phoebe stammt von Lal Waterson und Oliver Knight vom Album Once in a blue moon (2007) und Miracle on 8th Street von Mark Eitzel vom Album Everclear, einem Frühwerk des American Music Club. Das Album hat eine ganz eigene Dynamik und auch die Anordnung der Songs ist ganz überraschend, ein auf Kommerz gestriegelter Produzent wäre sicher andere Wege gegangen. Nun folgen die Songs einer inneren Logik und das Schiff der Route eines Kapitäns, der unbekannte Seewege erkundet, denn natürlich kann diese Pilgerstraße nur übers Wasser führen. Staubige Landstraßen lang laufen kann ja jeder. Ach, beinah vergessen, das Album wurde in Glasgow aufgenommen und da wundert’s einen nicht, dass Jackie Leven auch dabei war. Ein Album, das das Zeug hat, einen wieder auf den richtigen Weg zu bringen. Wie auch immer der aussieht. (Stefan Maelck)
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