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Es ist schmerzhaft zu sehen, wie echte menschliche Schicksale und gute Schauspieler benutzt und verkauft werden, weil der Filmemacher zu viel schlechtes Fernsehen gesehen hat.
Das Ärgernis daran ist, dass auch einer der größten Schauspieler unserer Zeit, Michael Caine, dieses Dilemma nicht verhindern kann, denn beim Film liegt die Perspektive des Betrachters auf sein Schaffen leider nicht in seiner Hand.
Vergebene Liebesmüh
"The Statement" hätte ein guter und wichtiger Film sein können. Die Literaturvorlage "Hetzjagd" (1997; Diogenes) von Brian Moore erfasst nämlich einen neuen Aspekt zu einem viel besprochenen Thema: Wer hat im Krieg was verbrochen - wer hat im Krieg was erlitten. Wie gingen bzw. gehen die Machthaber, sowie jeder Einzelne, gestern und heute global mit dem Wissen um diese grausamen Geschehnisse um?
Wir reden vom 2. Weltkrieg, ausgelöst von den Großmachtphantasien der Nazis. Im speziellen von den Folgen des Vichy-Regimes 1944 im besetzten Frankreich, wo im Zug der deutschen Judenvernichtung der eigene schwelende Hass gegen Andersgläubige offiziell ausgelebt werden durfte. Wir reden von einem angeordneten und gerne ausgeführten brutalen Verbrechen an die Menschlichkeit: der nächtlichen Erschießung von unschuldigen Mitbürgern einer anderen Religion. Diesmal erfahren wir Fakten über eine rechtsgerichtete Gruppierung innerhalb der katholischen Kirche, wie sie die damaligen Kriegsverbrecher über die Jahre versteckt haben, und ihren permanenten politischen Einfluss auf die französische Regierung bis 1992.
Es geht um die Zeit danach, um Gerechtigkeit kontra Politik. Was ist lebensentscheidend: die konsequente Aufdeckung und gerechte Bestrafung eines Verbrechens? Oder Weitermachen ohne Aufklärung, sprich Vergessen, da die Schuldzuweisung zu komplex und die Machtverhältnisse zu fragil sind. Recht, Rache oder Ruhe?
Das Drehbuch von Ronald Harwood bietet einen intelligenten Krimi über die Schachzüge von Politikern - egal ob aus religiösen oder ideologischen Lagern. Sich Klischees über die Gegner zu Nutze zu machen, um ihr eigenes Machtorientiertes, egozentrisches Tun in der Öffentlichkeit zu kaschieren.
Das ist spannend, das ist interessant, darüber will ich einen Film sehen, nur: Leider macht es den Eindruck, dass der Macher des Films, Norman Jewison, weder ein guter Politiker noch ein wirklicher Liebhaber der Gerechtigkeit ist, da er sich an Seifenopernmethoden orientiert, anstatt dem natürlichen Vorantreiben der authentischen Geschichte zu vertrauen.
Die Besetzung ist hochkarätig: allen voran Michael Caine als versteckter Kriegsverbrecher, der zu Gott betet und Hunde tritt. Der achtsam durchs Leben geht - immer bereit sein bescheidenes Leben mit einem Todesschuss zu verteidigen. Diese gottgläubige Lebensangst verkörpert Caine sensibel und in seiner scheinbaren Demut so hochgefährlich, dass seine Darstellung dieses gegenwärtigen bigotten Charakters allein die Kinokarte rechtfertigt.
Tilda Swinton ist als junge weibliche Richterin in ihrem aufklärenden Ehrgeiz schonungslos, sich selbst und allen anderen gegenüber. Leider wirkt ihre Figur hölzern und sackt immer wieder ins Klischee ab - durch die uninspirierte Einstellung der Kamera und dem unpassenden melodramatischen Schnitt.
Jeremy Northam, Charlotte Rampling, Alan Bates - trotz ihrer sinnlichen Darstellung, wirken sie eigenartig unbeteiligt. Es entsteht keine echte Spannung. Die Aufklärung des Falls wird für den Zuschauer nicht nachvollziehbar, die Verhältnisse untereinander bleiben distanziert, kalt. Trotz des interessanten Themas, trotz der guten Darsteller, befinden wir uns letztendlich in einem bemühten TV-Krimi mit einem authentischen Fall als Aufhänger. Und das wird niemandem gerecht, weder den Hingerichteten noch den Vollstreckern - da kann man am Ende beim erneuten Hinweis auf "die tatsächlichen Opfer" wirklich wütend werden.
Im Gedenken an diese Menschen hätte sich die Produktion mehr Mühe geben müssen. (Stephanie Lang; 2005)
Filminfos:
Im Verleih von Universum Film/Constantin Film
Länge: 105 Minuten
Regie: Norman Jewison
Drehbuch: Ronald Harwood (nach einer Literaturvorlage von Brian Moore)
Darsteller:
Michael Caine
Charlotte Rampling
Tilda Swinton
Alan Bates
Jeremy Northam