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katharina-franck-2009Das neue meisterliche Album von Katharina Franck trägt den leicht mysteriösen Titel "On The Verge Of An Autobiography". Mehr über die Entstehung dieses Albums im Interview, das von Robert Fischer geführt wurde.


Fortsetzung folgt! Was auf Katharina Francks Homepage am Ende ihrer Biografie zu lesen ist, könnte man vielleicht verkürzt auch als Lebensmotto verstehen. Seien es die frühen Erfolge mit Rainbirds, unterschiedlichste Projekte wie Theatermusik, Hörspiele, Arbeiten fürs Radio und Alben mit gesprochenen Pop-Songs oder ihre erfolgreiche Solo-Karriere - die 45-jährige Sängerin mit Wohnsitz Berlin hat in mittlerweile mehr als zwanzig Jahren musikalischen Schaffen immer die Energie und Motivation gefunden, immer wieder weiter zu machen.

Kulturwoche.at: Dein neues Album "Standing On The Verge..." klingt ganz anders als die Vorgänger. Passt das zu folgendem Zitat, das ich in einem älteren Bericht über dich gefunden habe: "Ich möchte immer wieder Neues ausprobieren, um etwas noch außergewöhnlicheres zu realisieren als zuvor"?

katharina-franck-2009-iiKatharina Franck: Ja, "Standing On The Verge..." klingt wirklich anders und ist auch unter ganz anderen Vorzeichen entstanden als die vorige CD. Aber ganz kann ich mich mit dem Zitat nicht ganz  identifizieren, ich würde eher sagen, ich möchte eigentlich nur immer weiter machen und bei den Sachen ansetzen, die ich schon gemacht habe. So habe ich z.B. bei der neuen CD auf bestimmte Dinge, die mir die Arbeit an der Vorgänger-CD First Take Second Skin etwas erschwert haben, ganz kategorisch verzichtet und bin da vielleicht noch einen Schritt weiter in Richtung kompromisslose Künstlerin gegangen. Ich wollte bei diesem Album einfach keine Kompromisse machen und wollte z.B. auch nicht mit Leuten zusammenzuarbeiten, die in sich kompliziert sind und den Produktionsprozess behindern.

Was war noch unterschiedlich in der Herangehensweise im Vergleich zu früheren Produktionen?

Eine weitere Sache, die ich auch auf keinen Fall mehr wollte, war, für das Gelingen die Produktion alleine verantwortlich zu sein. Deshalb habe ich diesmal meine beiden Partner Peter Hinderthür und Tonmeister Peter Schmidt schon ab der Arbeit an den Basic-Tracks des Albums involviert. Bei "First Take, Second Skin" war ich für weite Teile der Produktion alleine verantwortlich. Meine damaligen Partner Udo Arndt und Peter Weihe kamen erst nach der Produktion der Basic Tracks dazu, aber die Basic Tracks sind ja eigentlich das Wichtigste von dem Ganzen. Das war eine große Herausforderung und sehr anstrengend, und ich habe mich damals auch ein Stück selbst verloren. Die katharina-franck-vergeKünstlerin Katharina Franck ist da eher in den Hintergrund getreten, weil ich so damit beschäftigt war, den reibungslosen Ablauf der Sessions zu gewährleisten bzw. mich um das psychologische Gefüge, wenn unterschiedliche Musiker im Studio aufeinander treffen, zu kümmern. Das habe ich alles dieses Mal vermieden, habe schon im Vorfeld Musiker ausgesucht, wo die Konstellation passt und nicht viel diskutiert und geredet, sondern Musik gemacht wird, und, wie schon erwähnt, die beiden Co-Produzenten, waren diesmal von Anfang an bis zum Schluss komplett dabei. Zusätzlich war ich nicht mehr gewillt, mir zu sagen, ich MUSS mit bestimmten Bedingungen klarkommen, sondern jetzt schaffe ich mir Bedingungen, wo ich gut arbeiten kann. Wenn diese Bedingungen nicht vorhanden sind, dann muss man noch mal neu ansetzen oder eine Pause machen. Das Konzept für "On The Verge..." ist aber eigentlich ganz gut aufgegangen: Wir haben uns für dieses Album immer nur zu kurzen Sessions, die über ein ganzes Jahr verteilt waren, getroffen und bei diesen Terminen nicht viel geplant oder geredet, sondern einfach Musik gemacht.

Die Musiker für das neue Album hast du zum Großteil aus deiner letzten Tour-Band rekrutiert, oder?

