Das Jahr 1968 und die musikalischen Folgen in Deutschland, und wie es zum Begriff Krautrock kam.
1968, die Proteste gegen den Vietnam Krieg weiten sich aus, der amerikanische Bürgerrechtssprecher Martin Luther King der immer für den gewaltlosen Widerstand eintrat wird in Memphis, Tennessee, erschossen, in Deutschland begehen die Terroristen Andreas Baader und Gudrun Ensslin einen Brandanschlag auf ein Kaufhaus in Frankfurt am Main und der Studentenführer Rudi Dutschke wird bei einem Attentat lebensgefährlich verletzt. Robert F. Kennedy wird ermordet und in Wien gibt es einen Skandal als Günter Brus (siehe Foto), Otto Muehl, Valie Export und Oswald Wiener, allesamt Vertreter des Wiener Aktionismus an der Uni Wien Tabus brechen. Unter dem Absingen der Bundeshymne onanieren sie, verrichten ihre Notdurft, peitschen sich aus und verstümmeln sich selbst. Bekannt wurde diese Aktion unter dem Begriff Uni Ferkelei. Die Rockgruppe „Deep Purple“ formiert sich und ihr erstes Album „Shades of Deep Purple“ erscheint. Die Welt war in Aufruhr, ein Umbruch im Denken und im Fühlen zeichnete sich ab und das Musikfestival in Woodstock, das dann Geschichte schreiben sollte, stand bereits vor der Tür.
Warum Krautrock Krautrock heißt 1968 war aber auch das Jahr in dem der „Krautrock“ als Gattungsbezeichnung eingeführt wurde. Erklärungsansätze für die doch recht eigenartige Bennennung einer Musikrichtung gibt es etliche, so soll zum Beispiel der britische Radiomoderator John Peel diesen Begriff erstmals verwendet haben. Ein anderer Grund für die Bezeichnung dieser Musik aus Deutschland könnte auch sein, dass die Briten Deutschland als musikalisches Entwicklungsland betrachteten und daher die Bezeichnung Kraut, sie war auch als Schmähname für die deutschen Soldaten im Zweiten Weltkrieg bekannt, wählten. Auch die Tatsache, dass eine der Gruppen aus Deutschland, die Band „Faust“, auf einer CD den Opener „Krautrock“ nannten, könnte ein Grund sein. Genaues lässt sich heute nicht mehr recherchieren, wohl aber ist vieles von dem was damals die musikalischen Gemüter bewegte nun wieder nachzuhören. Von Amon Düül zu Amon Düül II Im Vertrieb von SPV sind etliche CDs aus der Krautrock-Ära wieder aufgelegt worden und die Serie soll fortgesetzt werden. Der altägyptische Sonnengott Amon und eine Ableitung des türkischen Wortes für Mond standen Pate für die Namensgebung der - neben der Gruppe Can - wichtigsten Band des Krautrocks. Hervorgegangen ist Amon Düül, die Bezifferung II (2) kam erst später dazu, aus einer Künstlerkommune die 1967 in Herrsching bei München gegründet wurde. Die Kommunarden machten ganz einfach Musik und erlangten bei der politisierten Jugend sehr schnell Kultstatus. Es gab, wie bei allen Revolutionen, so auch bei den musikalischen Revolutionen, zwei Fraktionen. Während der eine Teil der Bewegung die Ansicht vertrat, musikalisches Können sei nicht von Nöten, es genügte Musik aus dem Bauch heraus zu machen, verlangte der andere Teil der Kommunarden ein gewisses Maß an Technik und Können. In all der Progressivität der Zeit könnte man den zweiten Teil als den konservativen Teil bezeichnen der dem (eventuellen) kommerziellen Erfolg nicht ganz uninteressiert gegenüberstand. Mama Düül & ihre Sauerkrautband spielt auf, oder: Wenn sich Wege trennen Bei den Essener Songtagen 1968 (die Abbildung zeigt das Programmheft), kam es dann zum endgültigen Bruch, es traten zwei Bands auf, Amon Düül und Amon Düül II. Man hatte also den Split vollzogen und ging ab diesem Tag getrennte Wege – und die Wege sollten sich noch häufiger trennen. Amon Düül (eins) „spielte“ improvisierte Musik, die Bandmitglieder wechselten häufig und das bekannteste Mitglied der Gruppe war Uschi Obermayer, das Glamourgirl der damaligen Zeit die später als Pin Up Modell Karriere machte. Die Truppe veröffentlichte, mehr oder weniger zeitgleich zu den „Profis“ von Amon Düül II vier Alben die von den Hörern geliebt und von den Kritikern in der Luft zerrissen wurden. Heute sind die LPs mit so seltsamen Titeln wie "Mama Düül & ihre