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mike-scharf-2012-000001Mike Scharf ist in Australien geboren. Dieses Detail seiner Vita mag ob der Tatsache, dass er bereits mit vier Jahren nach Österreich gezogen ist und heute mit Frau und Kindern in Wien lebt, unbedeutend erscheinen, in Wahrheit ist aber genau jenes Gefühl des fern seins, des nicht daheim seins, wesentlich für Scharfs Drang, sich musikalisch auszudrücken.

 

Alles, was Scharf unter einem zu Hause versteht, findet man auch in seiner Musik. Da ist zunächst einmal die stilistische Vielfalt, denn Scharf ist im Groove und im Funk ebenso zu Hause wie in der brasilianischen Musik. Dann aber auch dieser stumme Abtausch seiner Band, in dem keiner zu sehr hervorsticht, in dem sogar Scharf selbst am liebsten mit dem großen Ganzen, mit dem Ensembleklang verschmilzt. Natürlich bieten seine Stücke genügend Platz für wunderschöne Soli. Kraftvolle Aufdringlichkeit, wuchtige Selbstdarstellung findet man auf "Songbook One" aber nicht. Denn so sehr Scharfs Debüt CD auch ein mit liebevollen Details und klingenden Namen geschmücktes Konzeptalbum ist - da finden sich Idole wie Alegre Correa ebenso wie die hoffnungsvolle Newcomerin Julia Siedl (Klavier) oder die etablierte Bassistin Gina Schwarz - die Musik transportiert vor allem eines - Wohlklang und Harmonie.
Scharf, der sich durch ein Kompositionsstudium, wie er sagt, nicht die "Naivität für die Musik" verderben wollte, liebt es, seine Texte rhythmisch zu unterlegen, und ist stilistisch eher im smoothen Groove eines Al Jarreau oder eines George Benson verwurzelt. Fast ist es so, als ob uns die Musik und die stark philosophischen Texte auf eine romantische Mondscheinwanderung mitnehmen wollen. Über sein Bedürfnis, in seiner Musik einen traumartigen Zustand auszudrücken, und darüber, wie man das in einer so eng strukturierten Musik wie Jazz schaffen kann, erzählt Mike Scharf, der beim heimischen "Master of Funk" Christian Havel studiert hat, Denise Riedlinger im Interview.

Kulturwoche.at: Mike, schön endlich Dein Debüt in den Händen zu halten! Deine Texte erzählen viel von so großen Themen wie schicksalshafter Liebe, der Nähe in Beziehungen, oder der Sehnsucht nach dem Paradies. Ist das nicht etwas sehr philosophisch für einen Jazz Musiker?

Mike Scharf: Irgendwie hat sich das so ergeben, dass Beziehungen, meine nächsten und vertrautesten Beziehungen, eine große Rolle gespielt haben, als ich die Stücke schrieb. Ich habe eine starke Verbundenheit zwischen der Musik und meinem Leben gespürt.
Was das philosophische angeht - das ist für mich eine ständige Herausforderung. Ich versuche mit Songs wie "Land of Love" sehr wohl einen schwebenden, fast tranceartigen Zustand herzustellen. Ich würde die Musik als transzendent mit Intellekt beschreiben. Etwas, das mit mir passiert, während ich spiele und den Klang beeinflusst. Ich habe im Bewussten oft eine Distanz zu den Dingen, die sich aber in der Musik wieder auflöst. Alegre Correa, der auf einem meiner Songs zu hören ist, was mich wahnsinnig freut, ist für mich da ein Vorbild. Er hat, meine ich, einen fast religiösen Zugang zur Musik, in dem auch die Liebe, oder weniger pathetisch, Sympathie für andere Menschen, eine Rolle spielt. Ich habe seine CD "Terra Magica" wohl an die tausend Mal gehört.

Wie hat sich dieser Zugang zum intuitiven Zusammenspiel für Euch im Studio auf die Aufnahme ausgewirkt?


Wir haben im Studio erstaunlich wenig gesprochen und erstaunlich viel Musik gemacht. Mir war es sehr wichtig, jedem der Musiker, die ich alle für ihr Know-how und ihre Professionalität sehr schätze, viel Spielraum zu lassen. Es ist ein Versuch große Freiheit zu haben im Prozess des Songschreibens, des Spielens, das Ego hinten anzustellen. Das ist für mich, wenn es gelingt, das Schönste.

Mit Caroline de Rooij und Patrizia Ferrara hast Du starke Stimmen für Dein Debüt gewonnen. Wie wichtig ist Dir der Gesang?

Ich muss zugeben, dass ich mit Gesang eher kritisch bin. Die Vocals sind für mich eine wichtige Basis, die müssen grooven. Caroline de Rooij und Patrizia Ferrara, die in meiner Band singen, und Leni Lust, mit der ich das Duo "Wer hat die Stern gemalt" eingespielt habe, haben jede auf ihre Art perfekt gesungen. Ich würde sicher einiges anders singen, aber das ist nicht das wichtigste. Wichtig ist, ob eine Geschichte erzählt wird. Beim Geschichten erzählen hat mir auch die Zusammenarbeit mit dem Dichter Peter Waugh geholfen, der für vier Songs die Texte zu meiner Musik geschrieben hat. "Painting Time" etwa ist durch ihn einer meiner Lieblingstunes geworden.

(Das Interview führte Denise Riedlinger)


mike-scharf-songbook-one-00002CD-Tipp:
Michael Scharf & Urban Dreamtime: Songbook One
Musik: @@@@
Klang: @@@@
Label/Vertrieb: Urban Dreamtime Records (2011)
Zu kaufen auch auf Crackshop.at
 


Link-Tipps:

Mike Scharf: Songbook One (CD-Kritik)
Interview mit Julia Siedl
Interview mit Caroline de Rooij
Mike Scharf


Die Besetzung:

Mike Scharf- guitar
Herwig Gradischnig - saxophone
Julia Siedl - piano
Gina Schwarz- bass
Harry Tanschek- drums