Gustavs "revolutionärer Frauenschlager", wie sie ihre Musik selbstironisch beschreibt, ist sowohl Memento mori der Geschichte der österreichischen Frauenbewegung, als auch der marxistischen Geschichtsschreibung von unten in Adornos und Benjamins Sinne.
Frei nach dem Motto "Revolution und Reue" bat Gustav & Band am 23.9.2017 im Rahmen des Vienna Humanities Festival zum Thema "100 Jahre Oktoberrevolution" zu einem Konzert ins ausverkaufte RadioKulturhaus. Der Abend stand großteils im Zeichen ihrer in Zusammenarbeit mit der Regisseurin Christine Eder entstandenen musikalischen Theaterkompositionen bzw. Theaterrearrangements zu "Alles Walzer, alles brennt" (Volkstheater 2016) und der "Proletenpassion 2015 ff" (Werk X 2015), einem ursprünglich von Heinz Rudolf Unger geschriebenen und von der Band Schmetterlinge rund um Willi Resetarits komponiertem Oratorium aus dem Jahr 1976, in dem es um die österreichische Geschichte aus der Perspektive der Unterdrückten geht.
Revolutionärer Frauenschlager
Ihr "revolutionärer Frauenschlager", wie sie ihre Musik selbstironisch beschreibt, ist sowohl Memento mori der Geschichte der österreichischen Frauenbewegung, als auch der marxistischen Geschichtsschreibung von unten in Adornos und Benjamins Sinne. So zum Beispiel der Hinweis auf den dreiwöchigen "Streik der 700" im Jahr 1893 in Wien Meidling, dem ersten österreichischen Frauenstreik durch Arbeiterinnen dreier Gumpendorfer Textilfabriken als Präludium zum Lied "Die Frauen der Kommune". Gustav hat ihre eigene Art Diskurspop zu machen, nämlich mit Frechheit und einer Doppelbödigkeit oder Gerissenheit, die von ihrer vermeintlich naiv-süßlichen Stimme und ihrem Charme beinahe konterkariert wird. Umso stärker ist die Wirkung: In der "Cold Turkey"-Manier kommen ihre scharfsinnigen und doppeldeutigen stets politischen Parolen und Bemerkungen im Kleid des Liedes oder Schlagers daher, unvermutet und paradox. Aber Zeit zum Nachdenken bleibt dennoch keine, schließlich "bewegt und dreht es sich stets weiter".
Rettet sie alle
Wie Benjamins Engel der Geschichte ist die Geschichte der Revolution nicht nur eine, an die stets erinnert werden muss, indem über Vergangenes geredet wird; der Sog der Zukunft zwingt dazu, der Gegenwart dialektisch zu begegnen anstatt in Nostalgie zu verharren. Gustavs Musik bleibt auch deshalb in traditionell linker Art und Weise stets ein Appell und ein Ausdruck einer Haltung, denn "Träumen vom Meer ist zu wenig" wie sie im Lied "Genua" singt, übrigens einer von nur drei Songs aus ihren früheren zwei Solo-Alben an diesem Abend. Völlig überraschend holt sie gegen Ende des Konzerts den gerade fürs Werk X tätigen Sänger Schorsch Kamerun für zwei gemeinsam performte Nummern der Goldenen Zitronen auf die Bühne, darunter "Wir verlassen die Erde", offizielle Schlussnummer und zugleich kraftvolles Ende und moritatischer Abgesang. Jedoch wäre es nicht Gustav, wenn das Schlussmoment in Reue und nicht in Revolution ausklingen würde, ist doch die letzte Zugabe ihr wohl bekanntester moralischer Imperativ, nämlich "Rettet die Wale", an diesem Abend großzügig in "Rettet sie alle" umgeändert. Bleibt zu hoffen, dass sich der in der Hochkultur etablierte eigenwillige, politische Diskurspop von Eva Jantschitsch trotz der gegenwärtigen Musealisierung der Popgeschichte, u.a. als Teil der gerade im Wien Museum stattfindenden Ausstellung "Ganz Wien. Eine Pop-Tour", nicht zähmen lässt und uns weiterhin als subversive Stimme erhalten bleibt. Our revolution has just begun! //
Text: David Ruggiero und Kathrin Blasbichler
Fotos: ORF RadioKulturhaus