"All Tomorrow's Parties" mitten aus der Wüste: Zwei Alben, die Ihren Ursprung in der Wüste zwischen Algerien und Mali haben liegen mit "BKO" von Dirtmusic und "ADAGH" von Tamikrest vor.
In den seidig glänzenden Dünen von Essakane (Mali) findet alljährlich eines der berühmtesten Festivals der afrikanischen Musik statt. Das "Festival Au Desert" ist eine einzigartige Präsentation der Musik und Kultur der Tuareg der Sahara. Das Musikfestival mitten in der Wüste begrüßt außerdem Künstler aus anderen Teilen Malis, Afrikas und der Welt. 2008 kam es dort zum zufälligen Aufeinandertreffen zweier sehr unterschiedlicher Bands. Das Projekt Dirtmusic der Indie-Musik Veteranen Chris Eckman (Walkabouts), Chris Brokaw und Hugo Race traf auf die junge Tuareg-Band Tamikrest. Nach einer kurzen gemeinsamen Jam-Session stand fest, dass die beiden Gruppen trotz unterschiedlicher Vergangenheit musikalisch auf einer Wellenlänge sind. Das Ergebnis dieser ungewöhnlichen Kooperation liegt jetzt in Form von zwei Alben vor, die parallel aufgenommen wurden und auf denen sich jede Band auch Gäste der jeweils anderen Combo eingeladen hat. Chris Eckman ist seit den frühen Tagen von The Walkabouts ein Fan der afrikanischen Musik. Nachdem sein Interesse zwischendurch nachgelassen hatte, blühte es Anfang der 1990er Jahre wieder auf, als Ihm ein Freund eine Kassette mit Field Recordings aus Mali gab. Es folgte eine intensive Beschäftigung mit Musik aus Afrika, die bis heute anhält. Der Besuch des "Festival Au Desert" in den Jahren 2007 und 2008 war die Erfüllung eines lang gehegten Traums. "BKO" [benannt nach der internationalen Abkürzung für den Flughafen Bamako und im weiteren Sinne für die Stadt selbst; Anm.] dokumentiert blendend, dass Indie-Rock und von Gitarren getriebener Wüsten-Blues gut zusammen gehen. Neben eigenen Songs der drei Dirtmusic-Masterminds hat auch eine schöne Cover-Version des Velvet Underground-Klassikers "All Tomorrow's Parties" ihren Weg auf die CD gefunden. Auf der beiliegenden DVD zu "BKO" ist eine Dokumentation über die Aufnahme-Sessions zu sehen. Wir waren nie in der Armee. Wir waren Musiker, keine Krieger mit Waffen. Der Name Tamikrest wiederum ist Tamasheq [die Sprache der Tuareg; Anm.] und heißt so viel wie Bündnis, Verbindung, Knoten. Das Volk der Tuareg hatte in den letzten 50 Jahren ein schweres Schicksal. Katastrophale Dürren und der anhaltende Bürgerkrieg prägten ab Mitte der 1980er Jahre die Jugend von Tamikrest-Chef Ousmane Ag Mossa. Das althergebrachte Nomadenleben wurde immer mehr unmöglich gemacht, und deshalb suchten Tausende junge Männer gegen Ende der 1980er Jahre Exil in Algerien, Lybien, Burkina Faso und anderen Ländern. Im Jahre 1990 kehrten trotzdem viele junge Tuareg in Ihre Heimat zurück, um gegen die Rücksichtslosigkeit, Korruption und Arroganz der Regierung in den entfernten Hauptstädten Banako und Niamaey zu protestieren. Ousmane Ag Mossa und die restlichen sechs Mitglieder von Tamikrest, die aus Mali, Niger und Algerien kommen, trafen sich in Kidal und begannen gemeinsam über den Ishumar Rock (die Musik der Tuareg-Rebellen) ihre Identität zu finden. Der Tamikrest-Chef wollte sich aber keinesfalls den Rebellen anschließen, sondern seinen Protest über die Musik ausdrücken. "Wir waren nie in der Armee. Wir waren Musiker, keine Krieger mit Waffen." Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten. Nachdem in den letzten Jahren schon andere Tuareg-Bands wie Tinariwen weltweit große Erfolge feierten, ist jetzt mit Tamikrest die nächste Band am Start, die Potenzial für eine internationale Karriere hat. Das geliehene Geld, mit dem Tamikrest 2008 zum Festival Au Desert fuhren, wo sie dann auf Dirtmusic trafen, war eindeutig gut angelegt. "ADAGH" ist ein vielversprechendes Debüt, mit Melodien die süchtig machen. Von dieser Band wird man in Zukunft sicher noch einiges hören. (Robert Fischer)
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