Sauerkrautband spielt auf" oder "Ein wunderhübsches Mädchen träumt von Sandosa" gesuchte Raritäten und erzielen auf Sammlermärkten Höchstpreise, eine Veröffentlichung auf CD ist nicht in Sicht. Letztmals trat Amon Düül übrigens 1970 in Erscheinung. Phallus Dei - Gottes Penis Amon Düül II hingegen schafften den Durchbruch. Chris Karrer, Peter und Ulrich Leopold, Falk Rogner, John Weinzierl und Renate Knaup machten Musik die laut einer Kritik in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zwar nur ein "halbstündiges musikalisches Nichts" waren, doch sie setzen Maßstäbe. Auf ihrem ersten Album, Phallus Dei - lateinisch für Gottes Penis [!] - erschienen 1969, dauerte der Titelsong 21 Minuten und brach damit alle bis dato bekannten Songstrukturen in Deutschland. Von "Reports von futuristischen Desastern mit alttestamentarischen Katastrophenberichten", die Gruppe tue sich schwer mit Rückkopplungseffekten und böte "eigenbrötlerischen Klangzauber und biedere Kopien der Pink Floyd-Musik" berichtete das 1973 erschienene Rock-Lexikon von Siegfried Schmid-Joos. Aber auch Fachleute können falsch liegen, denn das Album verkaufte sich hervorragend. Die Filmbranche wurde auf Amon Düül II aufmerksam und die Musik zum Film „San Domingo“ brachte den Musikern sogar den deutschen Filmpreis ein. In den Jahren zwischen 1970 und 1975 - es war die produktivste Zeit der Gruppe - entstanden etliche Alben. Ab 1970 war Amon Düül II in England ständig unter den Top Five der beliebtesten Bands, ob live oder auf Platte. Der Melody Maker, Englands wichtigstes Musikmagazin in jener Zeit, bescheinigte Amon Düül II im Jahr 1972 die erste deutsche Gruppe zu sein, "die einen eigenen Beitrag zur internationalen Musikszene geliefert" habe. Die Besetzung wechselte ständig, viele der Musiker waren auch in anderen Bands tätig aber den harten Kern bildeten Chris Karrer (Gitarre und Gesang), Renate Knaup (Sängerin), John Weinzierl (Gitarre), Peter Leopold (Schlagzeug, * 15. August 1945; † November 2006), Lothar Meid (Bassgitarre) und Falk Rogner (Synthesizer). Amon Düül II - Carnival in Babylon Begeben wir uns einige Schritte zurück um uns in der damaligen Gegenwart wieder zu finden. „Phallus Dei“ (1969) und „Tanz der Lemminge“ (1971) waren absolut eigenständige LPs, da gab es kein Schielen nach Massenkompatibilität, da stand die Lust an der Musik des Widerstands, der studentischen Revolution, des Erwachsens eines neuen Zeitalters im Vordergrund – und dann erst noch der Karneval in der Stadt der Sprachverwirrung… Amon Düül II - Wolf City Typisch für “Wolf City” ist das erneute Aufleben der ausufernden Improvisationen der vergangenen Jahre, zugleich besann man sich aber auf kurze und in sich schlüssige Kompositionen. „Surrounded by the Stars“ dauert noch mehr als sieben Minuten, alle anderen Takes bewegen sich im radiotauglichen Format. „Wer zwei mal mit der Gleichen pennt gehört schon zum Establishment“, sorry…so sprach man anno dazumal, „Macht kaputt was euch kaputt macht“ war hingegen schon ein wenig aus der Mode gekommen, denn man schrieb bereits das Jahr 1973, und Amon Düül II mühten sich, dem herrschenden Zeitgeist, den gab es auch schon damals, gerecht zu werden. Pink Floyd hatten 1972 „Obscured by Clouds“ veröffentlicht, „Dark Side of the Moon“ war 1973 erschienen und der angesagte Sound des kommenden Jahrzehnts. Da konnte und wollte Amon Düül II, die oft als die deutschen Pink Floyd apostrophiert wurden, nicht nachstehen. Die Produktion klingt „liedhafter“ und ist noch mehr auf den außergewöhnlichen Gesang von Renate Knaup ausgerichtet und in Summe ist „Wolf City“, auch auf Grund der Nummern „Wie der Wind am Ende einer Straße“ und dem kurzen, aber sehr avantgardistischen „Deutsch Nepal“ eines der Meisterwerke von Amon Düül II. (akro) Link-Tipps:Krautrock (Teil 2) Krautrock (Teil 3) Krautrock (Teil 4) CD-Kritik: Kraftwerk - Minimum-Maximum Interview mit Roedelius: Ich habe einfach keine Lust, immer den selben Nagel ins selbe Loch zu klopfen |
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