mit den Schlagworten:

lbl-logo-2013Die Wahl ist geschlagen und eine Überraschung jagt die andere. Kein Stein bleibt auf dem anderen, also keine Platzierung blieb gleich. Die Hälfte der Top 10 Lieder sind neu in der Wertung. Und auch bei den vordersten Rängen gibt es einen Umsturz. Mit Aniada a Noar wird zudem einmal mehr eine Band aus Österreich von einem Juror (diesmal aus der Schweiz) empfohlen.

Die Top 10 Oktober 2013

1. (3.)       Maike Rosa Vogel: So Leute wie ich                 
                 aus: Fünf Minuten (Label: Our Choice)

2. (6.)       Barth/Roemer: Mit im Tritt                                  
                aus: Groove Chanson (Label: Hey!Blau Records)

3. (5.)      Johan Meijer: Sterben für Ideen
                aus: Zeitenwechsel (Label: Nederossi)

4. (2.)       Reinhard Mey: Dann mach's gut
                 aus: Dann mach's gut (Label: Odeon)

5. (1.)       Ringsgwandl: Mehr Glanz!                                 
                 aus: Mehr Glanz! (Label: Blankomusik)
                 CD-Kritik

6. (NEU)   Tempi Passati: Politiker Polka
                 aus: Ein Sommer geht langsam vorüber (Label: Tury Records)

7. (10.)     Bernd Köhler und ewo²: Lied von der Macht                
                aus: Keine Wahl (Label: Jump Up)

8. (NEU)   Matthias Brodowy: UFOs über Berlin
                 aus: Bis es euch gefällt (Label: Roof Records)

8. (NEU)   Dave de Bourg: Die Hymne des Unperfektseins
                aus: Wo du mich findest (Label: Mottow Soundz)

10. (NEU) Liederjan: Wankelmut
                 aus: Eins, zwei: Drei im Sauseschritt – Liederjan trifft auf Wilhelm Busch
                 (Label: Westpark)

10. (NEU) Christof Weiherer: Andersrum
                aus: A Liad, a Freiheit und a Watschn (Label: BSC Music)

Die CD des Monats Oktober 2013

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Manfred Pohlmann: gguggugg
Label: Eigenverlag

Pohlmanns bisherige Albenliste ist lang und umfasst die Musik von Mannijo, Aktionen mit Roger Siffer, die Arbeiter- und Freiheitslieder, alte Schlager, die Edelzwicker-Wiederveröffentlichung und das Doppelalbum seines 30jährigen Bühnenjubiläums. Nun, nach achtzehn Jahren Pause entstand ein sehr folkiges Liedermacher-Album. Die Grundstimmung von "gguggugg" ist eher ruhig und persönlich. "Ich habe mir viele Wünsche erfüllt bei meiner CD: Ein Streichquartett oder die Arbeit mit meinen lieben Weggefährten, den "Schmandelekker" aus Cochem", so Pohlmann. Deren letztes gemeinsames musikalisches Wirken war Pohlmanns Album "M" vor 18 Jahren. Yannick Monot und Harald Rutar haben nun die Lieder arrangiert, bei zwei Titeln war das Dirko Juchems Arbeit. Als Bonustitel gibt es eine Live-Version von "Margot leeft", ein Wiederhören mit "Venedig" und einen Beatboxtitel. "gguggugg" ist nominiert für den Preis der deutschen Schallplattenkritik (4/13) in der Kategorie "Lied und Song".

Die persönliche Lied-Empfehlung

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Aniada a Noar: Parce a mi

aus: Khult (Label: Eigenverlag)
Empfohlen von: Martin Steiner, Winterthur, Schweiz

