Weil in Teil 1 der Artikelreihe "Pink Floyd Remastered" mehrmals auch die Begrifflichkeit "Film" vorkam, wenden wir uns in Teil 2 den beiden Soundtracks zu, die im Paket der 14 Studio-Alben natürlich nicht fehlen dürfen: "Music from the film More" und "Obscured by clouds".

Erstaunlicherweise läuten beide Soundtracks gleichzeitig auch eine neue Ära bei Pink Floyd ein. "Music From the Film More" (1969) ist nicht nur die erste komplette Filmmusik von Pink Floyd, sondern zugleich das erste Album ohne Syd Barrett, "Obscured By Clouds" (1972) hingegen ist das erste Album, auf dem Pink Floyd einen Synthesizer verwendet (Gilmour einen VCS3). Beide Filme entstanden unter dem iranisch-französischen Regisseur Barbet Schroeder, der mit "More" sein Film-Debüt ablieferte und eigentlich erst viel später einem breiten Publikum bekannt wurde, und zwar mit den Filmen "Barfly" (1987; nach der Vorlage von Charles Bukowski) mit Mickey Rourke und Faye Dunaway, "Die Affäre der Sunny B." (1990) mit Jeremy Irons und Glenn Close - Oscar für Irons und Oscar-Nominierung für Schroeder inklusive - sowie "Weiblich, ledig, jung sucht..." (1991) mit Jennifer Jason Leigh als sadistische Mieterin und Bridget Fonda als Karriere-Yuppie. Der bis heute aktive Regisseur und Schauspieler begann seine Karriere als Produzent von Éric Rohmer Filmen und erlangte auch mit Dokumentationsfilmen eine große Reputation, zunächst mit "General Idi Amin" (1974), danach mit "Koko, der sprechende Gorilla" (1978), sowie mit "Die Charles Bukowski Tapes" (1985).

Eine frühe Spezies der Kategorie Heavy Metal

Sein erster Spielfilm "More" ist ein quasi psychedelischer Liebesfilm rund um einen deutschen Studenten, der in Ibiza auf eine Amerikanerin trifft, die ihn zum Heroinabhängigen macht. Und so ist auch der Filmtitel zu verstehen: "More - mehr, immer mehr Heroin". Nicht alle KritikerInnen meinten es gut mit dem Film, manche attestierten dem Film einen klischeehaften Zugang zum Drogenthema, andere mögen wiederum den nüchternen, fast dokumentarischen Erzählstil. Praktisch ausnahmslos positiv fiel die Beurteilung der Filmmusik aus - zu Recht. Und das Beste daran: bis heute haben beide Soundtrack-Alben nichts an Vitalität eingebüßt. Mit "The Nile Song" ist auf "Music from the film More" sogar eine ganz frühe Spezies der Kategorie Heavy Metal vertreten; das war wohlgemerkt im Juli 1969 und passt zudem als Begriff sehr gut zum Film, da bei William S. Burroughs der Begriff "Heavy Metal" in seinem Buch "Nova Express" (1964) als Metapher für Suchtmittel auftauchte. Auch der Einstieg ins Album ist erste Klasse. Eine Minute Vogelzwitschern steht am Anfang, bevor Roger Waters, zunächst sparsam instrumental begleitet, zu singen beginnt: "On a trip to Cirrus Minor / Saw a crater in the sun / A thousand miles of moonlight later", lauten die letzten Textzeilen, danach setzen sich die aufbauschenden mysteriösen Klänge durch, das Keyboard wird zum Dominator, und die Vögel zwitschern alles wieder weg.

Querverbindungen

"Cirrus Minor", "Crying Song" und "Green is the Colour" kann man durchaus mit dem schmalen, aber umso ausdrucksstärkeren musikalischen Schaffen von Nick Drake in Kontext setzen. Querverbindungen von Pink Floyd zu Nick Drake sind ja einige vorhanden, einerseits in der Person Joe Boyd, der sowohl die erste Single von Pink Floyd, "Arnold Layne" (1967), produzierte, als auch als Produzent von Nick Drakes Alben "Five Leaves Left" (1969) und "Bryter Layter" (1970) fungierte. Andrerseits: Im Jahr 2000 untermalte der Volkswagen-Konzern ihre Werbespots mit dem Nick Drake Song "Pink Moon" [Nick Drake konnte sich dagegen nicht wehren, er starb 1974; Anm.] - derselbe Konzern, der mit Pink Floyd einige Jahre davor einen Sponsoringvertrag für die "Division Bell" Tour aushandelte (siehe Teil 1).

