Ko Murobushi, J.-F. Pauvros, Alain Mahé & Dorothée Munyaneza gastierten bei Impulstanz 2011 im Odeon und begaben sich auf die Suche nach einer unbekannten Sprache und nach der Erforschung des Nichts.
Das schräg ausgelegte Rechteck weißen Tanzbelags deckt vielleicht ein Drittel der Bühnenfläche ab, die seitlich von Marmorsäulen begrenzt wird. Es macht sich im 120 Jahre alten Saal der Produktenbörse wie ein Lagerplatz aus: ein provisorisch aufgeschlagenes Stück Kunstboden für Musiker und Tänzer. Darauf mitsamt ihren Instrumenten und Gerätschaften an den Seitenrändern installiert: Gitarrist Jean-François Pauvros und Elektroakustiker Alain Mahé; die Sängerin und Tänzerin Dorothée Munyaneza weiter innen auf den Knien, rhythmisch reibt sie Stein über Steinplatte, nur das Getreide dazwischen fehlt. Der mahlende Ton breitet sich über die improvisierte Bühne aus, steigt über die gutgefüllte Zuschauertribüne hoch zu den Stuckresten an der Decke. Aus dem Schatten hinter der Bühnenfläche atmet Ko Murobushi ins Mikro: der Anfang einer Serie von Atem- und Tierlauten, gehechelt, geröchelt, gegrunzt, die er im Laufe des Abends im Wechsel mit Butohszenen bieten wird, Auf- und Abgänge ins Weiß, ins Schwarz des Schattens, den er, zum Monster vergrößert, an die Wände wirft.
Das Publikum, das Tanz erwartet, sitzt ganz still
Gitarrenklänge weichen die Körpergeräusche auf, sie breiten sich im Laufe der Aufführung zu ohrenzerfetzenden Klangteppichen aus. Ist dies eine versuchte Umsetzung des Butoh in akustische Eindrücke? Die anfängliche Magie der Aufführung ertrinkt in Gitarrenriffs, die wenigen tänzerischen Einlagen kommen als Zitate eines Stils an, der von extremen Spannungswechseln und ursprünglicher, nackter Körperlichkeit lebt; hier finden wir als Kostüm schwarze Trainingskleidung, die ebenso improvisiert wirkt wie das Bühnensetting. Momentweise blitzt die Ironie auf, die dem Butoh innewohnen kann, im Steinebeißen, im Herumrollen eines kopfgroßen Steines mit dem Kopf, der Stein tanzt über die Bühne, wie Murobushi und Munyaneza es nicht tun. Die Sängerin/Tänzerin im schwarzen Babydoll singt stimmgewaltig, allein mit der Präsenz des japanischen Mannes in seinen 60ern kann sie nicht mithalten. Ko Murobushi erscheint als Gaststar seiner eigenen Show, die eher wie ein Konzert als eine Tanzaufführung wirkt, das Publikum ist verwirrt.
Der Ko liegt inzwischen auf der Bühne, sonnt sich im Scheinwerferlicht, den Kopf auf dem Stein
Als "Erforschung des Nichts" und als "Suche nach einer unbekannten Sprache" ist die Performance ausgewiesen, die Musik scheint ein Irrweg, der Butoh zeigt seine Kraft in den wenigen kurzen Auftritten, mit den Steinen und ihren Stimmen als Wegweiser. Diese Suche ist nicht zu Ende. (Text: Ina Rager / August 2011; Fotos: Regis Durand De Girard; JunichiYamauchi)
Link-Tipp:
Impulstanz