Im giftigen Grün des Gartens stirbt ein Vogel vor sich hin. Vor der Aufgabe Lebendiges zu beschützen längst resigniert, hat die Hausherrin ihre eigene Zerstörung eingeläutet. In ihren Träumen schwappt Wasser an den Bug des Schiffes dieser stets nah am Ufer Gebliebenen. Ruhe möchte sie haben endlich und keine Erinnerung. Dieses ungeheuerliche Privileg aufrecht erhalten mit allen Mitteln, prive, privat, geraubt, etwas das man anderen genommen hat, immer schon, nicht aufzugeben, ermöglicht letztlich auch das Schreiben.

Metaphernliebe

Die Akteure im Film "Wir töten Stella" sind, vor allem in den Nebenrollen, hölzerne Staffage, es herrschen steife Dialoge und förmliche Anrede, der aus dem Off gesprochene Text aus Haushofers Novelle, ist als einziger aus Fleisch und Blut, vermag Dinge zu rühren die lange versteinert sind. In Gedecks Gesicht die dünne Haut, durch die scheint was sie ansonsten nicht zu bewegen vermag. Es gibt keinen Affekt sondern betäubte Schwere der Gliedmaßen, das einstudierte Gehen auf Absätzen, die Pose mit Buch und Weinglas. Die junge Stella als störende Fremde, die Kindfrau, verwandelt und erwachsen gemacht, verführt durch die Kleidung, was der Herr des Hauses sich nutzbar macht, vorübergehend zu genießen, zu schwängern, und dann ebenso schnell zu beseitigen weiß. Fast macht es einen böse, dass Stella so wehrlos bleibt, unschuldig, opferhaft, dass die Tragödienmaschine so gut läuft, wie geschmiert. Manches wirkt übertrieben und plakativ, etwa Stella als Narziss sich selbst im Spiegel küssend, oder die altbekannte Gläserne Wand, die der Protagonistin im Traum begegnet.  Vielleicht eine Schwierigkeit der Adaption, sich zu sehr in manche Metaphern zu verlieben.

Unter der Oberfläche

Ungleich gelungener dagegen das Geheimnis der Klospülung, der Gebrauch roter Farbe, die Referenz auf Kassandra - es sehen, vorausahnen und nichts dagegen tun können, diese Hebel wieder betätigen oder eben diese Hilfestellung  zu unterlassen.  In der betrogenen Ehefrau wächst ebenso etwas heran: die Gewissheit zur Täterin geworden zu sein. Ihr  Bekenntnis, ihre Anklageschrift klingt wie aus der Ferne, selbst dissoziiert, besetzt vom Trauma der Wiederholung.  Beim verspäteten Abendessen sagt der Ehemann: "Ich liebe dich, weil du mir gehörst." Das Raubtier ist fast samtweich  und zutraulich, kann sich ausruhen auf dem ökonomischen Polster, wird wiedergeboren durch ihren Bauch, fortgesetzt im Sohn. Die Körper werden hier zwar in Szene gesetzt, bleiben seltsam starr und ohne sich einander zuzuneigen, einzig die intimen Situationen, mit der Handykamera heimlich aufgenommen, zeigen Regungen abseits des Bühnenhaften Alltags. Diese bruchstückhaften Aufnahmen verdoppeln Stellas Penetration durch ihre männlich konnotierte Umgebung.

Aufgehoben und gefangen

Uterus oder Blase, Gefäß sein und zugleich Gefangene. Alles vollzieht sich, ist unter einer wächsernen Oberfläche, die ihre atmende Funktion eingebüßt hat, die nichts zu durchdringen vermag. Die Villa der wohlhabenden bürgerlichen Familie, wo unter der Oberfläche alle Fallen immer noch aufgestellt sind, wo es für Frauen gefährlich ist, wo eine verabsäumt, die andere zu warnen und selbst zum Werkzeug wird. Da werden Dynamiken sichtbar, die so subtil sind, dass sie feministischen Formulierungen und Wünschen entfleuchen, im Verborgenen weiterwirken und walten. //

Text: Sophie Anna Stadler
Fotos: Hubert Mican: epo-film
Diese Filmkritik entstand beim Workshop "Filmkritiken schreiben" im Rahmen der Diagonale 2018 unter der Leitung von Manfred Horak (Kulturwoche.at) in Kooperation mit Diagonale - Festival des österreichischen Films, Kleine Zeitung und Radio Helsinki. Bei Radio Helsinki entstand mit der Moderatorin Irene Meinitzer auch nachfolgende 60-minütige Live-Sendung .

Film-Info:
Wir töten Stella
Bewertung: @@@@
Spielfilm, AT 2017, 98 min, OmeU
Regie und Buch: Julian R. Pölsler
Darsteller/innen: Martina Gedeck, Matthias Brandt, Mala Emde
Kamera: J. R. P. Artman, Walter Kindler
Schnitt: Bettina Mazakarini
Originalton: Walter Fiklocki
Szenenbild: Enid Löser
Kostüm: Ingrid Leibezeder
Produzent/innen: Dieter Pochlatko, Julian Pölsler
Produktion: epo-film
Koproduktion: Juwel Film