souvenir01Die Musik-Theaterproduktion Souvenir von Stephen Temperley - im Englischen wird das Stück sehr treffend als "A musical fantasy on the life of Florence Foster Jenkins" beschrieben - hinterlässt in der Zuschauerin gemischte Gefühle, sobald der letzte Lacher verebbt und das Theater wenig später seine Pforten schließt. Bleibt doch vor allem der fulminante Schluss in Erinnerung und die fein ziselierte Tragikomik der Mrs. J.

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Diese Biographie ist derart außergewöhnlich, dass sie in allen Details eine Erfindung sein könnte. Doch hat sich alles so zugetragen, wie es Scot Woolley in seiner Rolle als Pianist Mr. McMoon dem fassungslosen Publikum mitteilt. Das Stück besteht aus Rückblenden der 12 verrückten Jahre, die das ungleiche Paar Mrs. Jenkins und Mr. McMoon miteinander durchlebten. Florence Foster Jenkins, eine exzentrische Dame der feinen Gesellschaft, gab in den 1930er Jahren eine Reihe von Wohltätigkeitskonzerten. Sie selbst hielt sich für eine vollkommene souvenir1Koloratur-Sopranistin, was in krassestem Widerspruch zur Realität stand. Mrs. J. war nämlich ohne jegliches musikalisches Gehör und konnte keinen Ton halten. Neva Rae Powers, die Darstellerin von Mrs. Flo, ist von einer ungeheuren Präsenz und setzt ihre Stimmwerkzeuge gnadenlos ein, wenn sie bekannte Arien wie "Die Königin der Nacht" oder, viel schlimmer, gar das "Ave Maria" anstimmt. Trotzdem macht sie aus Florence nie eine Witzfigur, sondern verleiht ihr stets die Aura eines spielenden Kindes, das in bereits fortgeschrittenem Alter und bedingt durch grenzenlose Naivität sowie dem unerschütterlichen Glauben an sich selbst einen erstaunlichen Ideenreichtum an den Tag legte. Die Konzerte der Diva, deren ausgeklügelte Kostümwechsel legendär waren, fanden stets vor von Lachkrämpfen gepeinigten Fans statt und waren bis auf den letzten Platz ausverkauft. Der fulminante Höhepunkt dieser beispiellosen Karriere war sicherlich das Konzert  in der berühmten Carnegie Hall im Jahre 1944. Florence zählte bereits 76 Jahre.

Eine ungewöhnliche Freundschaft

souvenir3Scot Woolley agiert in seiner Funktion als Musiker, Erzähler und Schauspieler zwischen den Welten der Erinnerung und der Realität. Unter dieser Multifunktionalität leidet zuweilen das Zusammenspiel der beiden Schauspieler, das an manchen Stellen in die Maniriertheit abdriftet, wo dies nicht notwendig wäre. Am schönsten sind jedoch die Passagen zwischen den beiden, wenn gesungen wird, der Pianist sich Schritt für Schritt mit seinem Schicksal abfindet und die Exklusivität seines Schicksals nicht mehr hadernd betrachtet, sondern still-lächelnd dem Unabänderlichen ins Gesicht blickt. Wer bekommt schon die Chance, seine Eigenkompositionen in der Carnegie Hall aufzuführen - und sei es eben in der Interpretation einer Florence Jenkins. Originale Tonaufnahmen von Mrs. Jenkins runden im Übrigen das Bild ab und geben einen unvergleichlichen Einblick in diese außergewöhnliche Stimme.

Ein stilles Ende

souvenir2Eindrucksvoll ist das Ende dieser "Musical Fantasy". Das Publikum im Vienna's English Theatre befindet sich noch "im Konzertsaal der Carnegie Hall", als tobende und stampfende Publikums-Einspielungen vom Band zu einer Intensität und offenen Brutalität anschwellen, denen sogar Mrs. J. fassungslos und den Tränen nahe gegenüber steht. An diesem Punkt bekommt der schrille Broadway-Hit einen Knacks. Einfühlsam inszeniert von Michael Evan Haney gleitet das Stück in die Schlussszene, in der Neva Rae Powers noch eine völlig andere und berührende Seite der Florence Foster Jenkins zeigen kann. Der Spagat zwischen hemmungslosem (Aus)Lachen und Nachdenklichkeit ist gelungen. (Text: Evelyn Blumenau; Fotos: Sandy Underwood)

Kurzinfos:
Bewertung: @@@@
Vienna's English Theatre
Josefsgasse 12, 1080 Wien
Bis 17. Oktober 2007
Täglich um 19.30 Uhr, außer Sonntag
Tel.: 402 12 60-0

Cosme McMoon: Scot Woolley
Florence Foster Jenkins: Neva Rae Powers
Directed by: Michael Evan Haney
Set Designer: Brian C. Mehring
Costume Designer for Florence Foster Jenkins: Tracy Christensen
Costume Designer for Cosme McMoon: Reba Senske
Lighting Designer: Matthew Hollstegge
Sound Designer: Fitz Patton