paul-mccartney-27062013Der Repertoirewert der Setlist war praktisch unbezahlbar und selbst wenn man die bestenfalls mittelmäßige Akustik vom Ernst-Happel-Stadion berücksichtigt bescherte Paul McCartney dem Wiener Publikum am 27.6.2013 ein großes Spektakel mit enormem Unterhaltungsfaktor.

Mit einem Beatles-Klassiker ("Eight Days A Week") begann die dreistündige musikalische Tour de Force mit all ihren übergroßen Liedern - und mit der "Abbey Road" Trilogie "Golden Slumbers/Carry That Weight/The End" schloss dieser großartige Liederabend. Dazwischen gab es 26 Lieder aus dem Beatles-Katalog, acht Lieder aus dem Wings-Katalog und mit "My Valentine", "Here Today", "Maybe I'm Amazed", "Ram On" und "Another Day" fünf Songs aus seinen Solo-Alben "McCartney" (1970), "Ram" (1971), "Tug of War" (1982) und "Kisses on the Bottom" (2012). Mehr als bemerkenswert die Erkenntnis wie homogen ein solcher Querschnitt wirkt. Und fast noch bemerkenswerter die Energie des mittlerweile 71-jährigen Jünglings. Keine Spur von Müdigkeit, und schon gar nicht in der Darbietung der bis zu 50 Jahre alten Lieder, denn Paul McCartney und Band wissen ganz einfach, wie es geht die Lieder frisch zu halten, einen neuen Drive zu zünden, die Dynamik der Songs mit größt möglicher Sensibilität in die Gegenwart zu hieven - und es sind ja nicht irgendwelche Lieder, sondern quasi die Quintessenz der Popularkultur. Mit seinen charmant zu bezeichnenden Deutschkenntnissen unterhielt er zudem das Publikum und trug so unwillkürlich dazu bei, dass die Stimmung während dieser drei Stunden nie zum Erliegen kam. Neben den spaßigen Deutschmoderationen erzählte Paul McCartney auch einige Anekdoten, z.B. wie es zum Beatles-Lied "Blackbird" kam. Apropos Bürgerrechte: Während der Performance von "Back in the U.S.S.R." gab es auf der Videowall die unmissverständliche Botschaft und Aufforderung Free Pussy Riot! zu lesen.

Party-Stimmung mit Charakter und Niveau

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Die spielfreudige Band an seiner Seite - die Herren Rusty Anderson (Gitarren), Paul Wickens (Keyboards, Harmonica), Brian Ray (Bass, Gitarren) und Abe Laboriel, Jr. (Drums) - rockte ohne Umschweife auf einem unglaublich hohen Niveau und schuf gekonnt die vielschichtigen Klangräume aus der Feder von Sir Paul zum Live-Erlebnis par excellence. Der Meister selbst griff zum Bass, zur Akustik- und E-Gitarre und spielte auch am Piano und die Ukulele. Solo-Einlagen (u.a. "Blackbird" und "Yesterday") und seine großen Balladen wie z.B. "Let it be" und "Hey Jude" durften da natürlich nicht fehlen. Mit einer wunderbaren Version von "Something" zollte er seinem verstorbenen Freund George Harrison Tribute, "Here Today" widmete er dem ermordeten John Lennon (der Song handelt von seiner Beziehung zu John Lennon), "Maybe I'm Amazed" erinnerte an seine große Liebe Linda McCartney und im Wings-Song "Let Me Roll It" baute McCartney Teile aus "Foxy Lady" von Jimi Hendrix ein. Ach ja, und es gab sogar, wie McCartney anmerkte, Österreich-Premieren zu hören (u.a. "Lovely Rita") und einen Publikumswunsch, den er erfüllte ("Ram On"). Somit wissen wir nun also, was Paul McCartney zwischen den Auftritten macht - er studiert seine alten Set-Lists, so wie andere aktuelle Tour-Pläne. Übrigens: Nach 13 Konzerten in Brasilien und USA gab er nur drei Konzerte in Europa, und zwar in Warschau (Polen) und Verona (Italien). Der Wien-Auftritt war sein drittes und gleichzeitig letztes Konzert in Europa, bevor es im Rahmen seiner "Out There" Tour 2013 im Juli und August erneut nach USA und Kanada geht. Was bleibt sind drei erinnerungswürdige Stunden, die wie im Nu vergingen mit einem Füllhorn an gigantischen Liedern und einem praktisch unbezahlbaren Repertoirewert. Allesamt mit großer Bravour ohne Hang zur Sentimentalität ins Heute gebracht, verziert mit zahllosen Höhepunkten, allen voran "Band on the Run", "Let Me Roll It", "Mrs. Vandebilt", "All My Loving", "Something", "Hey Jude", "Helter Skelter", "Golden Slumbers/Carry That Weight/The End". Kniefall. Hut ab. (Text und Fotos: Manfred Horak)

Link-Tipps:
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Paul McCartney Music Player 

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