Das Filmhof Festival beschäftigt sich 2008 mit dem Motto "Erinnerungen" und greift mit dem Stück "Sein oder Nichtsein" von Menyhért Lengyel, das von Ernst Lubitsch verfilmt wurde, bis 30. August 2008 nicht nur das Erinnern an die weltpolitischen Ereignisse nach 1938 auf, es beschäftigt sich auch mit sehr persönlichen Erinnerungen Einzelner sowie der Tragik von Erinnerungsverlust.
Wenn heutzutage der Kinofilm von Ernst Lubitsch zu den besten Komödien aller Zeiten gezählt wird, so sollte man sich auch daran erinnern, dass ihm mit dem Film keine Lorbeeren vergönnt waren, im Gegenteil: "Sein oder Nichtsein" brachte Lubitsch in ernsthafte Schwierigkeiten, denn im Frühjahr 1942 schien nichts weniger angebracht als einen lustigen Film über die Nazis herauszubringen. Das ausgesuchte Publikum während der Testvorführungen reagierte mit eisigem Schweigen auf die cleveren Pointen, und vor allem der im Film vorkommende Satz "Was der [Tura] mit Shakespeare macht, das machen wir jetzt mit Polen…" wurde später in den Filmrezensionen immer wieder zitiert – und zwar als Paradebeispiel dafür, wie geschmacklos der Film geraten sei. Bei den Vorführungen verließen die Zuschauer reihenweise den Saal und Wogen der Empörung ergossen sich über Lubitsch: ihm wurde nämlich vorgeworfen, er mache sich über das Leid der Polen lustig. So wurde der Film "Sein oder Nichtsein" erst lange nach dem Tod von Lubitsch zum anerkannten Klassiker. Die Banalität des Bösen Herbert Spaich, der Biograph von Lubitsch, hat übrigens zu Recht darauf hingewiesen, dass Lubitsch früher als seine Zeitgenossen die "Banalität des Bösen" erkannt hatte. Hitler und seine Schergen waren keine Dämonen, sondern meist obrigkeitsgläubige, zu Mördern mutierte Kleinbürger. Lubitsch selbst reagierte auf die Vorwürfe und Beleidigungen mit einem offenen Brief und schrieb: "…Was ich in diesem Film gegeißelt habe, das sind die Nazis und ihre lächerliche Ideologie. Ich habe auch die Haltung von Schauspielern gegeißelt, die immer Schauspieler bleiben, wie gefährlich die Situation auch sein mag, wobei es sich meiner Ansicht nach um eine wahrheitsgemäße Beobachtung handelt. Niemals habe ich mich in meinem Film abfällig über Polen oder die Polen geäußert. Ich habe sie vielmehr als ein tapferes Volk porträtiert, das sich in seinem Elend nicht in den Armen anderer ausweint, sondern auch in den dunkelsten Stunden den Mut und den Scharfsinn und auch den Sinn für Humor nicht verloren hat. Man mag darüber diskutieren, ob man die Tragödie von Polen realistisch dargestellt wie in 'Sein oder Nichtsein' mit Satire verschmelzen kann. Ich glaube, dass dies möglich ist […] aber darüber lässt sich streiten…" Die wahren Schmierendarsteller sind die Nazis Dabei war die Story des politisch unkorrekten Films verwickelt und durch und durch genial. Der Inhalt: Stadttheater Posen, 1939, mitten in den Proben zu "Gestapo", einer Parodie auf Adolf Hitler. Aus Angst vor einer Provokation der herannahenden Deutschen verbietet die polnische Regierung die Inszenierung und setzt stattdessen mehr "Hamlet"-Vorstellungen an. Josef Tura, mittelprächtiger Schauspieler und Prinzipal der Truppe, ist nicht nur für die Hauptrolle in der Hitler-Parodie vorgesehen, sondern gibt auch den Hamlet, jeden Abend aufs Neue irritiert von Stasnik, einem jungen Fliegerleutnant, der regelmäßig während des großen Monologs "Sein oder Nichtsein" den Saal verlässt. Denn in der Garderobe wartet die von Stasnik verehrte Maria Tura, Gattin des Prinzipals, auf ihren Auftritt als Königinmutter – und nimmt die Avancen des jungen Galan huldvoll entgegen. Menyhért Lengyel, der Autor von Sein oder Nichtsein Lubitsch war aber eigentlich "nur" der Regisseur vom Film "Sein oder Nichtsein". Kaum jemand kennt hingegen den Autor der Vorlage, Menyhért Lengyel (eig. Menyhért Lebovics, auch Melchior Lengyel, geb. 1880), polyglotter, aus Ungarn stammender Dramatiker, Journalist und Kritiker, den eine enge Freundschaft mit Ernst Lubitsch verband. Seit 1935 lebte Lengyel in den USA und lieferte Lubitsch die Vorlage zu Filmen wie "Das verbotene Paradies", "Engel", vor allem aber auch zum großen, Oscar-nominierten Erfolg "Ninotschka" [den Oscar erhielt damals die Drehbuchvorlage für "Vom Winde verweht"; Anm.]. Auch mit Max Reinhardt und Eugene O'Neill arbeitete Lengyel in den USA wie in Europa eng zusammen. Er brach die Brücken nach Europa nie ab, lebte ab 1960 in Italien und starb 1974 in Budapest. (Manfred Horak; Fotos: Stefan Haring, Familienarchiv Lengyel) {sus_amazon id=B000JJRVA4&pid=kulturwoche-21} Live-Tipp: Premiere: Kartenpreise: Kartenvorverkauf: |
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