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lbl-logo-2013Ringsgwandl und Reinhard Mey rücken Manfred Maurenbrecher nahe, der zum dritten Mal in Folge die Liederbestenliste anführt. "Zeitenwechsel" von Johan Meijer wurde von der Jury zur CD des Monats gewählt, das Lied des Monats hingegen kommt von Barth/Roemer, deren "Mit im Tritt" neu auf Platz 9 eingestiegen ist.

Die Top 10 August 2013

1. (1.)       Manfred Maurenbrecher: Welt ist am Durchdrehen
                 aus: No Go (Label: Reptiphon)

2. (6.)       Ringsgwandl: Mehr Glanz!                                 
                 aus: Mehr Glanz! (Label: Capriola)
                 CD-Kritik

3. (10.)     Reinhard Mey: Dann mach's gut
                 aus: Dann mach's gut (Label: Odeon)

4. (3.)       Maike Rosa Vogel: So Leute wie ich                 
                 aus: Fünf Minuten (Label: Our Choice)

5. (4.)       Bernd Köhler und ewo²: Lied von der Macht
                 aus: Keine Wahl (Label: Jump Up)

6. (2.)       Jens-Paul Wollenberg & Pojechaly: Ballade am Kiosk
                 aus: Die 7-Schläfer sind erwacht (Label: Raumer Records)

7. (4.)       Wenzel: Meister des Kriegs
                 aus: Widersteh, so lang du's kannst (Label: Matrosenblau)

8. (8.)       Stiller Has: Böses Alter
                 aus: Böses Alter (Label: Sound Service)
                 CD-Kritik

9. (NEU)    Barth/Roemer: Mit im Tritt                 
                 aus: Groove Chanson (Label: Hey!Blau Records)

10. (9.)     Johan Meijer: Mensch, trau dich zu leben!                                 
                 aus: Liedermannen (Label: Nederossi)

Die CD des Monats August 2013

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Johan Meijer: Zeitenwechsel
Label: Nederossi

Wer einen wahrlich horizonterweiternden Einblick in die holde und nicht selten so zwiespältig betrachtete Kunst des “coverns” erhalten möchte, der ist gut beraten sich ausgiebig mit "Zeitenwechsel" zu beschäftigen. Denn das neue - ja, deutschsprachige - Album des Niederländers Johan Meijer zeigt eindrucksvoll wie schon lange kein Werk mehr auf, dass hinter einem Kopieren und Interpretieren eben auch eine Ehrung stehen kann. Und vermeintliche Einfallslosigkeit dann nicht weniger offenbart als einen frischen,  ganz eigenen Quell der Inspiration. Und sogar noch mehr. Sehr viel mehr. Denn richtig ist zwar, dass Meijer (der vom 4. bis zum 18. Lebensjahr in Deutschland aufwuchs, hier auch zur Schule gegangen ist und sich daher auch als "Kulturdeutscher" bezeichnet) hergegangen ist und sich seine 17 Stücke von anderen Musikern und aus diversen Regionen und Zeiten Europas geholt hat, um sie zusammen mit seiner Frau Diete Oudesluijs ins Deutsche zu übertragen und schließlich frisch einzuspielen. Richtig ist aber auch, dass es sich dabei fast ausnahmslos um  bewegende bis aufrüttelnde Songs handelt, auf die selbst versierte Liedermacherfreunde ohne Meijer kaum jemals gestoßen wären. Und das obwohl die meisten davon mitsamt ihren eigentlichen Erschaffern zum regionalen Kulturkanon diverser Gebiete unseres Kontinents gehören. [...] (David Wonschewski) GESAMTER TEXT

 

Die persönliche Lied-Empfehlung

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Barth/Roemer: Mit im Tritt
aus: Groove Chanson (Label: Hey!Blau Records)
Empfohlen von: Dieter Kindl, Kassel