Die Liederbestenliste steht für Lieder, die das radiotaugliche Format sprengen - für Lieder mit aktuellen, frechen, engagierten, kritischen und poetischen Texten. Aniada a Noar gebührt das Verdienst, genau solche Texte mit ihrer Volksmusik zu verbinden. Die steirische Gruppe ist leider immer noch ein Exot im Feld der alpenländischen "Moi haben wir's sauglatt auf der Alm-Folklore", mit der uns weisgemacht wird, wie die Musik im Alpenraum tönen und wie wir Alpenraumbewohner uns doch bitte fühlen sollen. Das Lied "Parce a mi" ist eine ins Steirische übertragene Vertonung eines Gedichts des Friulaners Leonardo Zanier. Es ist das Stoßgebet einer Frau, die allein im Bett liegt und Gott anfleht, ihre unsagbare Angst zu lindern. Die Balken des alten Holzhauses knarren. Die Nachbarn wohnen weit weg in diesen abgelegenen Höfen des Bergdorfs. "Hörst du mich denn, Gott?" Nicht einmal er scheint sie zu bemerken. Sie wagt sich nicht mal mehr, ihren Körper zu berühren, aus Furcht, laut herausschreien zu müssen. Die Bettlaken sind neu. Die kaufte sie sich mit dem Geld, das ihr Gatte nach Hause geschickt hatte. Schön sehen sie aus mit ihren Farben. Und frisch riechen sie. Nur fehlt darin der Geruch ihres Mannes - und zeigen kann sie ihm die Laken auch nicht. Eine Solostimme eröffnet das Lied, einsam, klagend. Im Refrain kommen zwei weitere Stimmen hinzu, dann folgen ein Akkordeon und eine Flöte. Die karge Instrumentierung und die Stimmen vermitteln eine ländliche, archaische Religiosität. Der Friaulisch gesungene Refrain lässt an Kirchenlieder denken (Friaulisch gehört zu den romanischen Sprachen, die auf Vulgärlatein beruhen). Die karge Sprache und die Auslassungen schaffen eine gedrückte, abgrundtiefe Stimmung. [...] GESAMTER TEXT 

Die persönliche CD-Empfehlung

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Manfred Pohlmann: gguggugg
Label: Eigenverlag
Empfohlen von: Stephan Rögner, Frankfurt am Main

Der allgemeine Eindruck, Musik und Politik hätten derzeit nichts mehr miteinander zu tun, wird glücklicherweise, wenn leider auch nur von einigen wenigen, widerlegt. Zu diesen wenigen gehört Manfred Pohlmann, ein rhein-, beziehungsweise mosel-fränkischer Mundartsänger. Der gelernte Schriftsetzer - und es gibt keinen Bleisatz mehr - schwärmt noch von seinen früheren Berufsjahren, lebt aber längst ausschließlich von seiner Musik. Zum 40-jährigen Bühnenjubiläum schenkte er sich ein eindeutiges Folkalbum. Drei Lieder handeln von Kuckuck, und so ist auch der Titel der CD erklärt. Und alle Lieder sind Geschichten, Erlebtes, das vor Tod und Schmerz nicht Halt macht, Nachdenkliches, um nicht zu sagen: Philosophisches. Knapp die Hälfte der Texte sind von Pohlmann, sehr persönlich gehalten und natürlich in Mundart. Das unverschnörkelte Booklet hilft beim Zuhören, denn manches Idiom muss man lesen, um zu wissen, was gemeint ist. Und hier erfährt man übrigens auch seine politische Richtung. Und die Arrangements stammen teils von ihm, auch von namhaften Leuten, und die Musiker, die man mit ihrem vielseitigen Instrumentarium hört, ja, die sind alle Profis. Klangvoll, und doch nicht überladen. Auch Wiener Weinlieder sind dabei, doch hier "klingt" keine mosel-, rhein- und weinselige Weinkönigin mit, sondern herzhafte Fröhlichkeit. Nicht seelische Ergüsse nahe einer Flasche Rotwein schmelzen im Ohr, auch nicht Phrasen und Worthülsen, sondern schlichte Erzählungen. Manfred Pohlmann nennt sich Folksänger, Unterhalter, Liederdichter und Kultureinfädler. Dass dieser heimatverliebte Weltbürger, der nie aufdringlich wird und bescheiden wirkt, die Gemeinschaft mit seinesgleichen in der AG Song suchte und fand und sich oftmals auf Burg Waldeck, dem Mekka der Liedermacher, den Beifall seiner Zuhörer holte, erfährt man zwar weder aus dem Booklet noch aus dem Internet, lässt aber auf Qualität schließen. Aber warum schrieb - sicher wohlüberlegt - Manfred Pohlmann "gguggugg" auch vorn mit zwei "g"? Ich weiß es nicht. Ich fragte auch nicht nach. Wenigstens ein Geheimnis muss ja wohl bleiben!