Nach überstandener Krebserkrankung ist Melissa Etheridge wieder neu durchgestartet. Nach This is M.E. (2014) veröffentlicht die US-Sängerin mit Memphis Rock and Soul zehn starke Coverversionen und zwei Songs aus eigener Feder.

Kulturwoche.at: Hallo Melissa, das neue Album ist wieder sehr gut geworden! Wirst du damit auch in Europa touren?

Melissa Etheridge: Danke für das Kompliment! Ja, es ist geplant, dass es zwischen März und Mai eine Europa-Tournee geben soll. Ich hoffe, dass sich auch ein Termin in Österreich ausgeht. Ich kann mich an einige tolle Live-Shows in Wien und anderen Orten bei euch erinnern.

Auf dem Album This is M.E. hast du mit unterschiedlichen Produzenten zusammengearbeitet. Nach welchen Kriterien hast du diese ausgesucht?

Ich hatte eine lange Liste von Personen, mit denen ich gerne zusammenarbeiten wollte. Mit einigen habe ich dann Probeaufnahmen gemacht, und es war ein interessanter Prozess herauszufinden, mit wem ich im Studio am besten auf einer Wellenlänge bin. Mit Jon Levine (u.a. Produzent von Nelly Furtado, Anm.)  habe ich mich auf Anhieb sehr gut verstanden.  Mit Jerry 'Wonder' Duplessis (der u.a. "The Score" von The Fugees produziert hat, Anm.) hat die Zusammenarbeit so gut geklappt, dass ich Ihn und seine Studio-Band gleich mit auf Tour mitgenommen habe! Auch mit Jerod Bettis (Adele, One Rebublic; Anm.) bin ich gut klargekommen.

Ebenfalls mit an Bord war da die Cellistin Neyla Pekarek von der Folk-Band The Lumineers. Wie hast du sie kennengelernt?

Wir haben uns bei einer Silvester-Party kennengelernt und es stellte sich heraus, dass Neyla schon länger ein Fan meiner Musik ist. Noch dazu ist sie eine großartige Musikerin und ich wollte sie unbedingt auf meinem neuen Album dabeihaben. Glücklicherweise hatte sie dann auch genau an den zwei Tagen in Los Angeles Zeit, als ich dort im Studio war. Neyla hat dann bei den Aufnahmen nicht nur Cello gespielt, sondern beim Song "A Little Hard Hearted" auch mitgesungen! Sie hat wirklich eine tolle Stimme!

Besonders schön finde ich die Ballade "Who are we waiting for". Kannst du ein bisschen was über den Song erzählen?

Ja, gerne. Den Song habe ich für meine neue Partnerin Linda Wallem geschrieben. Ich setzte mich ans Klavier und schrieb darüber, dass wir viele Jahre gute Freunde waren und als es zwischen uns immer enger wurde, es wie 'Who are you waiting for? I'm right here!' war. Eine Demoversion des Stückes habe ich dann Jon Levine zugesendet. Jon war völlig von den Socken und sagte: "Du solltest mich vorwarnen, wenn du mir so etwas vorspielst (schmunzelt)!" Ich hatte die Idee, diesen Song dann auch für Linda bei unserer Hochzeit zu singen, und das war dann auch wirklich das erste Mal, dass der Song live aufgeführt wurde. Nicht nur darum ist dieser Song für mich etwas ganz Besonderes.

"Who are we waiting for" ist auch einer der wenigen Songs, den du am Klavier spielst. Schreibst du immer noch die meisten Songs auf der Gitarre?

Ja, eigentlich schreibe ich die meisten Songs auf der Gitarre. "A Little Hard Hearted" ist eigentlich auch am Klavier entstanden, aber als wir es dann im Studio aufnahmen, habe ich auf dem Stück Gitarre gespielt. Prinzipiell versuche ich auf jedem Album einen Piano-Song unterzubringen, weil das etwas ganz Spezielles für mich bedeutet. Die Art der Songs, die ich am Klavier komponiere ist anders als bei Liedern auf der Gitarre.

Das Cover-Design von "This is M.E." besteht aus hunderten kleinen einzelnen Fotos. Welche Idee steckt dahinter?