Ja, mit dem Schlagzeuger Achim Färber und E-Gitarrist Mathias Mauersberger bin ich schon getourt. Ich lade eigentlich schon ganz gerne immer die Leute ein, mit denen ich schon einmal gearbeitet habe. Den Trompeter Michael Merkelbach, der auch auf der letzten Tour dabei war, musste ich im Studio durch jemand anderen ersetzen [Lukas Fröhlich, Anm.], da Merkelbach leider ein paar gesundheitliche Probleme hat und sich generell ein Stück aus der Musik-Szene zurückgezogen hat. Bass spielt Peter Hinderthür, und auch Ex-Rainbird Ulrike Haage am Klavier ist mit von der Partie.

Auf "On The Verge..." finden sich auch drei Cover-Songs. Neben "Lilac Wine", das u.a. von Nina Simone und von Jeff Buckley bekannt wurde, und "Something In The Way" von Nirvana ist auch ein Stück von der Band New Randy dabei. Warum hast du gerade diese Covers ausgesucht?

"Swallows Song" von New Randy ist eigentlich kein Cover, sondern ein Auftragswerk, das die beiden Mädeln für mich komponiert haben. Wir haben uns über MySpace kennen gelernt und ich habe gefragt, ob sie nicht ein Stück für mich komponieren wollen. New Randy haben mir dann mehrere Songs geschickt und ich habe mir daraus "Swallows Song" ausgesucht.

Was verbindet dich mit "Lilac Wine" [1950 von James Shelton komponiert, u.a. auch von Elkie Brooks und Eartha Kitt gecovert; Anm.]. bzw. mit "Something In The Way" von Nirvana [aus dem Album "Nevermind", 1991; Anm.]?

Bei "Lilac Wine" weiß ich nicht mehr, welche Version ich zuerst gehört habe, jene von Nina Simone oder jene von Jeff Buckley. Aber es war in beiden Versionen ein Song, der mich einfach umgehauen hat. Man kann in dem Song alle Themen, die auch mich in meiner Musik beschäftigen oder vorkommen, finden. Für mich geht es in Lilac Wine um die Sehnsucht, mit einem Partner oder jemand anderen in Verbindung zu stehen, ob man sich da ganz nahe ist oder nicht, und um die Bereitschaft, diese Verbindung aufzunehmen. Viel zu geben und auch viel zu bekommen. Ich wollte einfach probieren, diesen tollen Song einmal selbst zu singen, und neben der eigenwilligen Interpretation von Nina Simone und die absolut perfekt wunderschöne von Jeff Buckley zu stellen. Ich sehe mich da mit meiner Aufnahme ein bisschen dazwischen. Beim Nirvana Song geht es in meiner Auffassung darum, um Dinge, die einem im Wege stehen bzw. einem vom eigenen Weg abbringen wollen, also förmlich behindern. Ich habe dem Song ein kleines Kinderlied von mir hinzugefügt, das ist diese Stelle wo ich ganz stark ins Summen komme. Das ist ein Lied, dass ich mir in meiner Erinnerung, schon als 4 oder 5-jährige selbst vorgesungen habe, einerseits, um mich selbst in den Schlaf zu singen, und mich ein bisschen zu beruhigen, andrerseits auch meinen Eltern und meiner Schwester durch den offenen Spalt in der Türe zu signalisieren, das alles okay ist und ich sie gern habe. (lacht) Es war für mich so eine Art Mantra. Es geht ja vielen Leuten so, dass man das Gefühl hat, immer kommt einem etwas in die Quere, aktuelle Sachen oder Geschichten aus der Vergangenheit, und mit diesem "Mantra" versuche ich, für mich persönlich, das was einem da im Weg steht, einfach weg zu singen.

Ist diese Sehnsucht nach einem Partner, von der du vorhin gesprochen hast, auch das Hauptthema der Songs auf "On The Verge..."?

Es geht auf jeden Fall um Sehnsucht, aber auch um Kommunikation mit einer bestimmten Person bzw. auch mit sich selbst und der Welt, in der man lebt und mit der man klarkommen muss. Das lange Titelstück ist eigentlich fast so eine Art Tragikomödie, weil ich da erzähle, wie ich mich durchs Leben laviere, mit Worten, und mit Geschichten und mit Bildern, die zum Teil überall hergesucht werden. Im Schluss-Teil stelle ich mich auch ein bisschen als Künstlerin vor, die Kommunikation richtet sich wieder an eine bestimmte Person, aber am Schluss merke ich, dass ich auf die ganzen Worte auch hätte verzichten können. Es geht auch sehr viel um Erlebnisse in Beziehungen, wobei da gar nicht unbedingt eine Liebesbeziehung gemeint ist. "Things You Must Never Loose" ist z.B ein Song, der sich sehr allgemein darum dreht, welche Dinge man braucht, um sein Leben zu meistern. Aber es gibt auch den Song "In My Mouth", der zum ersten Mal explizit das Thema Sex behandelt. Ich kann mich nicht erinnern, etwas in der Art schon einmal geschrieben zu haben.

