Eine berührende Geschichte über einen, der verlernt hat das Sein zu genießen und erst nach und nach eine Reise zurück ins Leben wagt, erzählt Regisseur Eytan Fox in "Yossi".
Einen zweiten Teil zu einem Film gibt es sonst nur, wenn die Produzent_innen glauben damit wahnsinnig viel Geld verdienen zu können. Diese zweiten Teile gehören dann meist zu Action- oder Zeichentrickfilmen und meistens sind sie nur schlechtere Varianten des ersten Teils, ohne eigene neue Idee. Auch "Yossi" greift die Geschichte eines anderen Films von Eytan Fox wieder auf. Allerdings handelt es sich hierbei um eine der Geschichten, die eher selten erzählt werden. In "Yossi" geht es nämlich darum, wie es nach dem tragischen Ende einer für immer grausam abgeschlossenen Liebesgeschichte - wie es im Film "Yossi & Jagger" erzählt wurde - weitergeht. Für Yossi (Ohad Knoller) ist diese Liebesgeschichte allerdings ganz und gar nicht abgeschlossen.
Eine Reise durch Israel
Sein Leben findet kaum statt, er ist ein mittelmäßiger Arzt, der seinem exzentrischen Kollegen (Lior Ashkenazi) als Publikum für seine Eskapaden dient. Wenn Yossi nach Hause kommt häuft er sich lieblos fertiges Essen auf den Teller, sieht fern, wobei selbst die Kamele in der Natursendung im Gegensatz zu ihm Zweisamkeit erleben dürfen und sieht sich im Internet Pornos an. Yossi weigert sich Urlaub zu machen, da nur seine Arbeit ihn daran hindert zu viel zu denken. Eines Tages taucht Liors Mutter zu einer Untersuchung im Krankenhaus auf, die nach dem Tod ihres Sohnes im Libanon einen Herzinfarkt hatte. Yossi sucht ihre Nähe, fährt sie sogar nach Hause und hört still zu, als sie ihm im Auto von ihrem toten Sohn erzählt. "Ist er nicht hübsch?", fragt sie ihn und zeigt ihm ein Foto. Yossi lässt bei der Arbeit nach, und nach einigen demütigenden Situationen landet er eines Nachts mit seinem Auto vor dem Haus der Familie Amichai. Am Morgen erzählt er Liors Eltern, was er während der Trauerwoche vor zehn Jahren nicht auszusprechen gewagt hat. Die Auseinandersetzung mit Lior bringt Yossi in Bewegung. Er bricht auf, um in den Sinai zu fahren. Nach Jahren der Unbeweglichkeit und Selbstaufgabe befindet er sich nun auf einer Reise durch Israel.
Verlernt, das Leben zu genießen
Auf einer Raststätte trifft Yossi auf vier Soldaten. Sie sind so alt wie Jagger war, als dieser starb und sie sind vom Fronteinsatz auf dem Weg in den Urlaub. Yossi nimmt die laute Gruppe mit, deren kindlicher Lustigkeit man nicht anmerkt, dass sie viele Monate ihres Lebens an die Lebensgefahr eines sinnlosen Konflikts vergeuden müssen. Einer der vier ist der offen schwule Tom (Oz Zehavi). In seinem Witz und seiner Bereitschaft zur Offenheit erinnert er an Lior. Tom ist eine besondere Figur, er ist sehr stolz und zeigt Yossi, dass die Offenheit, die er selbst sich und Lior in der Armee verwehrt hat, keine Unmöglichkeit ist. Yossi beschließt nicht weiter zu fahren, er bleibt in der Hotelanlage, in der auch die jungen Soldaten ihren Urlaub verbringen. Doch während alle anderen Menschen in der Anlage ihr Leben genießen, scheint Yossi dies verlernt zu haben. Beschämt über seinen Körper traut er sich weder zur Massage, noch in den Pool. Der traurige Mensch Yossi sitzt lieber am Beckenrand und liest „Der Tod in Venedig“ oder sieht sich einsam das abendliche Unterhaltungsprogram an. Hartnäckig scheint er zu ignorieren, dass Tom bereits sehr bald mit ihm zu flirten beginnt. Zwar findet er den Soldaten attraktiv, glaubt jedoch selber zu unattraktiv zu sein. So dauert es sehr lange, bis Toms hartnäckige Zuneigungsbezeugungen ihn endlich erreichen. Ganz besonders rührend ist die Szene, in der Yossi sich sichtlich gequält vor Tom auszieht und von diesem in den Arm genommen wird.
Zurück ins Leben
Während in "Yossi & Jagger" an einem einzigen Tag Liebe, Streit und Tod an einem einzigen Ort im Libanon aufeinander treffen, legt "Yossi" weite Strecken zurück. Auf dieser Reise jedoch brauchen Emotionen ihre Zeit, um vom Protagonisten zugelassen zu werden. Anders als "Yossi & Jagger" ist dieser Film somit kein Film einer Eskalation, sondern die Geschichte einer zarten und langsamen Entwicklung. Eytan Fox erzählt die Geschichte eines Menschen, der sich aufgegeben hat und der endlich eine Reise zurück ins Leben wagt. (Katharina Fischer)
Filmtipp:
Yossi (Ha-Sippur Shel Yossi)
Israel 2012, 85 Minuten
Filmfestival identities 2013
Bewertung: @@@@@@
Kritik zur Vorführung am 13.6.2013 im Filmcasino Wien
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Regie: Eytan Fox
Buch: Itay Segal
Kamera: Guy Raz
Schnitt: Yosef Grunfeld
Musik: Keren Ann
Darsteller_innen: Oz Zehavi, Ohad Knoller, Orly Silbersatz Banai, Ola Schur Selektar, Lior Ashkenazi