Der Kulturtopograph kam in den Genuss einer Dreierpackung Soul, Blues & Funk, im Rahmen des Jazzfest Wien.
09.07. Soul Survivors feat. Cornell Dupree & Les McCann & Ronnie Cuber + Special Guest Percy Sledge (Staatsoper)
“Sorry, we don’t have time for that”. Mit dieser Bemerkung versuchte der 64-jährige Gitarrist und „Soul Survivors“-Bandleader Cornell Dupree die Begeisterung der Konzertbesucher in der Oper nach zwei Songs von Les McCann ein wenig einzubremsen. Denn trotzdem die Altherren-Riege zu Beginn den Groove-Teppich, bei dem die sechs rüstigen Fast-Senioren ihre instrumentale Extraklasse aufblitzen ließen, großzügig ausgelegt hatte, gelang es erst dem 71-jährigen „Soulbrother“ Les McCann das Eis zum Publikum zu brechen. Der Keyboard-Magier begeisterte mit einer tollen Version seines Hits „Compared To What“ sowie einer für sein Alter beeindruckend intensiven, dynamischen Performance.
Erst beim Verlassen der Bühne, bei der McCann von einem Helfer gestützt werden musste, wurde sichtbar, dass der große Musiker anscheinend schon von massiven gesundheitlichen Problemen geplagt ist, und sein Auftritt daher umso bemerkenswerter war.
Doch wie gesagt, an eine Zugabe war nicht zu denken, der Zeitplan war überschritten, und eine gestrenge Lady, die hektisch aufs Weitermachen drängte, stolzierte immer wieder gestikulierend am Bühnenrand entlang. So etwas kann einem den Abend verderben, ich mag´s einfach nicht, wenn zeitliche Rahmenbedingungen die Oberhand über künstlerische Freiheit und Improvisation gewinnen. Obwohl sich danach der vermeintliche Star des Abends, Mr. Percy Sledge, auch schon 65, redlich abmühte, den Saal mit Komplimenten zu verwöhnen, und dabei mehrmals sein ach so inniges Verhältnis zu „Austria“ betonte, war meine Begeisterung an diesem Abend schon ziemlich abgekühlt. Zuviel Kitsch, (bei einem Duett mit seiner Frau fiel der Sänger sogar vor ihr auf die Knie), zuwenig Soul. Auch der Über-Hit „When A Man Loves A Woman“ zum Schluss konnte da nicht mehr versöhnen – noch eine kurze Zugabe, und die Show war zu Ende. Zeitplan ok, Stimmung oje!
10.07. Neville Brothers (Museumsquartier)
More of the same. Nachdem mich schon mein erstes „Nevilles“-Konzert 2005 in München schwer begeistert hat, war es auch diesmal im Museumsquartier nicht anders.
Langsam, betont lässig, schlurft die Band, die hauptsächlich aus den vier Neville-Brüdern (Art, Aaron, Cyril und Charles) sowie einigen Verwandten besteht, auf die Bühne, greift sich die Instrumente und legt ansatzlos mit einem Mörder-Groove los. BOOM! Wie auch schon in der Muffathalle bestand die Setlist zum Großteil aus Stücken vom hervorragenden aktuellen Album „Walkin´In The Shadow Of Life“ plus einigen Klassikern und ausgewählten, schönen Covers wie „Fever“ oder „Bird On A Wire“ von Leonard Cohen. Auch Gitarrist Makuni Fukada ist neben der Stammbesetzung immer noch an Bord, dank seines großartigen Gitarrensolos gerät „A Change Is Gonna Come“ auch diesmal zu einem frühen Höhepunkt. Es ist auch schön zu beobachten, dass sich die vier Brüder das Rampenlicht ausgeglichen teilen, jeder hat mal die Gelegenheit sich in den Vordergrund zu stellen oder mit einem Solo zu glänzen. Besonders Art Neville hat da bei mir gleich einen dicken Stein im Brett, am liebsten hätte ich auch so eine Hammond B-3 Orgel mit diesem unvergleichlichen, fetten, wabernden Sound. Für eine kleine Überraschung sorgt Cyril Neville (der neben seinem Gesang auch für die Percussion-Abteilung zuständig ist) mit einem funkigen Cover von „Foxy Lady“. Das einzige, was man dem Familien-Kollektiv aus New Orleans vielleicht vorwerfen kann, ist, dass die Band das Ganze ab und zu vielleicht sogar eine Spur ZU routiniert anlegt.
Hie und da überkommt einem schon das Gefühl, dass hier schon der Autopilot das Kommando auf der Bühne übernommen hat. Kann aber auch sein, dass mich Aaron Neville mit seiner stoischen Art einfach ein bißl in die Irre geführt hat, denn obwohl er immer noch wie eine Nachtigal wunderbar zu singen versteht, zeigt seine Mimik dabei oft wenig bis gar keine Emotionen.
11.07. Bettye LaVette (Rathausplatz)
Die 60-jährige Bettye LaVette ist jemand, die die Bezeichnung Legende ausnahmsweise einmal uneingeschränkt verdient. Geboren 1946 in den USA nahm Sie schon mit 16 Jahren ihre ersten Singles auf, kam bald darauf zum berühmten Soul-Label Atlantic Records, wo ihre Debüt-Single sofort zum Top-Ten Hit wurde. Trotzdem blieb ihr in Folge der große kommerzielle Triumph versagt, LaVette blieb ein Insider-Tip für Soul-Fans, konnte gerade noch die Miete zahlen und hielt sich mit Aufnahmen für kleine Labels über Wasser. Nachdem Sie sich zwischen 1972 und 1982 komplett aus der Musikszene zurückgezogen hatte, erfährt Bettye LaVette erst jetzt, in ihren Sechzigern und unterstützt durch den Erfolg Ihrer famosen LP aus 2005, „I´ve Got My Own Hell To Raise“, den breiten Erfolg, der ihr eigentlich schon lange gebührt. Die Freude und den Stolz darüber, konnte man auch bei ihrem Auftritt am Rathausplatz spüren. Unterstützt von einer kleinen Combo, präsentierte die Sängerin mit ihrer dunklen, durch die Jahre gereiften Stimme vor allem Songs aus oben genannter CD, auf der Sie ausschließlich Songs anderer weiblicher Künstlerinnen (z.B. Lucinda Wiliams, Dolly Parton und Joan Armatrading) singt. Doch das Außergewöhnliche an diesem Auftritt war auch, wie es die bühnenerfahrene Bettye LaVette mühelos schaffte, die Atmosphäre eines kleinen Clubs auf den weiten Rathausplatz zu zaubern. Egal ob sie sich bei einem Song entspannt an den Bühnenrand setzte, das Publikum zwischen den Songs mit kleinen Stories aus Ihrer fast 40-jährigen Show-Biz-Erfahrung unterhielt oder den Abend dann mutig mit einer Solo A-Capella Nummer beendete, LaVettes Charisma war eindeutig spürbar und fesselte die Zuschauer bis zur letzten Minute. Diese Frau ist also ebenfalls eine Art „Soul Survivor“, nur teilte sie ihre Freude darüber überlebt zu haben es an diesem Abend mit dem ganzen Rathausplatz.
(Text und Fotos: Robert Fischer, außer Neville Brothers, Foto: John Stanton und Soul Survivors, Foto: Jazzfest Wien)