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jmw-stereotypenGegen das falsche Abbilden und das falsche Ansehen des Anderen richtet sich die Ausstellung "typisch! Klischees von Juden und Anderen" im Jüdischen Museum Wien. Eine Ausstellung über die Weitergabe von unseren eigenen Vorurteilen, über die Konfrontation der Stereotypen des Alltags und über das Sehen, die Wahrnehmung, Ordnung und Zuordnung von Bildern und Dingen vom Fremden und vom Eigenen.

 

 



Wie der Titel schon verrät, beschäftigt sich die Ausstellung "typisch! Klischees von Juden und Anderen" nicht nur mit antisemitischen Vorurteilen. Da Antisemitismus und Philosemitismus nur eine Facette von Rassismus als "Konstruktion des Anderen nach eigenen Wünschen und Vorstellungen" sind, real-indianswie es der Afrikanist Walter Schicho formulierte, werden in der Ausstellung durchwegs Parallelen aufgezeigt. So kommen auch Stereotype von Native Americans, African Americans, Aborigines etc. vor. Diese weder systematisch erfassten noch umfassenden Parallelen sollen sowohl zeigen, dass jüdische und antijüdische Stereotype keine Ausnahmeerscheinungen sind, als auch den Besucher für das Thema Stereotyp, Fremdbild und Vorurteil in einem globaleren Sinne sensibilisieren. Besonders mit der Einbeziehung antiislamischer Stereotype wird auf die Aktualität allen Klischeedenkens verwiesen und einmal mehr verdeutlicht, inwieweit wir sowohl in historisch gewachsenen als auch in tagespolitisch motivierten Vorurteilen gefangen sind.

Die Brille der Gegenwart

Die Erfahrung der Schoa hat das ethische Koordinatensystem bezüglich der gegenwärtigen oder historischen Bewertung alles "Jüdischen", alles für, von jmw-stereotypen-01und über Juden Hervorgebrachten völlig durcheinander gebracht. Darstellungen und Geschichten, die einmal als schlechter oder sei es auch nur als harmloser Witz empfunden wurden, scheinen heute durch die Brille der Gegenwart vielen als Wegweiser oder gar als Wegbereiter der Katastrophe des größten Genozids in der Geschichte. Die Tatsache, dass wir verständlicherweise Geschichte durch den Spiegel der Schoa sehen und interpretieren, erschwert oft die korrekte Analyse der Geschichte "davor". Es macht anscheinend auch ein "wertfreies" Nachdenken über Mentalitäten, Gruppeneigenschaften und Typologien unmöglich.

Stereotype Forschungsergebnisse? Es gab keine

Da rassistische Theorien und Thesen von pseudowissenschaftlichen, aber auch von ernst genommenen Wissenschaftlern immer unterstützt wurden, geht die Ausstellung im Besonderen auch auf anthropologische und biologistische Stereotype ein. Viele dieser Stereotype wurzeln in kolonialem jmw-stereotypen-02Bemächtigungsstreben, das die Welt nicht nur politisch, wirtschaftlich und strategisch, sondern auch kulturell und "zivilisatorisch" in den Griff bekommen wollte. Andere dienten zur Legitimierung der Sklaverei oder gehen darauf zurück, dass "vor allem von weißen Männern die reine körperliche Überlegenheit von Rassen, die allgemein als minderwertig galten, als psychische Kränkung empfunden und deshalb verdrängt und überkompensiert" wurde. Rassistisch-biologistischer Forscherdrang mündete schließlich im hemmungslosen Sammeln von Daten und Materialien, wie dies beispielsweise der damalige Leiter der anthropologischen Abteilung des Naturhistorischen Museums Wien, Josef Wastl, betrieb. Er sammelte die in der Ausstellung virtuell präsentierten jmw-stereotypen-03Haare jüdischer Inhaftierter und Kriegsgefangener ebenso leidenschaftlich wie anatomisch präparierte "Judenschädel" ermordeter KZ-Häftlinge. Dass das Erkenntnisziel, welches der Beleg für die stereotype Idee sein sollte, die Erkenntnismittel heiligte, spielte ebenso wenig eine Rolle wie das Forschungsergebnis: Es gab keines. Daran hat sich auch in der Zeit nach dem Nationalsozialismus wenig geändert. Das Sammeln und Beforschen biologischer und genetischer Daten wird mehr denn je betrieben, verteidigt von jenen, die glauben, der menschlichen Gesundheit und dem menschlichen Fortschritt damit zu dienen - misstrauisch verfolgt von jenen, die neue Varianten biologistischer Ausdifferenzierungen zwecks Erhärtung unserer stereotypen Vorurteile vermuten. (pt/mh; Fotos: Brook Andrew, Dennis Kardon, Larry McNeil)

Ausstellungs-Tipp:
"typisch! Klischees von Juden und Anderen“
Bis 11.10.2009
Jüdisches Museum Wien
Palais Eskeles
Dorotheergasse 11
1010 Wien
Sonntag bis Freitag
10 bis 18 Uhr
Eintrittspreis: € 6,50 (€ 4,- ermäßigt)
Schulklassen haben freien Eintritt