Der seit Dekaden maßgebliche Jazzgitarrist Pat Metheny formierte mit Chris Potter (sax), Ben Williams (b) und Antonio Sanchez (dr) die Unity Band und stand Kulturwoche.at für ein Interview zur Verfügung.
Kulturwoche.at: Mr.Metheny, die Tour mit der "Unity Band" Chris Potter, Ben Williams und Antonio Sanchez und mit neuen Kompositionen hat vor Kurzem begonnen. Wie sind Ihre ersten Erfahrungen mit den Konzerten in New York und wird es mit dieser Formation auch ein neues Album geben?
Pat Metheny: Über all die Jahre habe ich einige Alben mit Musikern wie Michael Brecker, Joshua Redman, Gary Thomas, Tony Williams oder Kenny Garrett aufgenommen - Musiker, die wahrlich spielen können und mit denen ich innerhalb weniger Tage etwas Spezielles zustande bringen konnte. Letztendlich habe ich aber nur ein Album gemacht, das meinen eigenen Vorstellungen entsprach, nämlich "80/81", das vermutlich auch ein maßgebliches Album gewesen ist, einschließlich einiger Aufnahmen, die ich mit diesen Leuten gemacht habe. Ich habe Chris Potter lange bewundert und hörte ihn einige Male in den letzten paar Jahren, wo ich völlig begeistert war, wie sehr er sich zu einer wahren Musikgröße entwickelt hatte. Mittlerweile ist er auf unserem Planeten einer jener Musiker mit der größten Power. So dachte ich also, dass es großen Spaß machen würde, um uns beide herum ein Projekt auf die Beine zu stellen. Antonio Sanchez und ich haben seit etwa 13 Jahren eine gute Verbindung und er ist einer meiner Lieblingsschlagzeuger und Ben Williams ist ein aufregender neuer Bassist in der Szene. Wir haben jetzt ein paar Gigs gespielt, und es ist sogar besser, als ich es mir jemals hätte vorstellen können. Das Album, das wir ca. einen Monat nach den Auftritten mit all der Musik, die ich für die Jungs schrieb, eingespielt haben ist ebenfalls bereits fertig und es ist wunderbar geworden. Ich bin wirklich überall das begeistert.
Neben dem aktuellen Projekt warten viele Fans auch auf ein neues PMG Album. Gibt es da bereits Pläne mit Lyle Mays?
Ja, ich warte auch schon drauf und es wird bestimmt bald wieder ein PMG Album geben. Ich habe aber derart viele Ideen, die ich realisieren möchte, z.B. ein Album mit Brad Mehldau aufnehmen, ein weiteres Orchestrion Album, etwas im Trio - und von daher weiß ich noch nicht, was als Nächstes kommen wird.
Nach so vielen Jahren auf Tour: Gibt es einen speziellen Ort oder eine Gegend, wohin Sie besonders gerne zurückkehren (ausgenommen nach Hause und Italien)?
Nein, mir wurde nämlich bewusst, was es bedeutet, in solchem Maße für ein Publikum live zu spielen, sodass jeder Tag an dem ich spiele, für mich wie eine heilige Messe oder so etwas Ähnliches ist. Dass ich das Privileg habe, so viele interessante Städte in der ganzen Welt kennenzulernen, steigert dieses Gefühl, es nicht für allzu selbstverständlich zu halten.
Sie haben Musik für verschiedene Filme, wie z.B. "The falcon and the snowman" komponiert. Sind Sie weiterhin an Filmmusik interessiert, und wenn ja: Gibt es Regisseure/Produzenten, mit denen Sie besonders gerne zusammenarbeiten möchten?
Nach acht bis zehn Filmmusiken in all den Jahren, stellte ich fest, dass es eine Menge Zeit benötigt, eine Filmmusik zu erarbeiten - in der gleichen Zeit könnte ich ein eigenes Album und eine Tournee nach meinem Geschmack realisieren. So wurde für mich die Filmmusik immer uninteressanter, weil ich einfach immer glücklicher wurde, je mehr Live-Konzerte ich spielte. Anders formuliert: Ich erhalte weiterhin viele Angebote für unterschiedliche Projekte und falls mich mal etwas sehr interessiert, könnte es auch sein, dass ich ein solches Projekt annehme.
Da ja viele Ihrer Kompositionen sehr bildhaft sind: Könnten Sie sich vorstellen, sozusagen anders herum, dass ein Regisseur einen Film basierend auf Ihrer Musik macht?
Nun, das würde mich sehr interessieren. Für einige würde es eine echte Herausforderung sein, denke ich.
Thema Film und Ihr Orchestrion - was für ein Zufall: Der letzte Scorsese Film Hugo Cabret handelt ebenfalls von einem Automaten. Glauben Sie an eine Renaissance von mechanischen Maschinen in unserer digitalen Welt, nicht zuletzt in Musik und allgemein in Erfindungen?
Seit mehr als 40 Jahren beschäftige ich mich der Musik wegen intensiv mit Elektronik. Ich glaube fest daran, dass Musik, die aus den Lautsprechern kommt, dermaßen stark limitiert ist, wie es ein direkter akustischer Sound niemals erfährt. Aber ich glaube auch, dass die Computertechnologie in dieser Hinsicht ein Durchbruch ist. Allerdings kratzen wir derzeit noch nur an der Oberfläche dessen, was möglich sein kann. Prinzipiell glaube ich, dass es eine natürliche Synergie zwischen akustischer Musik und den digitalen Möglichkeiten des 21. Jahrhunderts gibt - da steckt ein riesiges Potenzial dahinter und ist noch nahezu unerforscht.
Das Orchestrion Project erscheint auch auf DVD. Was war Ihre Intention dabei? Wie und wo wurde es gefilmt?
Ich wollte es dokumentiert wissen, und sehen wo ich musikalisch war, nachdem ich mehr als 100 Konzerte in der ganzen Welt aufführte. Gefilmt wurde es in derselben Kirche, in der ich das Orchestrion in der Entwicklungsphase zusammenstellte. Gefilmt wurde es im 3D-IMAX-Format, aber ich weiß nicht, ob es irgendwo die Möglichkeit gibt es in einem IMAX-Kino zu zeigen. Vielleicht ergibt es sich ja.
Ich hoffe, die letzte Frage ist nicht zu unseriös für Sie, Mr. Metheny: Ist das Alligator-Stofftier im (Orchestrion) Studio eine Reminiszenz Ihrer frühen Jahre an der Miami Universität? Falls dem so ist: Wie wichtig sind generell Reminiszenzen für Sie als Musiker, um neue Musikstücke zu kreieren?
Der Alligator ist seit der Geburt meiner Söhne vor 13 Jahren in unserem Haus und wurde uns ein enger Kumpel. Generell halte ich nicht an Erinnerungsstücken fest, hänge aber an meiner original Gibson ES175, meiner ersten echten Gitarre.
Interview: Alexandra Täubler und Manfred Horak (Juni 2012).
Link-Tipp:
Konzertkritik: Pat Metheny Unity Band live im Konzerthaus