Wir wollten die Fans Teil haben lassen an der Cover-Gestaltung und machten dazu im Internet einen Aufruf. Jede(r) konnte ein persönliches Foto von sich einsenden, und aus diesen vielen verschiedenen Einzelbildern haben wir dann ein Foto von mir zusammengesetzt. Ich finde, damit wird der Album-Titel "This Is M.E." nochmal schön untermalt, denn zu meinem Erfolg gehören auch die Fans untrennbar dazu. Ohne sie wäre ich heute nicht, wo ich jetzt bin. Das drückt das Cover sehr schön aus.

In deinem professionellen Umfeld gibt es einige Veränderungen. Du hast dein Management gewechselt und dein eigenes Label gegründet. Warum?

Im Musik-Business hat sich in der letzten Zeit vieles geändert. Es hat sich die Art, wie die Leute Musik hören und wo und wie sie Musik kaufen, Stichwort Downloads, stark verändert. Mein neues Management hat mir neue Wege gezeigt, meine Musik zu promoten und mit den Fans in Kontakt zu treten. Und mit meinem eigenen Label habe ich auch erstmals die Möglichkeit, selbst die Rechte an meinen Songs zu besitzen. Wenn du bei einer Plattenfirma unter Vertrag bist, verdienst du nach allen Abzügen an deinen eigenen Alben wenig bis nichts. Jetzt mit dem Label bin ich unabhängig und das hat eben auch finanziell viele Vorteile. Für mich ist das wie ein kompletter Neustart.

Ich habe gehört, dass du auch an einem Box-Set mit unveröffentlichten Songs aus allen Phasen deiner Karriere arbeitest. Stimmt das?

An dem Box-Set habe ich vor einiger Zeit gearbeitet, und dabei auch einige wirkliche Perlen an unveröffentlichtem Material entdeckt, aber mein neues Management hat mir schnell klargemacht, dass ich damit nicht viel verdienen werde, da ich ja die Masters dieser ganzen Aufnahmen nicht selbst besitze, sondern meine ehemalige Plattenfirma. Ich möchte zuerst mal die Fans mit neuen Songs begeistern und habe das Box-Set deshalb vorerst auf Eis gelegt. Diese alten Aufnahmen von früher werden auf jeden Fall veröffentlicht, aber zu einem späteren Zeitpunkt.

Einige Zeit hast du in den USA auch deine eigene Radio-Show auf dem Sender KNLT betrieben. Bist du da noch aktiv?

Nein, nicht mehr. Die Radio-Show bzw. der Kontakt mit den Hörern hat mir aber sehr viel Spaß gemacht. Nach einiger Zeit jedoch habe ich gemerkt, dass die Arbeit daran zu zeitaufwendig ist. Zumal ich jetzt wieder regelmäßiger toure und viel unterwegs bin.

Im Jahr 2004 hast du mit deiner Brustkrebs-Erkrankung für Schlagzeilen gesorgt. Wie geht es dir jetzt gesundheitlich?

Danke, derzeit geht es mir sehr gut. Aber damals hatte ich echt eine harte Zeit. Die Chemo-Therapie hat mir ziemlich zugesetzt. Ich war davon sehr müde, hatte Übelkeit sowie Knochen- und Muskelschmerzen. Außerdem war ich total empfindlich gegenüber Licht und Geräuschen. Oft konnte ich nichts tun, als den ganzen Tag im Bett zu bleiben. Was ich daraus gelernt habe ist, dass du für deine Gesundheit immer selbst verantwortlich bist. Um die Krebs-Gefahr zu minimieren, ist es einfach wichtig, sich regelmäßig untersuchen zu lassen, gesund zu leben und auf seinen Körper zu achten.

Hat sich diese Erkenntnis auch auf deine neuen Songs ausgewirkt?

Auf jeden Fall! Ich war schon immer die Art von Künstlerin, deren Songs sehr persönlich sind. Die neuen Songs sind wieder sehr rockig, ehrlich und intensiv. Vielleicht gerade, weil es mir derzeit so gut geht und ich glücklich und gesund bin, sind die neuen Songs zum Teil die intensivsten und leidenschaftlichsten, die ich je geschrieben habe. //

Interview: Robert Fischer
Fotos: SPV Recordings / Melissa Etheridge