Eines der brisantesten Themen in Europa ist die soziale Integration für Roma, die mit geschätzten 10 Millionen Menschen die größte ethnische Minderheit innerhalb der EU darstellt. Verpönt, verarmt und der Segregation ausgesetzt sind die Roma zumindest in musikalischer Hinsicht anerkannt. Das OST Festival III widmet sich dieser vielfältigen Musikkultur. Passend dazu der Festival-Titel: "Urban Gypsies".
Der OST Klub (Kulturwoche.at übrigens auch) glaubt an die Möglichkeit, dass Menschen unterschiedlicher Herkunft eine gemeinsame Zukunft haben können. Wechselseitiger Respekt und vor allem Verständnis können dazu beitragen. "Und wie", stellen die Festivalmacher/innen fest, "geht das besser als beim gemeinsamen Genießen von Kultur, im Fall des OST Festivals von Musik." Wäre nur alles so einfach, würden auch die Lebensbedingungen der Roma in der EU besser sein. Um Verbesserung sind die EU-kraten zwar bemüht (soferne nicht der Schein trügt), die soziale Integration für Millionen von Roma will aber nicht gelingen, auch wenn so manche Kommissionsmitglieder optimistische Töne von sich geben, letztendlich sind es doch nichts als leere Worthülsen. "Die Lage der Roma ist ein dunkler Schatten auf dem Gewissen Europas im 21. Jahrhundert", sagte z.B. das für die Chancengleichheit zuständige Kommissionsmitglied, Vladimír Špidla. "Die bestehenden Probleme sind zwar vielfältiger und komplexer Natur, doch wir verfügen über die Instrumente, mit denen die Integration der Roma verbessert werden kann: von Rechtsvorschriften bis zu erprobten Finanzierungs- und Austauschkonzepten. Jetzt ist ein gemeinsames Engagement der Akteure auf lokaler, regionaler, nationaler und europäischer Ebene nötig, damit diese Instrumente besser eingesetzt werden und somit eine bessere Zukunft für die Roma in der gesamten EU gewährleisten können. Nur mit einer gemeinsamen Bemühung aller Beteiligten können wir die Situation ändern."
Armut und systematische Diskriminierung in der EU !DelaDap Das aktuelle Album von !DelaDap, "Sara La Kali", ist ein Paradebeispiel dafür wie man versunkene Zeiten mit aktuellem Lebensgefühl verbinden kann. Der Album-Titel bezieht sich auf Sara-la-Kâli, die Schutzheilige der Roma, die der Legende nach während einer Christenverfolgung auf einem Schiff nach Südfrankreich floh. Stani Vana in einem Interview mit Samir Köck: "Sie war eine Vogelfreie mit einer aufregenden Geschichte. Auch ich habe noch das Underdog-Gefühl in mir, schließlich bekam ich meine erste Zahnbürste und meinen ersten Bic-Rasierer im Flüchtlingslager Traiskirchen." Eine große Inspiration in der Musik von !DelaDap ist das Reisen, natürlich, muss man eigentlich hinzufügen, da ja die Gypsys auf ihren Reisen im 17. und 18. Jahrhundert verschiedene musikalische Stile der jeweiligen Länder integrierten, so ist auch das Album "Sara La Kali" eine einzige Reise. Herausragend z.B. "Kaj Tu Salas (Where have you been?)", das Lied mit dem unwiderstehlichen Groove, drei Sängerinnen inklusive. "Hop, grandpa says"; heißt es da, "we will drive across the world / […] / From India / We went to Europe / From Spain / We went to Romania…" und: "Take care of your children!" Der Gypsy-Style von !DelaDap ist letzten Endes schick, elegant, urban und sexy, genährt durch ungemein viel Soul und Selbstbewusstsein, das auch auf der Bühne in Form von gebündelter Kraft zelebriert wird. Energie, die aus der Verschmelzung von traditionellen Roma-Instrumenten und den kraftvollen und raffiniert gesetzten Beats entsteht, zusätzlich verstärkt von der besonderen Emotionalität der Sängerinnen. So ist aus Vanas "Studiofrickelei" längst schon ein komplexes Miteinander geworden. Tragend und harmonisierend das Akkordeon-Spiel Alen 'Djamba' Dzambics, grundierend und druckvoll der Kontrabass von Jovan Torbica, vibrierend vor Spielfreude das Gitarrenspiel von Aleksandar Stoijc. Voll russisch-weiter Tiefe geprägt und fiebrig zugleich das Violinspiel von Pavel 