"You can't stop the beat" - ob dieser Slogan für den Musical-Blockbuster des Sommers 2007, der am 7. September auch in unseren Kinos anlief, gerechtfertigt ist und was Original-Drehbuchautor John Waters wohl davon hält.
Der Plot
Swinging Sixties in Baltimore – so auch für die gut gepolsterte aber dennoch äußerst bewegliche Teenagerin Tracy Turnblad (Nikki Blonsky). Mit ihrer besten Freundin Penny (Teeniestar Amanda Bynes) verbindet sie neben Haar- und Hoffnungsthemen eine regelrechte Obsession für die populäre "Corny Collins"-Tanzshow. Trotz der Bedenken ihrer gluckenhaften Mutter Edna (Auftritt John Travolta als Hausmütterchen-Amazone; siehe Foto), schafft Tracy über ein Casting den Sprung ins TV-Rampenlicht. Jetzt gilt es nur mehr sich dort auch gegen den Widerstand der übermächtigen Eislaufmama Velma Von Tussle (Michelle Pfeiffer) und ihres Sprosses Amber (Brittany Snow) zu halten, deren Tanzpartner und Lover Link zu erobern und Vater (Christopher Walken) und Mutter mit Stolz zu erfüllen. Im Vorbeigehen wären dann noch ihre Penny mit dem schwarzen Bewegungstalent Seaweed zu verbandeln und gemeinsam mit der Soulmama Motormouth Maybelle (Queen Latifah) die Integrationsprobleme Baltimores und somit der ganzen Welt singend und tanzend in Wohlgefallen aufzulösen.
Hintergründe und die Sache mit John Waters...
Zunächst: Der Film sieht sich dezidiert nicht als Neuauflage des Kultstreifens von John Waters aus dem Jahre 1988, sondern als Bearbeitung der Tony-prämierten Broadway Musical-Version aus 2002. Dennoch sind wohl einige Fakten zum Leinwand-Original für ein besseres Verständnis des Hairspray-Universums unentbehrlich:
-) Für Liebhaber der oft äußerst skurrilen und zynischen Waters-Filme war Hairspray schon fast zu viel der Verneigung vor dem Mainstream. Aus heutiger Sicht wirkt er allerdings noch immer höchst subversiv und schrill.
-) Divine, eine gewaltige Transe und wohl eine von Waters Musen, verstarb einige Wochen nach den Dreharbeiten. Ein übergroßes Vermächtnis für die Rolle der Edna Turnblad, worüber John Travolta auch nach fünf Stunden in der Maske nur schwer hinweg täuschen kann...
-) Eine Rolle die im Remake nicht mehr zu finden ist – Velma Von Tussles (Deborah "Blondie" Harry; Michelle Pfeiffer im Remake; siehe Foto) Ehemann Franklin, gespielt vom mittlerweile verstorbenen "Mr. Ex-Skandal-Sonny & Cher" Sonny Bono.
-) Cameo-Auftritte der Original-Besetzung durchkreuzen die Neuauflage: Richi Lake (einst Tracy Turnblad) als ehemalige Miss Teenage Hairspray, Jerry Stiller (einst Wilbur Turnblad) als Besitzer einer Damenboutique für Übergrößen und nicht zuletzt John Waters als Exhibitionist.
Der Meister selbst gibt mit diesem kurzen Gastspiel und seiner Mitarbeit an der Drehbuchadaption wohl tatsächlich seinen Segen zum Remake ab. Aus Interviews lässt sich allerdings erahnen, dass seine wahren Gedanken zum Thema wohl durchaus ambivalenter ausfallen. Ihm selbst würde es widerstreben "Provokationen wie 'Pink Flamingos' immer wieder neu aufzukochen", dass man "heute doch schon alles neu machen kann" verwundert ihn wenig und beschert ihm ein nettes "passives Einkommen". Man versteht seinen "Enfant Terrible" - Überdruss in Zeiten des exaltierten Individualismus durchaus: "[...] Outsider, das ist kein Tabu mehr, sondern Mainstream. [...] Ja, sogar George W. B glaubt wohl, er ist ein Outsider. Deshalb versuche ich heute ein Insider zu sein."
Fazit
Regisseur Adam Shankman [er hat sich mit mäßig wertvollen Streifen wie "Haus über Kopf" oder "Der Babynator" im Popcorn-Kino Bereich etabliert; Anm.] und sein Team haben weder Kosten noch Mühen gescheut einen kurzweiligen, aber doch aalglatten, Sommerblockbuster aus dem Boden zu stampfen. Natürlich reden wir hier von einem Musical, das tatsächlich dem Vergleich mit Waters Film weitgehend entgeht. Wie die stets optimistische "Skip"-Filmredaktion meint, "mehr Musik - und noch mehr Spaß!"
Und wirklich jeder von uns kennt wohl auch die Tage für solch völlige Cineasten-Schonkost. An allen anderen Tagen des Jahres kann diese bis zur Lächerlichkeit entstellte Hollywood-Kaugummi-Ästhetik aber durchaus auch zu allergischen Reaktionen führen. Wie ein roter Faden zieht sich die völlige Weichspülung durch alle Bereiche der Produktion. Die Musik swingt zwar tatsächlich, mangels jeglicher Ecken und Kanten in den Arrangements vermutet man aber die ORF-Dancing-Stars-Bigband hinter jeder Ecke. Ähnliches lässt sich über Bereiche wie Kostüm, Maske und Setdesign sagen - ließen sich hinter der Ästhetik des Originals noch etliche ernsthafte Breitseiten gegenüber (wohl noch immer) brisanten sozialen Themen (Rassismus, Schönheitswahn, Spießbürgertum und Mediengeilheit) orten, wird über diese Ansätze in der "Feel-Good" Blockbuster Re-Interpretation mit einer Extraportion Make-Up "drüber gefahren". Natürlich waren schon Waters Figuren klischeehaft und satirisch überzeichnet. Durch die Musical-Version wurden sie zu den üblichen tanzenden Pin-up-Figuren, die neueste Version gab der halbwegs seriösen Zeichnung der Charaktere endgültig den Rest. Darüber kann uns dann weder ein erfrischender Showprofi wie Christopher Walken (siehe Foto), noch ein John Travolta im Fummel (mit seiner ersten Musical-Performance seit Grease) retten. Diese Filmversionen von Abziehbildern fleischgewordener Klischees können vielleicht einen ganz miesen Nachmittag, aber mit Sicherheit nicht die Welt, verbessern. (mh)
Filminfos:
Bewertung:@@
Regie: Adam Shankman
Darsteller/innen: John Travolta (Edna Turnblad), Michelle Pfeiffer (Velma Von Tussle), Christopher Walken (Wilbur Turnblad), Amanda Bynes (Penny Pingleton), Queen Latifah (Motormouth Maybelle), Brittany Snow (Amber Von Tussle), Nikki Blonsky (Tracy Turnblad)
Produktion: Warner Bros. Pictures und New Line Cinema