mit den Schlagworten:

hvg-splash2011-02Seit mehr als vier Jahren basteln die zwei Burschen der Hip Hop Kombo Herr von Grau nun schon an ihrer voraussichtlich beachtlichen Karriere im Deutschen Hip Hop. Schritt für Schritt wird etwas Großes draus. Katja Kramp traf die (Wahl-)Berliner am Rande des Splash Festivals 2011.

 

Kulturwoche.at: Habt ihr bei Euren Alben irgendwelche speziellen Konzepte oder lasst Ihr das quasi einfach fließen?

Benny: Das wird einfach fließen gelassen. Definitiv!

Ich hab nämlich grade ein Interview gelesen mit einem anderen Hip Hop-Künstler und der legt sich zum Arbeiten richtige Regeln fest. Er hatte sogar Zettel mit eben jenen Regeln an den Studio-Wänden kleben. Das gibt’s bei euch wahrscheinlich nicht, oder?

Benny: Nee.

Kraatz: Alles was in den Kopf kommt. Da gibt es auch musikalisch keinen festen Verlauf von einem Album. Das kann durchaus variieren zwischen krass Hip Hop-lastigem Beat und dann mehr Elektronischem. Das ist immer so wie die Sachen grad entstehen und was einem so im Kopf rumschwirrt.

Also auch textlich gibt's da jetzt kein besonderes Konzept?

Benny: Wenn mir'n geiler Text über Bagger einfällt, wird der natürlich gemacht. Da gibt's keine Grenzen. (lacht)

Entwickelt ihr auch manchmal Ideen bei Live-Auftritten, gerade beattechnisch?

Benny: Ja, wir spielen ja jetzt schon seit zwei Jahren richtig viel, und klar, das inspiriert natürlich. Manchmal hat man schon beim Beatschrauben 'ne Art Bühne im Kopf und dann lässt man sich davon inspirieren was live gut funktionieren würde.

Wie lange braucht ihr so im Schnitt bis ihr etwas fertig habt?

Benny: Es rangiert zwischen einem Tag und zwei Jahren.

Kraatz: Das stimmt, manchmal kommt er mit ganz alten Loops wieder an, und dann einen neuen oder alten Text, die er dann ausbaut. Ist immer unterschiedlich.

Benny: Für das neue Album hab' ich zum Beispiel einen Chorus zerhauen, der zehn Jahre alt war.

Habt ihr auch schon neue Pläne?

Kraatz: Ja, am 8.8.2011 kommt das nächste Album raus. Das ist ein ganzes Herr von Grau Paket sozusagen, da ist 'ne neue Scheibe dabei, allerdings mehr im EP-Charakter, also ein Mini-Album mit sieben Tracks plus Instrumentals auch auf Vinyl, auf CD und dazu gibt's halt noch eine DVD mit einem kompletten Konzert in Surround Sound. Wir bringen schon ziemlich regelmäßig was raus, wir bemühen uns auch immer nachzulegen, aber wenn wir so viel auf Tour sind, geht das nicht immer. Benny hat bei der letzten Tour auch ziemlich viel auf der Straße produziert. Da saß er mit seinem Laptop hinten bei uns im Tourbus und hat produziert oder Texte geschrieben. Manchmal dauert's halt länger. Wir haben zum Beispiel grad einen Fortsetzungstrack gemacht, wo wir eigentlich jeden Monat eine neue Folge rausbringen wollten. Das musste auch'n bisschen in den Hintergrund geschoben werden, weil wir halt erstmal diese Platte fertig machen wollten. Wir setzen uns selber schon unter Druck.

Hast du ein bestimmtes Muster wie du deine Beats entwickelst?

Benny: Nö, überhaupt nicht. Mal ist zuerst'n Sample da, mal ist zuerst'n Synthie da, mal ist zuerst nur 'ne Drumspur da, mal gibt mir Kraatz 'ne Vorlage und hat zu Hause Pop produziert. Bei "Ruf die Bullen" dachte ich erst: "Alter, was für 'nen Mist hast du da gemacht?" Aber irgendwie war das schon schön. Dann hab ich was drüber geschrieben und es war voll genial.

Kraatz: Das war ja früher auch schon so. Das allererste Lied, wo wir zusammen gearbeitet haben, war "Der große Schmerz", wo es um diesen Wellensittich geht. Der Beat war von mir und eine Art Einleitung dazu, dass wir das nächste Album produziert haben, aber danach hat Benny mehr die Kontrolle über die Beats übernommen. Ich sag dann immer nur meine paar Meinungen dazu. Beim letzten Album "Revue" haben wir auch sehr viel selber aufgenommen, also gar nicht so viel gesamplet.

Arrangierst du viel bevor etwas fertig geschrieben wird?

Kraatz: Also Benny arrangiert das auch selber. Ich nehm im Mix vielleicht noch mal da 'ne Basedrum weg oder mach irgendwie'n kleines Break mit irgendwelchen Effekten.

Benny: Ja, normalerweise ist es so, dass ich bei Kraatz erstmal eine Ideenspur aufnehme, wie in etwa der Text auf dem Beat stehen könnte, nehm das mit nach Hause und dann bastel ich den Beat noch'n bisschen drum rum und dann wird das ein laufender Prozess. Text wächst mit Beat, Beat wächst mit Text und so weiter.

Könnt ihr eigentlich schon vom Hip Hop leben oder müsst ihr noch nebenbei arbeiten?

Kraatz: Von der Musik können wir nicht leben, aber wir können die Musik mit der Musik finanzieren, also sprich, wir müssen nicht unser privates noch großartig reinstecken. Das war auch das erste Ziel und jetzt langsam kommt's halt und mal schauen was so die nächsten ein, zwei Jahre passiert. Wir sind da frohen Mutes.