'Pasha' Shalman. Und da sind natürlich vor allem die Vokalistinnen, die Emotionen sprudeln lassen, mal mit kehliger Laszivität, dann mit jazzig-rauchigem Timbre. Stoika & Stojka Mit "Just another City" veröffentlichte die Wundersängerin und der Meistergitarrist ein hervorragendes Großstadtalbum, das alleine von daher natürlich besonders gut zum Festivalabend Urban Gypsies passt. Harri 'El Guitarrero' Stojka widmet sich hier also nicht dem Gypsy-Swing, sondern beackert im Verbund mit !Deladap-Sängerin Melinda Stoika das weite Feld von Soul, Jazz, Funk. 10 Lieder sind es auf dem Album geworden, die schön dahin grooven und bisweilen an die besten Momente von George Bensons Disco-Pop-Ausflügen wie "Give me the Night" erinnern. Sehr speziell - wie immer - das flinke Gitarrenspiel, das wunderbar mit dem gehauchten bis kräftigen Soul-Gesang harmoniert und Just another City zu einem kompakten Album macht. Herausragend neben dem Titellied die Ballade "All I ever wanted". Große Lieder, die man gerne öfter hört und live sicherlich noch einige Ebenen tiefer greifen. Boban Markovic Orkestar Boban Markovics legendäre Arrangements fußen auf zwei Sockeln: den jahrhundertealten musikalischen Traditionen der Roma-Musiker, bis zurück in die Zeiten der osmanischen Herrschaft, als die türkischen Militärblaskapellen ihren Schwung nach Europa bliesen; und Bobans ebenso abenteuerlustigen wie versierten Injektionen musikalischer Elemente aus allen Teilen der Welt - vorausgesetzt, sie genügen seinen hohen Ansprüchen. Man lausche seiner Version des israelischen Klassikers "Hava Naguila" - und wird erstaunt sein, welche Qualitäten in diesem Stück weit über die von gut meinenden Gitarrespielenden Seelsorgern im Religionsunterricht bekannten Versionen hinaus stecken. Das Boban Markovic Orkestar spielt auf Hochzeiten genauso beeindruckend wie auf Open-Air-Festivals, in Musikakademien, im Rahmen klassischer Konzerte und sogar im Kinofilm Gucha - und es tut dies mit der Energie einer Rockband! So hat es auf Hunderten von Konzerten und unzähligen Festivals in Europa und Nordamerika neue Bewunderer für seine Musik gefunden und wurde während seiner US Tournee 2004 sogar für einen Workshop an die berühmte Julliard Academy in New York eingeladen. Und nicht einmal von Oasis hat man Klagen gehört, als diese auf der Hauptbühne des ungarischen Sziget Festival so lange auf ihr Publikum warten mussten, bis das Boban Markovic Orkestar sein Konzert vor 15.000 Besuchern auf der Word-Music-Bühne beendet hatte. Gipsy cz. Seit dem 2006 erschienenen und mittlerweile vergoldeten Album "Romano Hip Hop" surfen Gipsy.cz auf der populären osteuropäischen Musikwelle rund um Shantel, Gogol Bordello, Balkan Beat Box, Fanfare Ciocarlia, uvm. ganz oben mit. So konnte die multikulturelle Formation um Sänger / Rapper Radoslav Banga beim letztjährigen Glastonbury Festival (UK) das Publikum mit ihren furiosen Romano-Hiphop-Klängen in ihren Bann ziehen und gelangte das Video zum Titelsong ihrer ersten Platte gleich in die internationale Hitparade von MTV. Auf ihrem neuen Album "Reprezent" kombinieren die allesamt klassisch ausgebildeten Musiker voller anarchischer Experimentierfreude und überbordender Spielfreude traditionelle, osteuropäische Roma-Folklore-Klänge mit hitverdächtigen Popmelodien, clubtauglichen Beats und temporeichen Raps zu einem ungewöhnlichen, energiegeladenen Soundmix. In ihrer Musik treffen die Kulturkreise Ost- und Westeuropas aufeinander und fusionieren zu einem Sound ohne Grenzen. Ihre leidenschaftlichen Songs sind poetische Alltagsschilderungen, thematisieren voller Melancholie (und Humor) Liebe und Freundschaft und haben darüber hinaus einen politischen Anspruch. Gipsy.cz stehen für Toleranz, Anti-Rassismus und Lebensfreude. Yeah, that’s it! (Text: Manfred Horak, OST; Fotos: AG für den Frieden, Caritas, Josef Fallnhauser, Geco, Gipsy.cz, Marko Linus Hook)
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