Das Singer-Songwriter Duo Christoph & Lollo feierte im Wiener Stadtsaal ihr 20-jähriges Bühnenjubiläum. In die Jahre gekommen sind sie dennoch nicht. Ein Revue-Bericht von Anne Aschenbrenner.
Zwischen den Stühlen sind sie zu Hause, zwischen den Zeilen haben sie ihre Lieder gebaut. Understatement ist ihr Programm, geblödelte Doppelconferencen ihr Markenzeichen: Christoph & Lollo feierten im Herbst 2015 zwanzig Jahre Bühnenjubiläum. Fast genau am Jahrestag ihres allerersten Konzerts - auf den Tag genau war nämlich im Stadtsaal kein Termin mehr frei - streunte das Singer-Song-Writer-Duo Lorenz "Lollo" Pichler und Christoph Drexler durch ihr mittlerweile umfangreiches Repertoire an zeitgeistigen und ungeistigen Liedern. Begleiten ließen sie sich durch KollegInnen und Weggefährten - als Geschenk an sich selbst gewissermaßen - denn eines stellte Lollo gleich zu Beginn des Konzerts klar: "Alles was wir tun, tun wir nur für uns".
So geht Legende
Begonnen hat alles am 18. April 1995, damit beginnt auch der Abend im noch dunklen Stadtsaal. Christoph Grissemann ist da zu hören, wie er im Salon Helga einen Song ankündigt - von zwei Burschen aus Wien Favoriten, die von ihrem Ersparten zwei CDs aufgenommen und eine davon ans Radio geschickt haben: "Schenk Frantisek Jez doch ein Lebkuchenherz". Wenige Monate später, im Oktober 1995 geben die beiden in einem Vorstadtbeisl ihr erstes Konzert - nun feiern sie singend und plaudernd ihr 20-jähriges Jubiläum im Stadtsaal. Kein Zweifel: so geht Legende. Eingeläutet hat "Frantiseks Lebkuchenherz" nicht nur die Karriere der beiden Künstler, die erst unlängst mit dem Salzburger Stier ausgezeichnet wurden, sondern vor allem ein neues Genre: die Schispringerlieder. Drei CDs voll Depressivem ("Janne") bis Manischem ("Funaki") etablierten Christoph & Lollo und projizierten alltägliche und weniger alltägliche Sorgen auf bekannte und weniger bekannte Schispringer. - Schispringer als Projektionsfläche brauchen sie nicht mehr, längst sind die beiden in eine Liedermacher-Liga gewechselt, die auch ohne Alleinstellungscontent die Säle füllt. "Das ist Rock'n'Roll" lautet der Titel des zuletzt erschienenen Albums. Mit "Seit ich ein Kind hab" singen sie darin Mittelschicht-Eltern aus den gutbürgerlichen Seelen: Stellenweise erinnert das Album an Rainald Grebe - stellenweise reicht es heran ("Heute koche ich"), stellenweise nicht ("In der Therme"). Ein bisserl Bobo, ein bisserl Klamauk, ein bisserl Gesellschaftskritik: das ist Rock'n'Roll im 21. Jahrhundert wie Christoph & Lollo es sehen.
Ein neuer Bühnenlebensabschnitt?
Die Bierkrügeln auf der Bühne sind handlichen Mineralwässerchen gewichen, Boulevard wie Feuilleton fragt um Interviews an, der Jubiläums-Abend im Stadtsaal folgt - als erster überhaupt - einem geregelten Ablauf und Christoph vergisst seinen Text fast nicht. Ist das der Beginn eines neuen Bühnenlebensabschnitts? Man muss den Fokus gar nicht schärfer stellen, um zu erkennen, dass sich an Christoph & Lollo im Grunde nichts geändert hat: die Hände in den Hosentaschen der eine, die Gitarre umklammernd, am Stockerl kauernd der andere, wirken sie in Jeans und T-Shirts auf der Bühne auch nach zwanzig Jahren wie zwei Halbwüchsige, die sich als Schulband zum Elternabendaufputz gemeldet haben, damit der Nachmittagsunterricht entfällt. Richtig gute Texte, und richtig gute Musik - nicht immer beides gleichzeitig - schleudern sie mit einer heldenhaften Leichtigkeit in den Saal, als wäre ihnen das alles soeben eingefallen und stellen im selben Atemzug den Fall vor den Hochmut: Seichte Schmähs alternierend mit Stammtischgeplänkel - das Zerstören der eigenen Pointen, der guten wie der schlechten, ist der Kehrvers, der den Konzerten liebgewonnene Tradition geworden ist. Seinen ganz persönlichen Karriere-Höhepunkt scheint Lollo während des Jubiläums-Konzerts gefunden zu haben, als er entdeckt, dass er mit dem Licht, das auf seine Gitarre fällt, das Publikum blenden kann. Dass Christoph & Lollo allem Understatement zum Trotz ausgezeichnete Musiker sind, zeigen vor allem die Gäste, die sie sich zum Geburtstag auf die Bühne geholt haben: Radeschnig, 5/8erl in Ehr'n, Sir Tralala, Hannes Ringlstetter und Petsch Moser haben ihre liebsten Christoph & Lollo Lieder gewählt und begleiten mit Violine, Klavier, Schlagzeug, E-Gitarren. Das gibt Altbekanntem neuen Anstrich, der Altes nicht verblassen, aber in anderem Licht sehen lässt und vor allem zeigt: Christoph & Lollo, Rock'n'Roll hin oder her, sind einfach gut. So gut, dass es Christoph, dem Textvergesser und Danebensinger, auf der Stadtsaal-Bühne ganz bange wird. Man hat schließlich einen schlechten Ruf zu verlieren.
Highlights und Vergessenes
Ein Streifzug durch 20 Jahre ist das Konzert zum Jubiläum, das längst nicht nur Highlights präsentiert, sondern - "damit es einfach mal gespielt wird" - auch beinah Vergessenes, scheinbar Unaktuelles, das sich dann erschreckend aktuell entpuppt, wie die monatlichen Zusammenfassungen des Tagesgeschehens für den TV-Sender Puls4, die "Hymnen" der Bundesparteien, die vor der Nationalratswahl 2013 entstanden sind oder Couplets, wie die "Moritat vom Kriegsminister de Latour". Auch Legendäres, Populäres wie "Diese Stadt gehört schon längst nicht mehr uns" und das "Islam" Lied, für das sie von links und rechts virtuelle YouTube-Watschen und bei Open Air Konzerten so manche Zwischenruf-Pöbeleien kassiert haben, finden sich auf der Best-Of-20-Jahre-Playlist. Mit "Wann geht der Karl Heinz endlich in Häfn" findet der Abend einen Höhepunkt, und - als der kurz untergetauchte Christoph mit einem Packen loser, abgenudelter Textblätter wieder auftaucht - mit "Funaki" schließlich auch einen traditionellen Ausklang. Als Zugabe und endgültiges Finale greifen Christoph & Lollo aber - Vorsicht: Ironie! - nach den Sternen, die die Lichttechniker auf den Stadtsaal-Plafond projizieren, zelebrieren mitsamt Gästetruppe und Publikum ein komplett verrücktes "Tornerò" Cover und machen als Schnulzen-Cowboys aus Santo Favoriten endgültig klar was hier gespielt wird: Musik mit Zwischentönen und jede Menge (Selbst)Ironie. Und der Zuversicht, dass es so bleiben wird. //
Text: Anne Aschenbrenner
Foto: Ingo Pertramer