Benny: Relativ optimistisch, sieht gut aus.

Dann würde ich gern noch einmal auf den Song "Klebeband" zu sprechen kommen. Wie ist der Song entstanden? Kann man das irgendwie eingrenzen?

Benny: Ja, es gab eine Häufung von Ereignissen, die durch die Medien gegangen sind. Erst dieser Theo van Gogh, der in Holland abgestochen wurde, weil er einen kritischen Film über den Islam gedreht hat. Dann wollte die CDU "Popetown", eine Serie bei MTV, wo der Papst'n bisschen aufs Korn genommen wird, verbieten lassen und in Berlin musste 'ne Ausstellung schließen, weil da auch'n religionskritisches Bild hing und'n Haufen aufgebrachter Leute die Veranstaltung gestürmt haben. Dann wurde das geschlossen und da hab ich mir gedacht, "Alter, was soll denn der Scheiß. Scheiß Scheiße." So ging's los.

Welche Message ist dir da jetzt besonders wichtig? Geht's da mehr um das Fanatismuskritische oder mehr um das Freiheitsdenken?

Benny: Geht letztendlich nur darum, dass ich eigentlich grenzenlos sagen möchte, was ich will, ohne dafür umgebracht zu werden. Man kann heutzutage jeglichen Politiker verunglimpfen, man kann über jeden Mist herziehen, aber sobald es an Religion rührt, drehen die Menschen durch und Leute, die erst relativ vernünftig wirken, kriegen auf einmal 'ne schwarze Klappe und werden totale Idioten. Letztendlich ist es wirklich das Meinungsfreiheitding, worum es da geht, also jeder soll glauben wozu er Bock hat, aber mich damit nicht einschränken.

Bei "Revue" hatte ich den Eindruck, dass das dein persönlichstes Album ist. Stimmt das und wenn ja, woran könnte das liegen?

Benny: Es könnte stimmen. Woran's liegt, weiß ich nicht. Es kam so.

Kraatz: Ich glaub', er musste sich ein bisschen was von der Seele reden. "Blumenbeet" und "Heldenplätze" waren eher zwei Allgemeindinger, da war nicht so viel Persönliches und bei "Revue" war's dann doch viel auf sich selber bezogen, allerdings nicht alles was Benny erzählt ist ja dann auch 1:1 er. Wenn man die Tracks hört, sollte man jetzt nicht denken, dass man den Benny kennt.

Benny: Es gibt ja noch das Lyrische Ich.

Kraatz: Nein, aber das stimmt schon. "Revue" ist persönlicher. Das sagen viele. Musikalisch finde ich es auch ausgefeilter als "Heldenplätze".

Hast du schon mal an einem Rap-Battle teilgenommen? Interessiert dich dieser Teil vom Hip Hop auch?

Benny: Ist nicht wirklich mein Ding. Dieser Kokurrenzgrundgedanke im Hip Hop ist halt einer, den ich nie wirklich nachvollziehen konnte. Das Gegeneinander, das hat mich nie gecatcht. Als ich 15 war oder so hab ich mal bei 'nem Battle mitgemacht, aber auch nur weil ich total besoffen war.

In anderen Interviews habt ihr gesagt, dass ihr privat nicht so viel Hip Hop hört. Hat sich das jetzt mittlerweile geändert?

Kraatz: Ich für meinen Teil höre schon viel Rap-Musik, aber auch ganz viele andere Bereiche, ich steh auf gewisse Rock-Sachen, grade im Instrumentalbereich oder halt auch viel Elektro oder so. Beatmäßig ausgefeilte Sachen.

Benny: Ich hör halt viel Elektronisches. Hab jetzt aber seit Kurzem wieder Internet und werd bestimmt bald wieder anfangen mal'n bisschen im Hip Hop zu stöbern.

Habt ihr irgendeinen Ort wo ihr gern mal spielen würdet? Irgendeine tolle Bühne, wo es unbedingt mal sein sollte?

Kraatz: Ich muss gestehen, wir haben schon auf vielen Bühnen gespielt und Vieles erreicht, sei es Hip Hop Kemp oder Splash oder Fusion, wo ich früher als Gast hingegangen bin und dachte, "Ey, hier irgendwann mal spielen, das wär echt genial" und jetzt ist es passiert und ich könnt mir eigentlich nichts Geileres vorstellen als so wie es jetzt ist. Allerdings muss ich sagen, dass ich diese Festivals zwar super finde, aber wenn wir die Clubtouren machen, gefällt mir das immer'n bisschen besser, weil wir da mehr Zeit haben. Wir können ein wirklich gutes Programm machen und nicht nur in 'ner halben Stunde ein paar Hits durchballern. Man kann sich nicht so richtig mit dem Publikum auseinandersetzen, was halt immer'n bisschen schade ist. Aber trotzdem ist jedes Konzert irgendwie geil, selbst wenn der Sound scheiße ist.

Ja, ich wollt auch grad fragen. Habt ihr jemals wieder einen "Peter" als Techniker bekommen?

Kraatz: Ja, Vor einer Woche. Wo, ist jetzt auch egal, aber vor einer Woche hatten wir ein ganz schlimmes Ding. Ohne Soundcheck und wir standen auf der Bühne und nix hat funktioniert. [Der Song "Peter" handelt von einem miesen Techniker, der bei einem Herr von Grau-Konzert den Sound machen musste; Anm.]

Na, dann wünsch ich euch, dass es fortan besser läuft an der Technikerfront und vielen Dank für das Gespräch! (Text und Interview: Katja Kramp; Fotos: Tim Runge)

Link-Tipp:

CD Kritik Herr von Grau "Revue"
Der Splash 2011: So ist er gewesen

hvg-splash2011-05 hvg-splash2011-04