[...] Barth/Roemer erzählen hier von einem Mitmenschen, dem wir vermutlich alle schon einmal begegnet sind. Einem, der die Kurve kratzt, die Segel streicht, sich vom Acker macht oder den Kopf in den Sand steckt, wenn es mal ernst wird. Einem, dessen Lebensmodell aus nichts sehen, nichts hören und nichts sagen besteht - wie bei den allseits bekannten drei Affen. Und folgerichtig heißt es auch im Refrain: "Halt dich bloß da raus / Mach bloß das Maul nicht auf / Lauf lieber mit im Tritt / Dann sieht die Welt gleich anders aus / Ne eigne Meinung ist ne Last / Besser wenn du erst gar keine hast". Die Art und Weise, wie Astrid Barth diese Zeilen gesanglich interpretiert, lassen allerdings keinen Zweifel aufkommen: Sie mag solche Menschen nicht. Es ist der leicht ironisierende Unterton in ihrer Stimme, der diese Zeilen ins Gegenteil umkehrt und die Hörer somit zum Nachdenken über das eigene Handeln auffordert. Begleitet wird sie dabei von Gitarrist Philipp Roemer, mit dem sie schon seit über zehn Jahren auf der Bühne steht. Roemer wird des Öfteren auch schon mal als "Einmann-Orchester" bezeichnet. Und auch wenn ihm im Duo diese Rolle zwangsläufig immer wieder zufällt - ist das allerdings nur die halbe Wahrheit. Denn ab und zu verleiht er dem einen oder anderen Song zudem das stimmige Background-Sahnehäubchen. So auch bei "Mit im Tritt", bei dem außerdem noch Schlagwerker Thomas Meixner für den dezenten Einsatz von Perkussions-Instrumenten sorgt. [...] GESAMTER TEXT 

Die persönliche CD-Empfehlung

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Maike Rosa Vogel: Fünf Minuten (Label: Our Choice/Rough Trade)
Empfohlen von: Harald Justin, Wien

"Verrecke, du rote Sau!" Für fünf Sekunden hatte ich keine Angst vor gar nix, damals 1969, als mir ein Polizist in Oberhausen seine Pistole auf die Stirn drückte. „Schieß doch, Bulle!“ Hallo, ich war dreizehn Jahre alt und hatte ja noch nichts zu verlieren. Theoretisch hätte ich so berühmt wie Benno Ohnesorg werden können. Er drückte ab, doch im Praxistest verfehlte sein Schießgerät ihr Ziel. Der Polizist ist heute dank natürlicher Auslese längst von uns gegangen, aber mir blieb jahrelang eine von Schmauchspuren grau verfärbte Narbe auf der Stirn. All die Wut der frühen Jahre, heute natürlich längst vergessen. Fast jedenfalls, wenn nicht Tag für Tag die Nachrichten Bilder von jungen Menschen aus aller Welt zeigen würde, die sich angstfrei Panzern und staatlichen Ordnungskräften in den Weg stellen.

Und eben dann kommt diese Maike Rosa Vogel daher, schlägt ihre Gitarre mit dem silbrigen Klang, ganz wie einst Dylan, unterlegt von einem Orgelsound, "really cheesy", eben wie bei Dylan Jahrgang Highway 61 Revisited, und sie singt von eben jenen magischen, nun ja, "fünf Minuten", die manchmal nur Sekunden dauern, aber lebenslang wirken. "Wir hatten nie genug Geld/Und haben fast alles kaputt gemacht/Wir haben geraucht wie kleine Schlote/Und waren viel draußen in der Nacht/Man kann Filme drüber machen/Die einem keiner glaubt/Und Lieder drüber schreiben/Die klingen wie geklaut/Für fünf Minuten hatte ich keine Angst/Vor gar nichts/Wer kann das schon von sich behaupten." Keine Angst vor gar nix, dieses wilde Leben der Freiheit in der Nacht. Fünf Sekunden, fünf Minuten keine Angst zu haben, das kann ganz schön dumm enden. Sollte man trotzdem einmal ausprobieren.

Ein sehr jugendgefährdendes Lied. Auch für ältere Hörer nicht unbedingt ohne Komplikationen zu hören. Sven Regener hat das Album rund um den Titelsong produziert. 

Und wenn Maike Rosa Vogel in dreizehn Stücken das Hohelied des trotzig-juvenilen Abenteuers besingt, vertont sie nicht nur Texte, sondern lässt sich singen. Was das heißt, muss man hören: Langsam entwickelt sich, wie im Titelsong, Lied für Lied das, was man im englischsprachigen Raum einen Groove nennen würde. Sie schwingt sich mit aller Dynamik ihrer Stimme auf eben diesen Groove ein, schleift gar die deutsche Sprache mitsamt ihren festgeschriebenen Betonungen, um sich dem Rhythmus der Musik hinzugeben. Sie hat eben keine Angst vor gar nix, noch nicht einmal vor der Musik. "Fehler machen und nicht wirklich stolz drauf zu sein." Richtig, Freiheit ist, wenn man nichts zu verlieren hat, und Maike Rosa Vogel macht es anders als einige deutsche Liedermacher, die als Zuchtmeister der Musik mit ihren Texten das Reich der Töne zu disziplinieren versuchen. "Ich bin ein Hippie/und wollte immer einer sein", singt sie zu aufbrausend-auftrumpfenden Mariachi-Bläsern, und gibt sich und die Sprache dem Rhythmus hin. So geht Revolte. Widersinnig. Fünf Minuten ohne Angst können das Leben verändern.