And it's high Time

Bei "More", hieß es immer, könnte man einiges in Sachen Klang rausholen, da viel zu schwammig. Die vorliegende Remastered-Serie, neu angepackt von James Guthrie und Joel Plante, wiederum wird generell von einigen Seiten in Sachen Klangqualität bekrittelt, da "viel zu scharfe Höhen, Mitten wurden angehoben (dadurch ging der sphärische Klang verloren), weniger Bässe und dann wurde das ganze scheinbar noch durch einen Kompressor geschickt." Ich kann diese Generalisierung nicht unbedingt teilen, denn vor allem bei "More", das ich bislang nur in einer alten Vinyl-Version kenne, stellen sich für meinen Geschmack schon sensationell zu nennende Klang- und Farbqualitäten ein. Bei einigen Songs und Instrumentals werden gänzlich neue Facetten an die Oberfläche gespült - nicht nur bei "More" freilich. Aber gerade beim Thema Klangqualität kommt es ja nicht nur auf den Tonträger an, sondern auch an das Endgerät. Manche Endgeräte passen besser zu Pink Floyd, manche weniger. Aber wieder zurück zur Musik. Track 6 kann man guten Gewissens als Höhepunkt des Albums benennen: "Cymbaline" von Roger Waters, möglicherweise inspiriert von der Shakespeare Tragödie "Cymbeline". Ein Psychedelic-Folk mit dem Spirit von Syd Barrett und dem Gestus von David Bowie, der im selben Jahr sein "Space Oddity" veröffentlichte. Pink Floyd war in dieser Phase gerade in einer prägenden Umbruchsstimmung, denn Syd Barrett fiel als Songschreiber aus, die Band musste alleine deswegen einen neuen Weg einschlagen - und so kam der Auftrag zur Filmmusik mit dem Hinweis von EMI, Pink Floyd habe völlig freie Hand, sehr gelegen. Pink Floyd konnte somit verschiedene Musikstile und Songwritertechniken ausprobieren. Einige gelungene Instrumentalstücke wie das kollektiv erarbeitete "Main Theme" und "More Blues", sowie "A Spanish Piece" von Gilmour sind wichtige Bausteine für den weiteren Werdegang von Pink Floyd, das Album somit besser als sein Ruf. Unterschätzt "Music from the film More" bloß nicht!

Wolken im Hochland

Eine Pink Floyd Ewigkeit später (drei Erdenjahre) bat Barbet Schroeder die Band erneut eine Filmmusik für ihn zu erarbeiten. Der Kinofilm "La Vallée" handelt von einer gelangweilten französischen Diplomatengattin, dargestellt von Bulle Ogier, die in einem unentdeckten, nebelverhangenen Urwaldgebiet in Papua-Neuguinea nicht nur das Paradies zu finden hofft, sondern auch ihr Bewusstsein erweitern und sich sexuell befreien möchte. Die Wolken im Hochland stehen dabei Pate für den musikalischen Zugang von Pink Floyd, die ja in dieser Phase bereits ziemlich knapp an einem ihrer ganz großen Meisterwerke hin arbeiteten, "The Dark Side Of The Moon". Manche der 10 Tracks von "Obscured By The Clouds" sind relative Introvertiertheiten, manche wie der Rocker "The Gold It's In The..." und die Hit-Single "Free Four" mit Textzeilen wie "Life is a short warm moment / And death is a long cold rest", freilich nicht. Sphärische Klangschattierungen und große Melodien geben sich hier die Hand, wenig überraschend daher, dass "Obscured By The Clouds" ihr bis dahin größter kommerzieller Erfolg wurde.

Rau und spontan

Brauchte Pink Floyd für "More" ganze acht Tage, so benötigte die Band für "Obscured By The Clouds" zwei Wochen, dementsprechend rau und spontan wirken beide Soundtracks. Neu auf "Obscured By The Clouds" war die erstmalige Verwendung eines Synthesizers, und im Gegensatz zu "More" hört man hier eine Band, die bereits sehr wohl wusste wo sie sind und wo sie hin wollen. Den typischen Pink Floyd Sound (oder was man heutzutage halt als typischen Pink Floyd Sound hält) kreierten sie allerdings im Instrumental "Mudmen". Eine echte Schlammpackungskur, die musikalisch voll aufgeht. "Childhood's End" wiederum bezieht sich auf den gleichnamigen Roman von Arthur C. Clarke (auf deutsch heißt er "Die letzte Generation"). "Who are you and who am I to say we know the reason why / Some are born some men die beneath one infinite sky / There'll be war there'll be peace but everything one day will cease", singt David Gilmour (er schrieb auch den Song) und dockt sich hier direkt in den Roman ein, der mit dem plötzlichen Auftauchen großer außerirdischer Raumschiffe über den Großstädten der Erde beginnt (Roland Emmerich wiederum ließ sich von dieser Szene für sein Kinofilmspektakel "Independence Day" beeinflussen), und mit dem Aufstieg der menschlichen Rasse auf einer höheren Daseinsstufe endet. Mit dem Gesang des Naturvolks von Papua-Neuguinea klingt das Album aus. //

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Text: Manfred Horak
Foto
: Hipgnosis

Pink Floyd: Music from the film More
Musik: @@@@@
Klang: @@@@@
Label/Vertrieb: EMI (1969; Remastered 2011)

Pink Floyd: Obscured By Clouds
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Klang: @@@@@
Label/Vertrieb: EMI (1972; Remastered 2011)

Pink Floyd Discovery: Alle 14 Alben im Box-Set
Musik: @ bis @@@@@@
Klang: @@@@ bis @@@@@@