Eine Hollywood Filmproduktion entschließt sich ein Remake von 47 zu machen
Ursprünglich war es ein deutsches Team welches, inspiriert durch ein polnisches Märchen, den Film realisieren wollte. Das Projekt wurde aber nicht fertig gestellt, denn während der Dreharbeiten sind die beiden Hauptdarsteller ums Leben gekommen. Nikki Grace (Laura Dern) und Devon Berk (Justin Theroux) sollen die neuen Darsteller in On High in Blue Tomorrows sein. Kaum haben die Dreharbeiten angefangen bemerkt Laura Dern eine seltsame Veränderung an sich. Ihr Bewusstsein verliert die Kontrolle über Raum und Zeit. Die Dreharbeiten haben eine Tür geöffnet, die nach dem Eintritt sofort zugefallen ist. Set und Requisite sind real geworden und ihre Realität, zu einem ihr aus den Händen gleitenden Film. Sie ist auf der Suche nach dem Projektionsraum. Nach einem Final Cut. Durch endlose Gänge und Hotelzimmer streifend. Auf der Jagd nach Vergeltung; nach Erklärung. Es gibt keinen Weg zurück. Das Einzige was sie tun kann, ist, nach und nach in dem Labyrinth ihres INLAND EMPIRES, zu transzendieren.
Der vulgäre Verstand sieht vor lauter Seiendem die Welt nicht*
David Lynch scheint erst jetzt zu seiner Sprache zu finden. David Lynch, einer der eigenwilligsten und am Mainstream damit erfolgreichsten Regisseure hat sich mit INLAND EMPIRE selbst übertroffen. Nach Mulholland Drive und Lost Highway scheint INLAND EMPIRE eine Kulmination des eigenen Filmschaffens zu sein. Allein der zynische Beigeschmack: ein Remake vom eigenen Film(en) zu machen, weist bei INLAND EMPIRE auf eine sich zuspitzende Spirale hin, die den Lynch Rezipienten hilf- und schwerelos vor sich selbst und seinen moralisch–ethischen Fragen, stehen lässt. Das Lynch zu Selbstzitaten neigt, das ist natürlich keine Neuigkeit, doch er scheint erst jetzt zu seiner eigentlichen Sprache zu finden; zu der "ursprünglichen" Version seines Märchens und nicht wie zuvor in seinen Filmen, zu dessen entschärften Variationen. Der Traum nach einer perfekten Familie, die blinde Sucht nach Liebe geben den Ton an. INLAND EMPIRE ist ein Loblied an das Unbewusste, das scheinbar schon durchleuchtet und definiert zu sein scheint, doch wäre dem so, dann könnte man meinen es sei träge, reaktiv oder gar reaktionär und man müsse es progressiv auf Vordermann bringen**.
Die blinde Sucht nach Liebe
Dem setzt INLAND EMPIRE ein deutliches Zeichen entgegen. Das Unbewusste ist hier die treibende Kraft. Die Gewohnheit der Narration schafft nur Verwirrung, gerade die ist es, die sich im INLAND EMPIRE ad absurdum führt und den Zuschauer verstört. Unser Verstand ist es gewohnt in Zusammenhängen zu denken, doch je vielschichtiger die Verknüpfungen umso undurchsichtiger die Handlung. Lynch übernimmt die Rolle des Spiritus Rector und führt uns durch seine Filme zu uns selbst, zum Projektionsraum zurück, wo alles Böse begann. Erst dann kann der Zuschauer, wie Laura Dern in INLAND EMPIRE, sich selbst auf der Leinwand und im Kinosaal gleichzeitig sehen und sich auf die Suche nach dem Regisseur machen. Wie solch ein Weg praktisch aussehen kann, verdeutlicht INLAND EMPIRE ehrfurchtsvoll und zynisch zugleich. Als Referenz dazu möge Laura Derns Tod am Hollywood Boulevard und das Erreichen des geheimen Ursprungsraumes, wo sich die Hasen-Sitcom abspielt, dienen. Der Traum nach einer perfekten Familie, die blinde Sucht nach Liebe geben den Ton an: "Strange, what love does." David Lynch sitzt, trotz Oscar-Nominierung für "Mulholland Drive", mit einer Kuh am Hollywood Boulevard, um auf seinen neuen Film aufmerksam zu machen.
Die Kuh auf dem Hollywood Boulevard
Der Film wurde von "Canal+", Laura Dern und David Lynch selbst, produziert. Da sich für diesen kein amerikanischer Verleiher gefunden hat, nahm Lynch das Ruder selbst in die Hand und schrieb persönlich Kinos an und machte mit Kunstaktionen, z.B. mit einer Kuh auf dem Hollywood Boulevard, die Menschen auf seinen neuen Film aufmerksam. In Europa scheinen die Dinge besser zu laufen, was mitunter sicher der Verdienst von "Canal+" ist. Der gesamte Film ist im DV-Format gedreht worden. Diese für Lynch etwas ungewöhnliche Entscheidung war sicher vom stark reduzierten Budget beeinflusst. Lynch selbst scheint nach Außen hin mit den Einbußen an Tiefenschärfe und matteren Farben keine Probleme zu haben. Er schwört auf die Digitale Technik, weil er es vorzieht mit den Schauspielern länger und ungezwungener zu arbeiten. Ob dies eine positive Affirmation für die Presse ist, oder er es reinen Herzens so meint, mag dahingestellt sein. Sein Einsatz in Punkto Schnitt, Sound Design und Dramaturgie ist umso genauer und spezieller.
Ratgeber für transzendente Meditationstechniken
Zeitgleich mit dem Film ist in Amerika David Lynchs Buch Catching The Big Fish – Meditation, Consciousness, and Creativity bei Jeremy P. Tarcher / Penguin erschienen. In diesem Buch, welches eine Mischung aus Ratschlägen für Regisseure und Verherrlichungen der Transzendenten Meditationstechniken umfasst, spricht er sich übers Filmemachen wie folgt aus: "Most of filmmaking is common sense. If you stay on your toes and think about how to do a thing, it's right there." (Patryk Dawid Chlastawa)
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Ab 01.06.2007 im Gartenbaukino
Regie: David Lynch
Drehbuch: Jerry Stahl und David Lynch
Schauspieler:
Laura Dern als Nikki Grace/Susan Blue
Jeremy Irons als Kingsley Stewart
Justin Theroux als Devon Berk/Billy Side
Harry Dean Stanton als Freddie Howard
Peter J. Lucas als Piotrek Krol
Karolina Gruszka als Lost Girl
*) Martin Heidegger
**) Hans -Jürgen Heinrichs