Am 21. Juni 2007 starb Georg Danzer. Er fehlt immer noch. Als Mensch, Sänger und Musiker. Als Stimme der Vernunft. Als Moralist und politisch denkende Persönlichkeit. Als, ach, noch so viel mehr.

Georg Danzer hat ein in sich erstaunlich geschlossenes Gesamtwerk hinterlassen. Zu dieser Erkenntnis gelangt man beim Durchhören seiner 27 Studio-Alben, die seit Oktober 2011 - zum Teil erstmals - auf CD vorliegen. Manfred Horak nahm sich das Gesamtoeuvre von Georg Danzer (1946-2007) erneut genauer unter die Lupe. Teil 1 handelt von den mittleren Jahren, als die Georg Danzer Band auch international für Aufsehen sorgte. 1979 fand Danzer eine Band-Besetzung, mit denen er in sechs Jahren ebenso viele Studio-Alben einspielte, beginnend mit "Notausgang", endend mit "Menschliche Wärme" (1984) und dazwischen gab es "Traurig aber wahr", "Ruhe vor dem Sturm", "Jetzt oder nie", "Und so weiter", sowie zwei Live-Alben - das Doppel-Album "Tournee 79" und "Direkt" - die aber leider nicht in der CD Remastered Edition berücksichtigt wurden.

Die Georg Danzer Band

An Georg Danzers Seite zu hören waren die Herren Eberhard 'Bär' Wieland (Tasteninstrumente), Michael Gechter (Gitarren, Violine), Earl Bostik (Bass), Frank Lüdeke (Saxofon, Flöte) und Olav Gustafsson (Schlagzeug). Eine eigene Handschrift war schnell vorhanden, ihr kräftiger Sound und ihr Variantenreichtum blieben stets auf hohem Level und dass sie es tatsächlich schafften sich nicht zu wiederholen kann man ihnen gar nicht hoch genug anrechnen. Da sprühen förmlich die Funken zwischen Danzer und der Band, da gibt's ein Hochschaukeln, das geht ab. Das klingt auch heute noch alles sehr leiwaund, den klugen Arrangements sei es gedankt, die, mit ganz wenigen Ausnahmen, die böse Zeitgeistsoundfalle der 1980er Jahre gekonnt umkurvten.

Sei so gut, zeig mir den Weg, wenn du kannst...

Diese sechs Alben setzten nicht nur herausragende musikalische Akzente, sondern auch was die Texte anbelangt befand sich Georg Danzer auf einem unheimlichen Trip. Egal, welches Thema er anpackte, das alles hatte Hand und Fuß, die Texte strotzten nur so vor Zärtlichkeit und Wut, politischen Statements und Beziehungstexten, Sehnsucht und tiefen Gefühlen. In diesen sechs Jahren wuchs er zu einem der führenden poetischen Kräfte im deutschsprachigen Raum, mit Liedtexten, die, ähnlich wie bei den Texten von John Lennon  und Bob Dylan, weltbezogen und befreit vom Tagesgeschehen, uns gesellschaftspolitisch denkenden Menschen bis ins tiefste Innere hinein bewegten. Er gab uns in seinen Texten jene menschliche Wärme, die wir seit jeher bei den Politikern vermissen. Er hat uns den Notausgang gezeigt und Utopien entwickelt, die Mächtigen durchschaut und uns an der Nase genommen, dass es nur an uns liegt, dass die Wöd im Dreck dastickt. Diese sechs Alben bilden das Herzstück im Oeuvre von Georg Danzer mit unvergesslichen und bis heute wichtigen Songs.

...Wo ist denn hier der Notausgang?