Bei einer deiner Live-Konzerte spielst du öfters auch unveröffentlichte Songs wie z.B. "Leadbelly Blues". Hast du ein großes Archiv unveröffentlichter Lieder, aus denen du bei der Suche nach Material für ein neues Album schöpfen kannst?

So wahnsinnig viele unveröffentlichte Stücke habe ich eigentlich nicht, aber es tauchen doch immer wieder kleine Stücke auf, die ich von Zeit zu Zeit wieder aufgreife und weiter daran arbeite oder mir denke, den könnte ich wieder mal in mein Live-Set aufnehmen. Aus dem Material der letzten Session gibt es einen Song, den wir gar nicht mehr geschafft haben. Ein Stück, das wir angefangen, aber nicht fertig gestellt haben und eines, das fertig ist und in irgendeiner Form hoffentlich einmal als Bonus-Track auftauchen wird. Viel mehr gibt es aber nicht.

In Österreich entwickelt sich in letzter Zeit wieder eine junge, lebendige Alternative-Musikszene mit Acts wie Soap & Skin, Gustav oder A Life, A Song, A Cigarette. Ist die Situation in Berlin bzw. Deutschland ähnlich?

Von den Namen, die du genannt hast, kenne ich die meisten, auch wieder vor allem über MySpace. In Deutschland passiert auch einiges, aber so viele junge Frauen in der Popmusik wie bei euch gibt es bei uns nicht. Ich kenne z.B. auch noch Paperbird aus Wien, die mich teilweise an Stücke von Moondog erinnert, und Clara Luzia. Ich habe einen Fan in Graz, die mir immer wieder Infos bzw. Links von Musikern schickt, deswegen bin ich da eigentlich ganz gut informiert. Ich bin mir sicher, dass bei uns auch einiges passiert, aber da kriege ich witzigerweise weniger mit, als über die österreichischen Acts. (lacht)

Du bist seit über 20 Jahren im Musikgeschäft dabei. Was treibt dich an und gibt dir die Energie über so eine lange Zeit durchzuhalten?

katharina-franck-by-schnitzlerNa ja, ich bin natürlich auch davon abhängig, dass mir wie auch immer geartet kleine Erfolgserlebnisse zu teil werden, um nicht nur eine Inspiration, sondern auch eine Motivation zu haben, weil ich mache das Ganze ja nicht nur für mich alleine. Ich weiß zwar, dass mir das ganz offensichtlich genügt, eine kleine Gruppe von Leuten zu begeistern, aber da kommt man dann schon zu der Frage, wie groß ist der Aufwand den ich betreibe im Vergleich zum Publikum, das ich erreiche. Eine CD-Produktion ist ja nicht umsonst. Obwohl z.B. meine beiden Co-Produzenten nichts bezahlt bekamen und nur an den möglichen Erträgen beteiligt sind, müssen der Tontechniker, die Musiker, der Grafiker etc. bezahlt werden. Trotzdem war gerade die Arbeit am neuen Album von allen Beteiligten so gut unterfüttert und unterstützt, dass es sehr gut zu bewältigen war. Einerseits ist die Arbeit an einem Album wie "On The Verge..." wie ein großer Berg, den ich überwinden muss, aber dann gibt es wieder auch die Erlebnisse, wie ein kleines Konzert vor 50 Leuten das gut gelingt, die mich so anfüllen, dass ich sage, ja ich mache weiter. Und weiter, und weiter, und weiter... Diese Erfolgserlebnisse habe ich in den letzten zwanzig Jahren immer wieder gehabt und ich bin überzeugt, dass ich sie auch in Zukunft  haben werde. Ich muss auch das Gefühl haben, das ganze trägt sich ein bisschen von selbst, ich kann nicht alles alleine stemmen.

Was hat es mit dem mysteriösen Album-Titel auf sich?

Also erstens, ich schreibe an keiner Autobiografie! (lacht) Aber natürlich habe ich all meine Arbeiten, angefangen von den frühen Rainbirds bis hin zu meinen Hörspielen und gesprochenen Pop-Songs in gewisser Weise in Bezug gesetzt zu den Themen, die mich persönlich interessieren. Also ist eine gewisse autobiografische Note schon immer dabei. Auf der anderen Seite fand ich dieses Bild halt auch sehr lustig, auch wenn es vielleicht nicht jeder sofort versteht, einfach am Rande einer Autobiografie zu stehen, so wie andere am Rande eines Nervenzusammenbruchs. Wenn man so wie ich, schon ein paar Jahrzehnte auf dem Buckel hat, einiges erlebt hat (lacht), stehen einem halt in manchen Situationen die sprichwörtlichen Haare zu Berge. Der Titel des Albums ist ein spaßiger Umgang damit.

[Das Interview führte Robert Fischer. Foto: Schnitzler]

CD-Tipp:
Katharina Franck – On The Verge Of An Autobiography“
Label/Vertrieb: Premium Records/Soulfood (2009)
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