Von den Schwierigkeiten einer Migranten-Familie in einer fremden Gesellschaft erzählt der schwedische Animationsfilm "Pelé Pinguin kommt in die Stadt" von Kenneth Hedenström. Erstmals in Österreich zu sehen im Rahmen vom Kinderfilmfestival 2015. Empfohlen ab 8 Jahren.
Am südlichsten Punkt der Erde gibt es nur eine Himmelsrichtung, nämlich die nach Norden. Der Südpol. Ewiges Eis und viele Klischees. Zumindest für reiche Stadtpinguine, die Kreuzfahrten dorthin buchen. Die Südpol-Pinguin-Kinder erfüllen die Klischees mit Streichen, ziehen ihren Pinguin-Frack aus und spielen den Blues über ihren täglichen Hunger. Die Kreuzfahrergesellschaft fühlt sich bestätigt und reagiert dabei sehr unterschiedlich, manche schauen weg ("so etwas möchte ich nicht sehen"), manche fotografieren, manche bemitleiden, manche geben sich brüskiert. Was sie nicht wissen ist, dass sich die Südpol-Pinguin-Kinder einen Scherz erlaubten, wofür sie auch von ihren Eltern gerügt werden. Von den Stadtpinguinen gibt es am Südpol übrigens auch ein Klischee. "Die sind dort so arm, dass sie übereinander wohnen müssen."
Aber das Leben am Südpol bekommt Risse und die Pinguine tatsächlich ernsthafte Probleme ihren Hunger zu stillen, weil aufgrund Überfischung nach und nach die notwendige Nahrung fehlt. Also rauf auf die Eisscholle und ab nach Stockholm. Der Weg führt durch warme Regionen, die Eisscholle schmilzt rapide, Haie freuen sich bereits auf die Pinguine, ein Wal erweist sich jedoch als Lebensretter, nimmt sie auf und bis zum Ärmelkanal mit. Während dieser Reise sehen wir aus dem Walmaul heraus die Reiseroute, das Publikum wird mit einem einfachen Kniff in die Geschichte hineingezogen. Letztendlich geht es von Paris im Zug nach Stockholm. Dort angekommen kann das neue Leben beginnen.
Sie sind kleiner, sehen anders aus und sprechen anders und in einer Großstadt zu sein ist halt doch etwas anderes als am Südpol zu leben. Alleine sich mit Straßenampeln anzufreunden ist ja nicht ganz einfach ("Rote Pinguine! Ich habe noch nie rote Pinguine gesehen!") und einen McPenguin und deren Burger kennen sie auch nicht. Und dann erst die vielen Häuser! "Wie soll man sich da ohne Sterne zurechtfinden?" Schließlich findet sie ihr Pinguin-Verwandter Onkel Fernandez im Straßenwirrwarr und so kann das geregelte Leben in Stockholm am nächsten Tag für Pelé und seiner Familie losgehen. Der erste Schultag verläuft nicht ganz so glücklich für Pelé - er wird aufgrund seiner kleineren Körpergröße von den Pinguinjungen rund um Olle gehänselt, bis vor Scham sein Gesicht ganz pink wird, einzig ein Pinguinmädchen, Madeleine, bewahrt ihn vor noch größeren Hänseleien. Nach der Schule fragt ihn die Olle-Bande (drei einschüchternde, aber nicht gerade sehr intelligente Mitschüler), was er denn so am Südpol in der Freizeit mache? Als er auch davon spricht von Eisbergen zu springen und zu tauchen - ohne Helm, bitte schön! - wird er ausgelacht: "Ich habe noch nie so etwas Dummes gehört." - Pelé wird nach der Verabschiedung von hinten geschubst und ihm wird ein Bein gestellt, sodass er hinfällt, begleitet von der hämischen Spöttelei: "Als ob du von einem Eisberg springen könntest!" Da liegt er also am Boden und sie lachen ihn aus.
Auch seiner Mama geht es nicht viel besser. Sie ist auf Jobsuche und spricht beim Arbeitsamt vor. Ihre Fähigkeiten und Kompetenzen werden dort allerdings nur gering geschätzt. Ein erstes Resümee seiner Mutter lautet denn auch: "Sie machen hier einige sehr merkwürdige Dinge. Machen wir es so wie sie." Nur: wie bedient man eine Waschmaschine (die man am Südpol nicht braucht und daher auch nicht kennt)? Mama Pinguin fragt bei einem Pärchen nach und erhält zur Antwort, sie möge doch bitte so sprechen, damit sie auch verstanden wird. "Ist es denn zu viel verlangt, dass ihr Ausländer lernt unsere Sprache zu sprechen?" - "Aber wir verstehen Sie ja auch." - "Wir haben ja auch eine leicht verständliche Aussprache". Die Hilfe wird ihr schließlich verweigert, sie möge es sich doch selbst beibringen. Alltagsrassismus. Die folgenden Schultage entpuppen sich für Pelé als noch schlimmer, die Sticheleien und Boshaftigkeiten nehmen zu. Pelé entschließt sich den Selbstverteidigungskurs Tao Ping zu besuchen. Dort, wo es zu sein scheint, ist aber neuerdings ein Ballett-Kurs. Er wird freudig aufgenommen, da es an männlichen Ballettkursteilnehmern mangelt. Dort erfährt Pelé zum ersten Mal Integration in Stockholm - und Schutz. Madeleine ergreift, nach ersten Einschüchterungsversuchen von Olle und seiner Bande, Partei für Pelé, und auch die Lehrerin greift erstmals durch.
Die simplen Animationen - vor allem was Bewegung der Figuren anbelangt - stehen in großem Kontrast zu den überperfekten Animationsfilmen von Pixar und Konsorten. Dadurch, so scheint es jedenfalls, erhält die Geschichte und die Bedeutungsschwere der Handlungen mehr Gewicht, das Themenpaket Migration, Ablehnung, Mobbing, einen Diskussionsreiz für Volksschulkinder. Ein Schulreferat von Pelé über Zusammenarbeit, bei dem er einen Film über Südpolpinguine zeigt, bringt ihm letztendlich den ersten Kuss von Madeleine ein und einen rasend eifersüchtigen und umso wütenderen Olle und seinen zwei Kumpanen, die ihn einmal mehr auflauern. Showdown. Pelé wird von Olle ins Hafenbecken gestoßen, Pelé taucht nicht mehr auf. Am nächsten Morgen, nach einem unruhigen, albtraumhaften Schlaf der drei Intriganten, sehen sie, dass bei der Schule die schwedische Flagge auf Halbmast steht. "Ist er tot? Was sollen wir tun? Sollen wir es ihnen erzählen?" - "Was, wenn uns jemand bei der Tat beobachtet hat? Und es dann der Polizei erzählt hat!" Pelé hat den Sturz ins Wasser natürlich überlebt - Südpolpinguine sind ja bereits in jungen Jahren exzellente Schwimmer. Ob Pelé und Olle doch noch Freunde werden und wie es mit der zart begonnenen Beziehung zwischen Pelé und Madeleine weitergeht, wird an dieser Stelle natürlich nicht verraten. Einer der bemerkenswertesten Filme beim Kinderfilmfestival 2015. Altersempfehlung: 8+. (Text: Manfred Horak; Fotos: The Yellow Affair)