"Notausgang" (1979), das Album mit dem verdrehten Zeigefinger am Cover, das in Folge übrigens zum Logo für die Georg Danzer Band wurde, überzeugt vor allem mit der sensationellen ersten Album-Seite, einleitend mit dem dylanesken Titellied, das zu den allerbesten Liedern von Danzer gezählt werden kann. Hier baut er mit Zynismus eine melancholische Stimmung auf; er träumt von einem zufriedenen Leben, macht einen Spaziergang und gelangt zur Erkenntnis "na wenn das hier das Leben ist / dann hat man uns ganz schön gelinkt / aber niemand ist zuständig / niemand hat Schuld / wir sind halt alle nur ein wenig krank / sei so gut, zeig mir den Weg, wenn du kannst! / Wo ist denn hier der Notausgang?" Musikalisch kommt es wie eine leichte Brise daher - mit einer flotten Melodie, die einem auch nach mehr als 30 Jahren gut gefällt. "Kein Benzin" ist ein Spaßlied mit ernstem Hintergrund, Stichwort Ölkrise und "Oide, lass mi ned im Reg'n schdeh" ist eines jener Dialektballaden von Danzer, von denen man einfach nicht genug bekommen kann. Musikalisch hochinteressant ist "Komm zurück zu mir", das auch als Single veröffentlicht wurde und zudem als B-Seite von "Hurt Me Baby" ("Bitte tu mir weh") in der englischen Version "Please Come Back To Me". Hier stehen eindeutig die frühen Dire Straits als Pate, der Gitarrist Michael Gechter könnte hier glatt als Mark Knopfler durchgehen, Musik und Text stammen freilich von Georg Danzer. Ein Blick in die Tristesse eines alten Mannes macht Danzer in "Abschied für immer". Der Mann wartet im alten schwarzen Anzug auf seinen Sohn, der ihn ins Altersheim bringen wird. "Dort bist du unter Deinesgleichen", wird er später von seinem Sohn zu hören bekommen, während in der Küche der alte Wasserhahn tropft. "Dort wirst du regelrecht verwöhnt / von all den hübschen jungen Schwestern / ich würd am liebsten mit dir tauschen... / wenn ich könnt!" Karg und traurig. Alles ganz anders bei " Bitte tu mir weh", das es, wie oben erwähnt, auch in einer englischen Textversion auf Single gibt. Ein harter Rhythmus, Funk-Bass, stechend und flirrend der Einsatz von Gitarre und Keyboard, dazu der quälende Gesang und fertig ist eines der besten schmutzigen Lieder von Danzer. "Liag mi ned au" ist der zweite Dialektsong auf dem Album und definitiv ein weiterer Klassiker. Karibisches Flair strahlt "Abends an der Brücke" aus. Ein lockerer Rhythmus umrahmt die Geschichte des Ich-Erzählers, der sich mit jemandem verabredet hat - ob Mann oder Frau bleibt unklar. Von daher zweideutig die finalen Textzeilen "und du sagst zu mir: na schön / komm, lass uns an das andre Ufer gehn". Etwas gewöhnungsbedürftig hingegen der Rausschmeißer des Albums, "Hinter'm blauen Vorhang". Musikalisch allerdings ist das Lied eine Wucht, die Band liefert hier eine feine Performance ab und der Saxophonist Frank Lüdeke lässt das Album mit einem schönen Saxophonsolo ausklingen. Die remastered CD kommt an und für sich mit einem ganz passablen Klangbild daher, wenn auch etwas zu basslastig abgemischt - mit der originalen Vinyl-Ausgabe kann diese CD-Veröffentlichung bei weitem nicht mithalten. Enttäuschend bei der gesamten Georg Danzer remastered CD Edition ist das Design, da, aus welchen Gründen auch immer, beschlossen wurde, das jeweilige Booklet nicht der Erstveröffentlichung anzugleichen. Komisch. Wie es mit der Georg Danzer Band weiterging könnt ihr in TEIL 2 und TEIL 3 lesen, sowie in TEIL 4 nachhören.  //

Text: Manfred Horak
Foto: Innenhülle von der LP "Notausgang")

CD-Tipp:
Georg Danzer: Notausgang
Musik: @@@@@@
Klang: @@@@@
Label/Vertrieb: Polydor/Universal (1979; Digitally Remastered 2011)

Veranstaltung:
Gedenkabend "Tribute To Georg Danzer"
mit Matthias Kempf u.a.
23.6.2017 (Beginn: 19 Uhr)
Café ARENA BAR, Margaretenstraße 117, 1050 Wien

Link-Tipps:
Interview mit Georg Danzer aus dem Jahr 2003
Podcast Interview mit Georg Danzer aus dem Jahr 2007